Kapitel 5

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Talea war als erste aus der Wohnung. Sie musste so schnell wie möglich zurück, noch bevor ihre Eltern merkten, dass sie weg war. Als Lyn schließlich auch gehen musste, waren Lucio und ich alleine. Ich schluckte gerade meinen Kaffee hinunter, als es plötzlich an der Tür klingelt. Lucio zwinkerte mir zu, als er die Tür öffnete. Herein kam ein hochgewachsener Elfe, der mir schüchtern „Guten Morgen" zuflüsterte. „Ähm, ja, guten Morgen" Vor mir stand Luke. Wenn man nicht wüsste, dass er Lucios jüngerer Bruder war, konnte man annehmen, sie waren Zwillinge. Er sah genauso aus wie Lucio, nur mit dem Unterschied, dass seine Augen so hellblau leuchteten, wie die von Husky. Er sah sogar älter aus als Lucio, war aber erst 16. „Also, hast du das wirklich ernst gemeint? Ich meine deine Nachricht?" meine Nachricht? Ich zog eine Augenbraue hoch und sah zu Lucio hinüber, der über sein ganzes Gesicht Grinste. Aha, meine Nachricht also. „Ja klar. Weißt du was? Hast du heute Abend Zeit?" Dieses Date bedeutete mir nichts, also wollte ich es so schnell wie möglich hinter mich bringen. Obwohl er ja doch gar nicht so schlecht aussah. „J-Ja klar!" er strahlte so viel Glück aus, dass ich mich doch ein bisschen freute.

Nach zehn Minuten saß ich immer noch bei Lucio in der Küche und schlürfte meinen zweiten Kaffee. Ich hatte solche Kopfschmerzen! Außerdem hatte ich mir freigenommen, was hieß, ich konnte mich Mental auf dieses Date mit Luke vorbereiten. „Ich kann es nicht fassen! Aideen Leilani Auclair hat sich doch tatsächlich auf ein Date mit meinem kleinen Bruder eingelassen!"
„Ja, aber nur, weil ich muss"
„Quatsch mit Soße! Du magst ihn!"
„Natürlich mag ich ihn. Er ist dein Bruder, er flirtet immer mit mir und er ist eigentlich ganz schnuckelig. Aber ich könnte keine Beziehung mit ihm eingehen." Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Er ist ganz schnuckelig. Oh mein Gott! Jetzt wurde ich rot. Lucio fing so heftig an zu lachen, dass ich ihn ein Kissen in sein wunderschönes Gesicht schoss. Nachdem es sein Ziel erreicht hatte, fing er nur noch mehr an zu lachen. „Das muss ich ihm gleich Schreiben! Du findest ihn schnuckelig!" Eigentlich wollte ich erwidern, er solle das nicht machen, ich gönnte ihm jedoch den Spaß. Nachdem er die Nachricht abgeschickt hatte, setzte er eine ernste Miene auf und saß sich neben mich.
„Ich brauche dringend deine ehrliche Meinung, Aideen."
„Wann immer du mich brauchst, Lucio"
„Ich möchte Lyndra fragen, ob sie meine feste Freundin sein möchte" Oha. Damit hätte ich jetzt wirklich nicht gerechnet.
„Wirklich? Das überrascht mich jetzt etwas."
„Findest du die Idee nicht gut?"
„Nein, nein, ganz im Gegenteil. Ich finde sie Super! Wann möchtest du sie denn fragen?" Man muss wissen, dass die beiden sich immer necken und diskutieren. Sie würden das total gute Paar abgeben! Tja, es heißt nicht umsonst, „Was sich liebt, das neckt sich".
„Ihr würdet das total gute Paar abgeben!" Ich umarmte meinen besten Freund ganz fest
„Ich möchte sie gleich heute Abend fragen, aber bitte lass mich jetzt los! Ich muss zur Arbeit." Ruckartig rutschte ich ein paar Zentimeter von ihm weg.
„Na dann! Los, los, los! Mach dich aber bitte noch ein bisschen hübsch, bevor du sie fragst! Und kauf ihr Veilchen und Lilien, sie liebt Veilchen und Lilien!" Ich schob ihn zur Haustür und scheuchte ihn aus der Wohnung. Nachdem ich hinter ihm abgeschlossen hatte, rutschte ich die Tür hinunter, legte meine Hände auf meine Augen und fing an zu Weinen. Wenn der Tag so anfing, nahm er meistens kein gutes Ende. Ich weinte nicht vor Traurigkeit oder vor Wut, ich weinte vor Glück.

Eine Stunde nachdem ich mir die Augen über Lyndra und Lucio (Vor Glück!) ausgeweint hatte, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Man merkte, dass es langsam Frühling wurde, da die Kälte nicht mehr ganz so unausstehlich war. Ich stopfte mir den Schal in meine Jacke und betrachtete ein paar Tauben, die Seelenruhig auf dem Boden herumpickten. Nach einigen Minuten erwachte ich aus der Starre und merkte, dass es angefangen hatte zu Regnen. Schnell schlüpfte ich in eine Seitengasse und wartete, bis es nicht mehr ganz so heftig regnete.
Ich stand gerade mal vier Minuten in der Gasse, als mir ein Mann entgegenkam. Ich konnte nicht zuordnen, zu welcher Spezies er dazu gehörte, da er einen langen Mantel trug, der ihm bis zu den Knöchel reichte. Auf den Kopf trug er einen Hut, den er bis zur Nasenspitze heruntergezogen hatte. Als er unter dem Hut hervorlugte, um mich besser sehen zu können, blitzten mir zwei dunkelblaue Augen ins Gesicht. Im milchigen Sonnenlichte leuchteten sie so dunkel auf, dass sie schon fast violett aufblitzten. Er musterte mich einmal schnell und schob sich dann an mir vorbei. Seine Nähe kam mir so seltsam bekannt vor, obwohl ich diesem Mann noch nie begegnet war. Ich sog seinen Duft ein, und auch der kam mir so seltsam bekannt vor: Er roch nach Salz, nach Wind und nach Regen. Da ich mich noch keinen Zentimeter seit seiner Ankunft bewegt hatte, fragte er: „Alles Okay?" Seine Stimme verklang noch tief in meinem Bauch, als ich ein kurzes „Ja" rausbrachte. „Da", sagte er plötzlich. Ich drehte mich so schnell um, dass ich leicht das Gleichgewicht verlor. Als ich wieder halbwegs sicher auf meinen Beinen stand, merkte ich, wie er mir einen Regenschirm entgegenhielt. „Ich glaube, du brauchst den mehr als ich." Zitternd nahm ich den Regenschirm entgegen und krächzte ein leises „Danke" in seine Richtung. Meine Stimme klang ganz hohl, so, als würde gar nicht ich sprechen sondern irgendein anderer Mensch tief in mir drin. Er ging einen Schritt zurück und sagte noch als Abschied: „Leb wohl." Tief in mir wurde ich plötzlich ganz Traurig. Mir stiegen Tränen in die Augen, die ich schnell wieder wegblinzelte. Ich kannte diesen Mann gar nicht, also wusste ich auch nicht, warum ich so traurig wurde, als er diese zwei Wörter aussprach. Ich drehte mich um und machte einen Schritt, und noch einen. Es war ein Wunder, dass mich meine Füße überhaupt trugen. Als ich ungefähr Zehn Meter von ihm entfernt stand, sah ich, wie er mir hinterher sah. Als ich weitere zwei Meter zurücklegte und mich danach nochmal umdrehte um ihn ein letztes Mal zu sehen, war er plötzlich verschwunden. Jetzt lief mir eine dicke Träne über die Wange. Diesmal wischte ich mir sie nicht weg, sondern ließ meine Tränen einfach laufen.

Den ganzen Weg nach Hause weinte ich lautlos, und als ich vor der Haustür ankam und zittrig den vierstelligen Code eingab, gab ich kurz einen lauten Schluchzer von mir. Als ich vor unserer Haustür stand, atmete ich ein paar Mal durch die Nase ein und durch den Mund aus, bevor ich aufsperrte. Meine Mutter stand in der Küche und kochte. „Hallo.", sie legte den Kochlöffel weg und sah mich an, „Ich wollte mich nur kurz Entschuldigen, dass ich gestern so ausgerastet bin. Ich war angetrunken. Es tut mir Leid." Als ich diese Drei Worte aus den Mund meiner Mutter hörte, fing ich erneut an zu Weinen. Sie entschuldigte sich tatsächlich bei mir! War das zu fassen? Ich nickte nur kurz und ging dann mit schnellen Schritten in mein Zimmer. „Alles Okay bei dir?", hörte ich sie fragen, doch ich war schon in meinem Zimmer und sperrte die Tür zu. „Aideen?", hörte ich sie nochmals fragen. Sie stand jetzt vor meiner Tür und klopfte leicht daran. Ich jedoch ignorierte sich, ließ mich auf mein Bett fallen und schluchzte und weinte und schrie in mein Kopfkissen. Der Tag war wirklich Beschissen! Und dann war da ja noch das Date mit Luke... Ich weinte noch einige Stunden, und drückte mir dabei den Regenschirm so heftig gegen die Brust, dass da danach bestimmt ein blauer Fleck war. Inzwischen war mir aber alles egal, ich wollte einfach nur noch Schlafen. Und das geschah auch dann einige Minuten nachdem ich aufgehört hatte zu schreien. 

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