Eines frühen Abends saß Mason auf der Bank vor der Hütte und schnitzte aus einem Stück Holz einen Löffel. Dabei sah er immer wieder hinauf zum Himmel, wo die Sonne sich inzwischen rot verfärbt hatte und kurz dabei war, den Horizont hinter sich zu lassen. Er machte einen besonders betrübten Eindruck, was Julia nicht entging. Zunächst stand sie beinahe bewegungslos in der Tür und beobachtete Mason leicht unauffällig, bis sie dann schließlich langsam zu ihm ging und sich direkt vor ihm in die Hocke begab. „Was bedrückt dich? ..." störte sie die Abendstille, in der lediglich einige Grillen zu hören waren. „Ich sehe dir doch an, dass du Kummer hast." Mason reagierte auf ihre Frage eher abweisend aber er vermochte es nicht, sie abzuwimmeln. „Ich hätte niemals das County verlassen dürfen. Aber Kenning hat mich dazu getrieben." Mason hielt kurz ein und dachte wieder einen Moment nach, wieder den Blick zur untergehenden Sonne gerichtet. „Ich bin mir sicher, er ist der Mörder meines Vaters.", fuhr er fort. Er presste wutdurchbrochen seine Lippen aufeinander, seine Augen starrten in den Himmel, und er atmete schwerer. „Aber, bist du dir da ganz sicher? Warum sollte der Sheriff jemanden ermorden?", forderte Julia Mason auf, ihr weitere Informationen über die Vorfälle von damals zu geben.
Mason ließ sich direkt darauf ein. Er hatte es ohnehin nötig, endlich mit jemandem darüber zu reden, dem er vertrauen konnte. Und Julia war sicher die einzige Person, die Mason Glauben schenken würde. „Es war im Sommer vor etwa 16 Jahren. Mein Dad arbeitete für diesen McBreed." Julia erschrak, „Mein Vater? Hatte er etwa etwas damit zu tun? Und Tony? War er etwa Mason's Dad? ", fragte sie sich selbst diskret. Julia war völlig verwirrt, weil Tony immer so ein lieber Mensch gewesen war. Als sie noch klein war, hat Tony mit ihr oft im Garten gespielt, ihr gezeigt, wie man eine Flöte aus einer Weide schnitzt und wie man in Afrika am Fluss auf Fischfang geht. Aber sie wollte es Mason auf keinen Fall in diesem Moment sagen. Sie wollte die Beziehung zu Mason nicht gefährden. Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als Mason weitererzählte: „Er hielt seine Gartenanlagen in Ordnung und kümmerte sich um die Gebäude seines Unternehmens. Mein Dad wurde von diesem Abschaum wie ein Sklave gehalten. Lohn hat man ihm nur, wenn überhaupt, wenig gezahlt. Doch bevor wir den Ort verlassen konnten, überhäuften sich die Ereignisse. McBreed behauptete anfangs, mein Dad habe ihm Geld gestohlen. An einem Tag, als er in sein Haus kam, sah er, wie seine Ehefrau nackt aus dem Bad kam, und mein Vater hielt ihr einen Bademantel entgegen. McBreed sah rot , weil er der Überzeugung war, mein Dad wolle seine Frau zum Sex zwingen und schlug sofort auf ihn ein."
„Ich verstehe aber nicht, warum der Sheriff deinen Dad dann umgebracht haben soll?", fragte Julia verwirrt.
„Das war der Beginn des Terrors gegen unsere Familie. McBreed erzählte dem Sheriff, mein Vater wollte seine Frau vergewaltigen. Das blieb den übrigen Bewohnern der Stadt selbstverständlich auch nicht verborgen. Und so kam es, dass sich immer mehr Hass gegenüber aus aufgebaut hat. Wir wurden buchstäblich von den Einwohnern terrorisiert. Selbst Kinder warfen an unserem Haus die Fenster ein, legten Feuer. Ich durfte die Schule nicht mehr betreten. Selbst zum Gottesdienst, zu dem wir jeden Sonntag gegangen sind, hat man uns den Zugang verwehrt."
Mehr und mehr staute sich in Mason die innere Wut, wobei seine Augen nun deutlich von Nässe glänzten.
„Und dann dieser Tag..." Mason stockte, konnte nun kaum etwas sagen. Er schluckte schwer, und sein Atem wurde wieder schneller... aufgeregter... Ihm schossen gleichzeitig Wut, Trauer und Hass durch den Körper. „Was war an diesem Tag? Was ist geschehen?" Julia will nun alle Einzelheiten genau wissen.
„Dad durfte seit diesem einen Vorfall das Gelände vom McBreed nicht mehr betreten. Egal, wo er sich auch aufhielt, er wurde regelrecht vertrieben. Bis an diesem Tag, als mein Dad zum Sheriff ging, um sich von dort Hilfe zu holen. Meine Mom und ich waren daheim geblieben und warteten auf Dad's Rückkehr."
DU LIEST GERADE
Der Außenseiter
القصة القصيرةEine Kurzgeschichte zum Thema Ausgrenzung und Rassismus. Aus Angst wird Liebe. Aus Hass wird Einsicht. Menschen ändern sich, manchmal jedoch erst dann, wenn Wahrheiten ans Licht kommen.