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Raue Wände, von den bereits der weiße Putz bröselte. Ein Haus älter als die letzten "menschlichen Kriege". Laute Stimmen, die durch die Flure hallten. Getrampel und Gerenne, das dafür sorgte, dass der Putz auch von der Decke fiel. Wie weißer Schnee legte er sich auf die Kopfhaut.
Ein großes Gebäude voller verlorener Seelen. Ein Gebäude mitten in New York, umgeben von Grundschulen und kleinen grünen Flecken. Es waren nicht die Bronx, aber besser war es nicht.
"Mayfieldklinik für Abhängigkeitskrankheiten" stand draus neben der Tür auf einem schwarzen Schild, mit goldener Schrift, eingehämmert in roten Backstein.
Eine von Hunderten Kliniken in der Umgebung. Sie war nicht die beste, aber auch keinesfalls die Schlechteste. Die Mayfieldklinik war so gut, dass sie monatlich mehr als 1500 Dollar von den Angehörigen ihrer Klienten bekam. Teurer Spaß entstand durch... durch was eigentlich? Einsamkeit? Ängste? Macht? Minderwertigkeitskomplexe? Hass?
Was trieb einen Menschen dazu an, sich selbst zu zerstören? Was brachte ein in diese Situation? Wieso bemerkte es keiner früher? Verlust?
Olivia saß dort und beobachtete, wie der Putz von der Decke rieselte. Er legte sich fein auf ihrem schwarzen Mantel ab, dessen Stoff versuchte denn Dreck zu verschlingen. Die zwei Becher Kakao in ihrer Hand waren bereits kalt und die Uhr schlug nach 12. Anderthalb Stunden Verspätung.
Mitleidige Blicke gingen in ihre Richtung. Der Besucher Raum war voll gefühlt von Paaren, die selbst eine solche Krise überstanden. Eltern und Kinder. Ehefrau und Ehemann. Ehefrau und Ehefrau. Jeder hatte jemanden, außer sie. Olivia saß allein an dem runden Tisch.
Geduldig wartete Liv. Sie sah weiterhin dabei zu, wie der Putz wie Schnee fiel. Im Hintergrund ein leises Ticken einer Uhr. Tick-Tack, Tick-Tack.
Mit jedem Mal, in dem die dunkle Holztür sich öffnete, wurden ihre Augen größer. Aber ein bekanntes Gesicht kam nicht hindurch. Es war wie die letzten Male.
Sie würde warten. Sie würde warten, bis es dunkel wurde und die Besucher ging dann, wenn schon lange keiner mehr dort saß. Liv würde warten, weil sie hoffte, dass er kommen würde. Weil sie es ihm schuldig war. Weil sie ihn liebte.
Sie hoffte, dass er mit ihr sprechen würde, dass sie ein weiteres kurzes Mal seine Stimme hören könnte, die sich über die Jahre sichtlich verändert hatte. Sein Akzent war verblasst, die Aussprache klarer, die Spuren der Vergangenheit verwischt.
Es war egal, was er sagen würde. Es war egal, wie verletzend es wäre. Vielleicht würde er ihr nie vergeben. Aber sie wollte nur sein Gesicht sehen. Sie wollte sich vergewissern, dass er okay war. Einfach nur wissen, ob es ihm gut ging, so gut, wie es in seiner Situation war.
Sie wusste, dass sie vielleicht nie wieder ein Teil seines Lebens sein könnte. Für ihn war sie vielleicht schon kein Teil mehr. Die Zeit war an ihr vorbei gezogen in Sekunden. Doch für ihn waren es Jahre gewesen. Sie war nicht dort. Keiner war dort. Niemand hatte bemerkt, wie aus Daniel Helstrom ein anderer Mensch geworden war. Keiner war dort gewesen, um seine Hand zu halten oder einfach nur zuzuhören. Jeder, der geblieben war, war gegangen und hatte ihn sich selbst überlassen.
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HELSTROM ⟫IKARIS⟪ Marvel's Eternals (Slow Updates)
FanfictionSie war auf der Suche nach einer Heilung für die Verluste der Vergangenheit. Er war auf der Suche nach nichts und fand dabei alles. Gestartet: 03.11.2021 Veröffentlicht: 07.11.2021 Beendet: