Kapitel 3

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Wie soll ich mich ausdrücken? Wie kann ich das sagen, ohne mich oder andere zu gefährden? Wie kann ich es sagen, ohne geistig überzulaufen? Wie kann ich es in Worte darlegen? Wie soll ich das schaffen, wenn es fast schon zu viel für meine Seele ist?

Ich liebte und liebte und verlor ihn.
Ich brauchte und brauchte und bekam ihn nicht.
Ich sehnte und sehnte mich und verfiel in eine Sucht.

Es brennt und tut höllisch weh.
Ja, das tut es. Es nagt sich in meine Seele und zerreißt sie in Stücke. Es verliert seine Gestalt und nimmt Ausmaße an, die einer Explosion gleichen. Es zieht und drückt. Ich will Luft holen, aber meine Lungen können nicht so viel aufnehmen. Ich fühle mich hoffnungslos.

Ich will nicht, dass jemand etwas über mein Leidenswesen weiß, doch ich muss es jemanden sagen. Ich will, dass jemand mir versichert, nicht meinen Verstand verloren zu haben. Ich weiß einfach nicht mehr, wer ich bin. Ich will nicht, dass sie von meinen Geheimnissen wissen und erst recht nicht, wie sehr ich ihn liebte. Es ist doch klar, dass niemand mich akzeptieren wird. Niemand kann mich hier akzeptieren und tolerieren, nicht mal er selber. Er konnte mit meiner selbst nicht umgehen und auch nicht mit den Gefühlen. Meine Träume kämpften gegen die Realität und verloren.

Ich kämpfte gegen mich selber und der Ausgang war eine triste Welt.

Ich will wieder lachen und Spaß haben!

Aber es geht nicht, alles in mir sträubt sich dagegen. Es fühlt sich an als würde ich ersticken und in mich zusammenfallen. Ich will die Welt wieder bemalen, doch ich liege in Ketten, aus denen niemand mich rausholt.

„Tsukki, warte auf mich!"
„Tsukki, welche Musik hörst du gerade?"
„Tsukki, du warst klasse beim Training!"
„Tsukki, hast du mein Aufschlag gesehen!"
„Tsukki, unser Eiscafé hat wieder geöffnet!"

Tsukki? Tsukishima? Kei?
Wann wurde ich so? Wann habe ich mich selbst verloren? Jedes Wort, was ich momentan sage, fühlt sich so an, als würde ein anderer reden. Irgendwie stehe ich neben mir selber und begutachte mein handeln. Jemand steuert mich und ich vergas wer. Ich bin so eingeengt in mir selbst, dass jegliche Emotionen ihren Namen verloren haben. Wer war nochmal mein wahres ich? Wieso ist es gestorben? Ich gehe langsam elendig unter und ich habe Angst, dass ich diesmal wirklich zerfalle.
Ich brauche jemanden bei mir.
Ich brauche jemanden, der Bescheid weiß.
Ich brauche jemanden, der mir zu hört.
Ich brauche jemanden, der mich hält.

Ich brauche nur dich. Du warst mein Halt im Leben. Ohne dich habe ich mich verloren. Die Orientierung ist weg und das Einzige, was übrigblieb, ist die Angst.

Ich habe mich verloren.

Verloren
Verloren
Verloren

Oder doch neu erfunden? Ich bin ein neuer Mensch geworden und er blieb derselbe. Mir hat die Trennung unserer Freundschaft ein Wandel gebracht, mich aus der Bahn geworfen und bei ihm hinterließ das keine Narben.
Wieso bist du so kalt? Wieso nimmst du alles so leicht? Wieso kann ich nicht einfach du sein? Ihm scheint es nicht zu interessieren, was aus mir wurde. Nie hatte er versucht Kontakt aufzunehmen oder zu reden. Er strich mich aus seinem Leben als wäre ich ein nichts.

Das bin ich doch auch, oder nicht?
Unsere Leben sind nur noch leere Straßen, in denen ich damals hoffte mit dir zu spazieren und den Mond zu bewundern. Wir waren dafür gemacht, um Liebe auf diesen Straßen in Worte zu fassen. Ich wollte mein Herz rauslassen! Aber jetzt sitze ich neben meinem Bett alleine, über dem Café, in dem du aufgetaucht bist. Ich düste gerne durch die Straßen, um mit dir Zeit zu verbringen. Aber seit ich wieder hier bin, traue ich mich kaum einen Schritt raus. Die Angst, erkannt zu werden, siegte. Meine Lebensfreude machte Platz für noch mehr Unsicherheit und Negativität. Die Orte, an denen wir viele Stunden verstrichen ließen, wie die Brücke unten am Bach, sind nun Zonen des Grauens und des Elends für mich. Ich bin in diesen vier Wänden gefangen, die ich nicht mal mein Zuhause schimpfen kann! Dieser Ort befand sich einige Straßen weiter, in der meine Mutter und mein Vater mit mir lebten, wo du gelegentlich vorbeikamst und wir zusammen im Hinterhof Sterne zählten. Ich habe Panik jetzt wieder zu blinzeln und wieder alles zu verlieren. Erinnerungen sind kostbar, allerdings streicht mein Kopf gelegentlich Wörter aus dem System, nur damit ich in mein Weltbild passe.

Ich will wieder aus der Reihe taumeln und grinsen!

Doch mein Herz hört auf zu schlagen und schreit es in mir Parolen. Und ich wünsche mir. Und ich wünsche mir so sehr, nie dir Lebewohl gesagt zu haben!

Hoffentlich erinnerst du dich noch an die schönen Zeiten.
Ich vermisse dich. Ja, so unsterblich sehr und ich kann damit nicht umgehen. Zwei Seiten stehen sich gegenüber und eine hat schon den Kampf verloren.

„Wieso wurde ich so?" Meine Stimme klingt schrecklicher als sonst. Kläglich, verbittert und vom Erdbeben erschüttert. Mein Magen dreht sich schlimmer als damals vor den Prüfungen und mein Kopf schmerzt mehr als jeder Aufprall mit dem Boden der Turnhalle.

„Tsukki, ich vermisse dich noch immer!"

Der Anblick des Nachthimmels ohne den Mond wäre seltsam und mit den Sternen ergeben sich eine Vollendung. Ich möchte eigentlich wieder Yamaguchi sein.

Ich strich mir durch die Haare. Meine Finger glitten zu meinen Ohren, wo ich Piercings spürte. Was mein Damaliges Ich wohl zu sagen hätte? Bestimmt wäre mir jegliche Farbe aus dem Gesicht gefielen. Ja, ganz bestimmt.
  Ein Klopfen zerriss mich wieder. „Tadashi, guten Morgen. Oh, warst du wieder die Nacht hoffnungslos wach? Wenn du möchtest, kannst du dir heute frei nehmen." Falten addierten sich zu seinem Gesicht in den letzten Jahren. In seinem Blick erkenne ich die Angst. Er kann mit meiner Verfassung genauso wenig umgehen, wie er mit seiner. „Ich würde heute ganz normal arbeiten, das bringt mich auf andere Gedanken. Ich komme gleich runter." Er nickte und verschwand. Ich fühle mich wirklich wie ein armseliger Jugendlicher, der nicht über seine erste Liebe hinweg ist. Eigentlich ist das auch mein Zustand und das ist armselig.

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