Freitag, 07.10.2005
Betrübt blickten die warmen braunen Augen hinauf in den dunkelgrauen Himmel. Laut prasselten die dicken Regentropfen auf das Vordach der Schule und Kaya verzog dabei ihre Lippen zu einer Schnute.
Mai, die direkt neben ihr zum Stehen gekommen war, raffte ihre Jacke etwas fester um sich und lächelte dann aufmunternd: „Morgen ist es sicher besser. Oder meinst du nicht?"
Auch wenn der Gepiercten klar war, dass ihre Freundin sie damit nur von dem scheußlichen Wetter ablenken wollte, gelang der Rothaarigen das kein bisschen mit ihren Worten. Ergeben atmete das Mädchen aus und versuchte etwas zu Lächeln. „Sicher, dann eben morgen."
Kaya wusste, dass sie heute auf gar keinen Fall direkt nachhause gehen wollte. Denn seit ein paar Tagen hatte ihr Vater eine neue Flamme, wenn man die Frauen, die er mit heim brachte, so nennen konnte. Und der Typ scherte sich einen Dreck darum, ob seine Kinder mitbekamen, wie er die hohle Nuss in sein Bett nagelte.
Wobei, das Mädchen froh gewesen wäre, wenn es gestern beim Bett in dem 'elterlichen' Schlafzimmer geblieben wäre. Doch als die Mittelschülerin am Donnerstag in die Wohnung kam, befanden sich die beiden Erwachsenen im Wohnzimmer und trieben Dinge, von denen Kaya in ihrem Alter nichts sehen wollte... oder zumindest nicht von so einem alten Sack.
Ein Glück war Iroh nicht bei ihr gewesen, dieser kam dann erst 3 Stunden später in dem, zum Glück wieder, stillen Heim an. Und wäre der Bandenmüllmann nicht auf der Piste gewesen, mit seiner neuen Torte, wäre dem Arsch sicher aufgefallen, dass seine Kinder deutlich zu spät heim gekommen waren. Denn auch das Mädchen hatte nach dem unerwarteten Blick auf das in Ekstase geratene Paar, die Flucht ergriffen. Sie hatte sich in die nächst beste Spielhalle verzogen, um das bisschen Kohle, dass die 15-Jährige noch hatte, auf den Kopf zu hauen.
Da sie nun keinen Yen mehr hatte, wollte die Braunäugige auf eines der öffentlichen Baseballfelder und ein paar Bälle ins Nirvana befördern. Jedoch sprach sich das Wetter gegen ihr Vorhaben aus.
Die schwarzen Augen der Kleineren wanderten zu dem Schläger, den ihre Freundin in Händen hielt. Ihr war schon heute Morgen klar gewesen, dass Kaya wieder vorhatte auf eines der Felder zu gehen, doch da war der Himmel noch strahlend blau gewesen und erst am späten Nachmittag hatten sich dicke Regenwolken über Tokyo erstreckt. Und jetzt droschen die schweren Tropfen beinahe Löcher in den Asphalt.
Ein leises Murren erklang von der Größeren und sie ließ den Kopf etwas in den Nacken fallen: „Mist, dabei wollte ich noch ein bisschen den Schläger schwingen."
Wenn Mai ehrlich zu sich selbst war, fand sie es doch sehr seltsam, dass Kaya ein solches Hobby hatte. Denn zu einem Mädchen, wie sie eines war, passte so eine sportliche Aktivität nicht sonderlich. Auch sie selbst war nicht besonders aktiv in diesem Bereich, sie mochte Handarbeit und verlor sich deutlich lieber in fesselnden Filmen und Serien. In anderen Welten, die nichts mit dem gemein hatten, was sonst so um sie herum geschah.
„Ich würde dich ja gerne mit zu mir einladen, aber du weißt ja, meine Eltern sind nicht da und sehen es nicht so gerne, wenn ich dann jemanden mitbringe. Selbst wenn du es bist", erklärte die Rothaarige und griff nach dem rosaroten Regenschirm, der aus ihrer Tasche lugte. Wirklich gelogen war es nicht, was sie Kaya hier sagte, denn ihre Eltern mochten es tatsächlich nicht sonderlich, wenn sie jemanden mitbrachte. Doch wollte die Mittelschülerin sich heute in der schönen Fantasiewelt der neu entdeckten Serie vertiefen und Mai wusste, dass so ein Vorhaben mit ihrer Freundin nicht ging. Denn die Schwarzhaarige würde ihr nur wieder erklären, wie dumm die Protagonisten waren, oder wie unlogisch fliegende Inseln waren. Das die Frau nicht darauf warten sollte, bis ihr Traummann kam, um sie zu befreien und so weiter. Mai wusste nur zu gut, dass Kaya nicht der romantische Typ war und das wo sie selbst so etwas den lieben langen Tag lesen, schauen oder dahin fantasieren konnte.
Als ihre dunklen Iriden wieder zu den trägen Augen ihrer Freundin fanden, nickte diese nur und fixierte sie dann mit einem gelangweilten Blick. „Du lügst doch schon wieder, sicher schaust du was total Bescheuertes und willst nicht das ich dir den Spaß verderbe."
Ertappt zogen sich die schmalen Schultern des Rotschopfes etwas hoch und sie blinzelte unter den langen Wimpern hindurch entschuldigend zu Kaya hinauf. „Sorry, aber mit dir macht das keinen Spaß", entschuldigte sich Mai sofort und wurde dabei etwas rot, da sie so schnell ertappt wurde. Doch im Lügen war die Kleinere noch nie sonderlich gut und Iwasaki würde nicht mal etwas dagegen sagen, wenn Mai ihr einfach die Wahrheit gesagt hätte. Immerhin wollte sie selbst sich so einen Schund nicht noch mal antun. „Na dann wünsche ich dir viel Spaß mit deinen verdreht romantischen Frauen, die in solchen Welten nicht eine Sekunde am Leben bleiben würden", murmelte die Schwarzweißhaarige und schenkte ihrer Freundin, trotz der Lüge, ein Lächeln.
Augenblicklich schwand der ertappte und entschuldigende Ausdruck auf dem niedlichen Gesicht und sie blies ihre Wangen empört auf: „Stimmt nicht! Die Hoffnung, auf ein erneutes Treffen mit ihrem Liebsten, lässt sie einfach alles überstehen. Das ist sooooo schön! Davon träumt doch jede Frau, einen Mann, der es wert ist, dass man Jahre auf ihn warten würde."
Um ein Haar hätten die rosa Herzen, die mit einem Schlag um Mai herum tanzten, Kaya erschlagen, oder sie in einem Dunst der Liebe erstickt. „Ja na klar, jede Frau träumt davon", gab die Baseballerin sarkastisch von sich und schmunzelte dann über diesen Übereifer.
Doch Mai fiel da plötzlich etwas vollkommen anderes ein: „Na du nicht mehr, du hast ihn ja schon gefunden, den einen. Dein Herzblatt, deinen Helden, dein Pünktchen."
Die schwarzen Augenbrauen begannen bedeutungsvoll auf und ab zu hüpfen, als sie Kaya auf den Jungen ansprach, der in letzter Zeit deutlich an ihrer Freundin haftete, als wäre sie ein Sirup überzogenes Eis und er eine Biene, die sich nicht von dem Klebezeug fernhalten konnte.
Und wie jedes Mal, wenn Mai den Tätowierten ansprach, konnte sie einen minimalen rosa Schimmer auf den Wangen der Größeren erkennen. „So ein Unsinn, als ob da irgendwas wäre. Wir verstehen uns einfach nur gut", versuchte die Größere das ganze abzutun, doch die Schwarzäugige ahnte, dass viel mehr dahinter steckte. In ihrer Klasse ging das Gerücht herum, dass ausgerechnet der gutaussehende Typ, ein paar ihrer Klassenkameraden übel mitgespielt haben soll, weil diese Kaya geärgert hatten. Wie viel an den ganzen Geschichten dran war, konnte Mai nicht sagen, doch was sie wusste war, dass die Schwarzhaarige eindeutig eine Schwäche für den Jungen hatte. Zugeben würde sie das wohl nie, oder zumindest nicht in nächster Zeit, doch wenn die Rothaarige etwas erkannte, dann waren es die zarten Bande einer Jugendliebe und diese war hier deutlich zu spüren. Nicht nur von Kaya aus, auch wenn Kazutora in ihrer Nähe war, konnte die 157 Zentimeter Große deutlich spüren, wie sehr er an SEINER Kleinen hing.
Diese Spitznamen konnte die verträumte Schülerin nicht überhören, zu sehr schrien sie nach einem romantischen Drama mit Happy End. Auch wenn Mai noch nicht so recht wusste, wo hier das Drama sein sollte, aber zumindest schien das ganze eine interessante Schulromanze zu werden. Und sie war in der ersten Reihe und konnte alles aus der Nähe beobachten. Vielleicht würde ihre Freundin dann auch endlich mal zugeben, dass sie mehr als nur Bücher und Baseball im Kopf hatte.
Immerhin waren sie doch in dem Alter, in dem man sich für das andere Geschlecht interessierte, sie selbst verknallte sich beinahe einmal die Woche in einen anderen Typen. Noch wusste Mai aber auch nicht, auf welche Art Kerl sie stand.
„Ach komm schon, er ist echt niedlich und wie er dich immer ansieht, ich würde mich gerne so betrachten lassen", begann die Kleinere mit verträumter Stimme zu schwärmen.
„Kannst du damit auch mal aufhören? Denk lieber drüber nach, wie du Natsuo dazu bekommst, dich endlich wahrzunehmen. Immerhin ist er ein beliebter Typ, oder nicht?", versuchte Kaya sachlich von sich und Kazutora abzulenken. Dass Mai doch so viel mitbekommen hatte, war ihr nicht klar gewesen. Denn im Grunde wirkte ihre Freundin immer extrem abwesend, wenn der Junge mit ihnen sprach. Aber vielleicht spann sich diese dann auch irgendwelche irrsinnigen Dinge in ihrer Fantasie zusammen und verlor sich in dem Wahnsinn der romantischen Vorstellungen vollkommen.
Kaum hatte die Gepiercte den Jungen mit den braunen Haaren erwähnt, schien Mai auf Wolken zu schweben und brabbelte nur noch unzusammenhängenden Quark vor sich hin.
Leicht den Kopf schüttelnd kicherte Kaya ein wenig und spannte dann ihren eigenen Schirm auf, um in den tobenden Regen zu treten: „Wir sehen uns dann morgen und denk nicht zu viel an deinen Liebsten, sonst gehst du wieder in die falsche Richtung."
Damit schritt Iwasaki den Weg vom Schulgelände entlang und ließ Mai alleine mit ihrem Gemurmel.
Leicht grinsend drehte Kaya den Schirm zwischen ihren Fingern, schwang dabei den Schläger locker neben ihren Beinen hin und her und musste an das kurze Treffen mit Hanemiya heute Morgen denken. Den ganzen Tag hatte sie das Bandenmitglied nicht mehr gesehen, doch an die zwei Minuten an ihrem Spind konnte sie sich selbst jetzt noch sehr gut erinnern. Seit dem Samstag bei ihm alleine zu Hause hatte sich etwas verändert. Kaya konnte nicht genau sagen was, doch sie hatte kein Problem mehr damit, wenn ihr Pünktchen sie anfasste, oder er ihren Körper fest an seine Brust zog, er seine Arme um ihre Mitte schlang oder sonstigen Körperkontakt. In den meisten Fällen, fehlte es ihr sogar, wenn er sie wieder losließ und das wo ihr Kopf noch immer deutlich dagegen war, dass sie den Jungen so nah an sich heranließ. Doch es tat gut, es war eine uneingeschränkte Wärme, die Kazutora ihr gab, eine unerbittliche Nähe, die dem Mädchen so lange gefehlt hatte. Auch wenn es ein Fehler sein sollte, konnte Kaya nichts mehr dagegen tun, gerne bei ihm zu sein. Von seinem süß-holzigen Duft in eine tiefe Ruhe gezogen zu werden und einfach nur seinem gleichmäßigen Herzschlag lauschen zu wollen.
Immer mal wieder, brüllte ihr Unterbewusstsein das heraus, was sie übersah: ER WIRD DICH VERRATEN! ER WIRD DICH ALLEINE LASSEN! WIE ALLE ANDEREN!
Doch diese Worte wurden von dem benebelten Verstand ins letzte Eck ihrer aufnahmefähigen Hirnzellen geschoben und gingen vollkommen unter. Waren nur ein erschreckendes und kurzes aufblitzen, welches sofort wieder überschrieben wurde.
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Vicinity [Tokyo Revengers]
FanficKazutora langweilte sich gewaltig, doch dann sah er etwas das ihn zumindest kurz aus diesem Zustand befreite. Ein Mädchen, wer hätte das erwartet? Doch bei was er die Kleine beim zweiten Mal erwischte, weckte sein Interesse an der Schülerin und so b...