6. Welcome!

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Samstag, 01.10.2005

Kazutora grinste fröhlich vor sich hin, die Menschen, die an ihm vorbeigingen, interessierten ihn allerdings kein Stück. Auch wenn seine sandbraunen Augen aufmerksam auf ihnen lagen und jeden einzelnen musterten. Doch diejenige, auf die er wartete, war noch nicht in sein Sichtfeld gestolpert.
Gestern noch hatte er Kaya dazu überredet, mit ihm etwas zu unternehmen. Was genau hatte er verheimlicht. Allerdings konnte er in den wundervollen Augen deutlich lesen, dass sie ihn nicht abweisen würde. Auch wenn ihre Worte erst etwas vollkommen anderes aussagten.
Mittlerweile war es ein wenig einfacher geworden, diese unüberwindbare Mauer zu durchschauen. Das Mädchen schien prinzipiell erst mal alles abzulehnen, doch wenn sie länger darüber nachdachte, blitzte dieser Funke in ihren Iriden auf. Ein kleines Aufleuchten, das immer nur dann erschien, wenn die Gepiercte ihre Meinung doch noch änderte.
Woran sie dabei dachte, hatte der Tätowierte allerdings noch nicht durchschaut, jedoch interessierte ihn das fürs Erste nicht sonderlich. Viel wichtiger war, dass seine Kleine zugesagt hatte und diese in wenigen Minuten vor ihm stehen würde.
Seine Hände hatte er in der weiten weißen Jacke, die auf dem Rücken das Walhalla Logo trüg und ihn eindeutig als Mitglied dieser Gang identifizierte. Der rote Anhänger mit dem Bandennamen, am linken Ärmel, tänzelte leicht im Wind, der eiskalt durch die Straßen fegte.

Mit leisen Schritten trat Kaya durch die Straßen und bewegte sich an ihren störenden Mitmenschen vorbei. Diese hatten am Samstag scheinbar nichts Besseres zu tun, als ihr im Weg zu stehen.
Kleine Gruppen an Schülern drängten sich in die entgegengesetzte Richtung und wollten in die Einkaufsstraßen oder zu einem der Kinos.
Ihr Weg allerdings führte die Mittelschülerin weiter weg von dem Treiben und hin zu einer der ruhigeren Straßen. Vor 10 Minuten hatte sie sich von Iroh verabschiedet, der mit einem Freund bei diesem zu Hause zocken würde. Zumindest war der Jüngere da gut aufgehoben, denn bei ihnen in der Wohnung wollten die beiden eher weniger sein, wenn die Wochentage verstrichen waren.
Entweder hatte ihr Vater dann eine Frau zu Besuch, oder aber er saß sich betrinkend auf der Couch und nahm jedes kleinste Geräusch zum Anlass, ihnen das Leben noch mehr zur Hölle zu machen.
Aus diesem Grund suchten die Jugendlichen lieber das Weite und hielten sich irgendwo anders auf. Kaya selbst hing dann meist in Spielhallen ab oder vertrödelte den Tag auf einem der Baseballfelder, um ihren Schwung zu verbessern.
Sie hatte bis vor einem halben Jahr noch aktiv in einem Verein außerhalb der Schule gespielt, doch dann kam ein neues Mitglied hinzu und dieser kannte sie noch aus der Grundschule. Das Theater an diesem Tag, trieb die Schwarzweißhaarige dazu, dieses Hobby hinter sich zu lassen und das ganze nur noch zum Spaß zu betreiben. Deswegen hatte sie das Sportgerät auch öfter einfach mal so dabei, um sich nach der Schule den Tag noch mit etwas Schönem zu vertreiben.
War auch besser so, denn die Vereinsgebühr hatte ihr Vater immer nur dann bezahlt, wenn er Lust dazu hatte. Für Kaya hieß das immer Probleme, die sie vermeiden hätte können, doch damals bedeutete ihr der Sport noch viel zu viel. Aber war es das wirklich wert gewesen?
Schließlich kam die Baseballspielerin zu dem Schluss, dass nichts auf der Welt es wert war, so viel Zeit hineinzustecken. Dafür konnte die Kleine nun geübt den Schläger schwingen und das mit deutlicher Durchschlagskraft, zur Not sogar gegen ein paar Menschen, die ihre Nerven strapazierten.

Abwartend zog der Junge sein Handy aus der Jackentasche und klappte es mit einer geübten Handbewegung auf. Seine Augen musterten den kleinen Bildschirm, doch am oberen Rand war keine Nachricht oder ein Anruf in Abwesenheit zu erkennen. Denn irgendwas in ihm flüsterte, dass Kaya auch einfach absagen konnte. Zwar hatte er am Donnerstag kurz den Eindruck seiner Kleinen etwas näher gekommen zu sein, doch dieses schreckliche Verlustgefühl, als sich dieses winzige bisschen wieder aus seinen Fingern losriss, war nicht mehr aus seinen Gedanken zu bekommen.
Was, wenn die Schülerin es schaffte und eine Außenstehende bleiben würde? Das wollte er auf keinen Fall, denn Kazutora wollte dieses wundervolle warme Gefühl, diese Vollständigkeit nicht aufgeben, die er hatte, wenn sie da war. Die Gepiercte war ihm schon bei der verrückten Aktion mit dem Baseballschläger ans Herz gewachsen, doch in den letzten Tagen hatte sich dieser Drang, immer in ihrer Nähe zu sein, nur noch verstärkt. Immer wenn sie verschwand, war es als würde sie die Wärme, die er in sich trug, einfach mitnehmen.
Es machte ihn traurig, wenn Kaya nicht bei ihm war, wenn er ihren Duft nicht um sich hatte und diese Eis brechenden Augen sehen konnte.
Mit einem leisen Klacken schnappte das Handy wieder zu und seine Finger schoben es zurück in die Jackentasche.
Ich kanns wohl nicht mehr leugnen, ich bin echt in sie verknallt. Grinste er selig vor sich hin und versuchte das Flattern in seinem Magen etwas zu beruhigen. Es war einfach alles an seiner Kleinen, nichts Bestimmtes, an dem er es genau fest machen konnte. Schon dieser Beschützerinstinkt, den sie ihrem Bruder gegenüber hatte, war etwas, das ihn faszinierte. Dazu noch dieser Mut, den die Schwarzhaarige aufbringen musste, um andere zu verletzen, es aber dann doch tat und das nur für die Menschen, die sie liebte. Ihre Art, andere auf Abstand zu halten, nur bestimmte Menschen in ihre Welt zu lassen. Wenn er das schaffte, kam er sich besonders vor, nicht wie bei vielen der anderen Mädchen, die jeden, der gut aussah, so dicht es ging an sich banden.

Als sich ihr Blick zu dem großen Gebäude richtete, erkannte Iwasaki, dass Kazutora schon am vereinbarten Treffpunkt stand. Er wartete alleine unter der Uhr, die an der Fassade der Bank angebracht war und sah sich um. Warum hab ich noch mal zugesagt? Ich könnte jetzt auch eines der dummen Ballerspiele durchzocken. Überlegte sie bei seinem Anblick. Gestern noch war ihr die Abwechslung ganz gut vorgekommen. Doch kaum war die Schülerin auf dem Weg nachhause gewesen, überkamen sie schon wieder Zweifel. Absagen konnte sie allerdings auch nicht mehr und nun stand ihr Pünktchen da und hatte wieder dieses einnehmende Lächeln auf seinen Lippen.
Kurz drängte sich ein wohlige kribbeln in ihre Glieder und ließ das Mädchen ebenfalls für eine Sekunde Lächeln. Jedoch schob sie diesen positiven Aufschwung augenblicklich wieder in die Tiefen ihrer aufgewühlten Empfindungen. Der Junge brachte sie wirklich jedes Mal dazu Dinge zu tun, die sie für gewöhnlich nicht machen würde.
Das hier zum Beispiel.
Es war das erste Mal, seit einer Ewigkeit, dass sie sich mit jemanden verabredet hatte. Nicht wie beim ersten Mal, als sie auf dem Hausdach Eis gegessen hatten. Denn damals hatte Kaya aus reinem Eigennutz, dass Kazutora schweigsam blieb, gehandelt und um den Schein zu wahren. Doch dieses Mal war es vollkommen anders. Das Mädchen hatte aus einem Impuls zugesagt, einer Mischung aus reiner Freude und Flucht aus dem heimischen Chaos.
Vollkommen bescheuert, wenn man sie nun fragen würde.

Als leise knirschende Schritte in seine Gehörgänge drangen, wanderten die sandbraunen Augen weiter hoch und erblickten Kaya. Sie trug einen dunkelblauen Pullover, der ziemlich ausgeleiert an ihrer schmalen Figur hing, dazu eine graue Jeans und die üblichen abgetragenen Chucks.
Kaum hatte sich sein Blick mit ihrem verfangen, war es, als würden 1000 Bestien aus seinem Inneren ausbrechen wollen. Sein Körper begann überall zu kribbeln und er fühlte sich wie vor einer aufregenden Schlägerei. Am liebsten hätte er die Kleinere gepackt und sie an sich gedrückt, sie für immer festgehalten und nie wieder auch nur einen Meter zwischen sie und ihn kommen lassen.
Doch das konnte er nicht, ihm war klar, wenn er ihr auf so eine aufdringliche Art seine Zuneigung zeigen würde, würde Kaya ihn vollkommen zurückstoßen. Sie war beinahe wie ein scheues Wildtier, das man aus der Ferne bewunderte und nur langsam an sich gewöhnen konnte.
„Hey", grinste er deswegen schlicht und machte einen Schritt auf die Schwarzweißhaarige zu. Ein kurzes Zucken ihrer Mundwinkel, verriet ihm, dass auch Kaya sich ein wenig freute ihn zu sehen.
Diese winzige Veränderung brachte sein Blut zum Kochen und entfesselte ein erfreutes Lachen.
Da er plötzlich so überschwänglich auf ihre Anwesenheit reagierte, musste auch das Mädchen kichern.
„Was ist? Hast dich alleine gefühlt oder wie?", neckte sie ihn ein wenig und ließ ihre Hände lässig in die Hosentaschen fahren.
Mit einem fröhlichen Ausdruck in den Augen griff er nach ihrem Arm, schlang seinen darum und ging nach rechts los. „Klar doch, aber jetzt bist du da."

Sie konnte nicht erklären, weswegen sich diese Worte so gut anfühlten. Doch es war schön zu wissen, dass Kazutora gerne in ihrer Nähe war. Wahrscheinlich war es nicht gesund, dass sie die anderen immer so auf Abstand hielt. Doch bei dem Schwarzblonden gelang ihr das kaum noch, es war schwer geworden und forderte all ihre Willenskraft diese Nähe nicht zu genießen.
Wärme kroch immer tiefer in ihren Körper und schon nach diesen paar Tagen, die sie ihn kannte, sehnte sich das Mädchen beinahe schon nach seinen Berührungen.
Ob das ganze noch normal ist? Fragte sich Kaya selbst und versuchte nicht mal den Arm loszuwerden, der sie an seiner Seite hielt.
Noch immer kämpfte etwas bewusst dagegen an, diese Zuneigung anzunehmen, murrte immer wieder, dass sie ihm nicht vertrauen konnte und vorsichtig sein sollte.
Wachsam schielten die warmen karamellfarbenen Augen zu dem Größeren hoch: „Also, was hast du heute wieder vor? Willst mir noch mehr deiner verkorksten Kumpels vorstellen?"
Schmunzelnd lehnte sich der Junge etwas weiter zu ihr, dabei konnte sie das leise Klingeln seines Ohrrings selbst durch die Stimmen der um sie herum tummelnden Menschen noch deutlich hören.
Dieses angenehme Geräusch ließ ihr eine Gänsehaut über den Körper rennen und verursachte ein ungewöhnliches Gefühl der Geborgenheit.
„Willst du noch mehr Typen wie mich kennenlernen oder was? Muss ich Angst haben, dass du mich austauscht?", fragte er, mehr im Spaß, wobei er aber ein vollkommen ernstes Gesicht machte.
Kaya verdrehte die Augen und schmunzelte dann, besah sich die Fassaden, an denen sie vorbeigingen und entgegnete gelangweilt: „Was soll ich denn mit noch einem wie dir?"

Zufrieden zog er ihren Arm noch dichter an sich und ließ seinen Kopf kurz gegen ihren sinken. „Is auch besser so, sonst muss ich dem Typen leider das Genick brechen", sprach Kazutora spielerisch aus, doch die unterschwellige Ernsthaftigkeit darin versteckte sich hinter der leichten Stimme.
Allerdings bereitete, der Gedanke, Kaya teilen zu müssen, ihm mehr als nur ein Drücken im Magen. Dieser kurze Ausflug in eine 'was wäre, wenn' Situation, ließ ihn wieder das hässliche Gesicht der Eifersucht spüren.
Schon dass ihr Bruder Baji so dumm erwähnt hatte, ließ ihm die Galle hochkommen. Doch bei seinem Kumpel hatte er nicht das Eindruck, dass er sich an seine Kleine ran machen würde. Anders als bei allen anderen Kerlen konnte er seinem Freund vertrauen. Es war für ihn sogar wichtig, dass sich die beiden Menschen, die er so gerne hatte, verstanden.
Plötzlich blieb die Gepiercte stehen und als er seinen Blick zu ihr schweifen ließ, um zu sehen, was los war, blickte sie ihm fragend entgegen. „Also, wo geht's heute hin?", sprach sie die Frage auch gleich aus und wollte wohl ihre Neugierde befriedigen.
Rasch wandelte sich seine Haltung und Kazutora vermittelte den Eindruck, dass sie bei ihm sicher war: „Wir gehen zu mir. Ich hab keine Lust, dich mit anderen zu teilen. Zumindest nicht heute."
Für eine Sekunde wirkte das Mädchen überrascht, zog dann ihre Hand aus der Hosentasche und brachte etwas Abstand zwischen ihre Körper. „Dein ernst jetzt? Ich soll mit zu dir Heim gehen? Is das nicht etwas zu... naja, vertraut?".

Das Ganze war ihr mehr als nur suspekt, warum sollte er sie ausgerechnet mit zu sich nehmen? Immerhin kannten sie sich dafür noch lange nicht gut genug, oder war das wieder nur ihre eingeschränkte Einschätzung?
Doch der Junge ließ seine Vertrauens erweckende Haltung nicht fallen, im Gegenteil, der Schläger lächelte ihr gelassen entgegen und summte dann: „Kleine, ich will, dass du Teil meiner Familie bist, warum sollte ich dich dann nicht mit nehmen?".
Erstaunen stand in den karamellfarbenen Augen geschrieben. Kaya konnte nicht fassen, wie sehr er ihr Vertraute, dabei brachte sie ihm nicht mal ansatzweise soviel entgegen.
Warum fühlt sich das so erleichternd an? Sie verstand ihre eigenen Gefühle nicht mehr. Alleine durch diese Geste hatte es Hanemiya geschafft, etwas in ihr bersten zu lassen.
Das Herz der Gepiercten begann wild in ihrer Brust zu dröhnen, schickte eine Woge der Hitze durch ihren Körper und verursachte damit ein trügerisch schönes Gefühl der Anziehung.
Ihr Kopf begann ganz kurz zu schwirren, die Stimme ihres Bewusstseins schrie immer lauter, versuchte ihre Gefühle davon abzuhalten sich darauf einzulassen. Doch ausnahmsweise sollte es mal nicht so laufen, wie ihr Verstand es wollte.
Es war unheimlich schwer, der Anziehung nachzugeben. Nichts auf der Welt schien in diesem Augenblick komplizierter zu sein, doch Kaya wollte zumindest dieses eine Mal spüren, wie es wäre ihm zu vertrauen. Nicht in jeder Sekunde wachsam sein zu müssen und wenn es nur sie beide waren, wäre das sicher auch ok.
Ihr Herz machte erneut einen gewaltigen Schlag, ließ die drohenden Worte, dass Kazutora sie genau so verraten würde wie all die anderen, einfach verstummen und ein sachtes Lächeln auf ihren Lippen erscheinen.

Als die sandbraunen Augen das sanfte Lächeln auf den leicht geschwungenen Lippen sahen, blieb alles um ihn für einen Wimpernschlag stehen. So hatte Kaya ihn bisher noch nie angesehen, dieser Ausdruck hatte nichts mit dem zu tun, was er sonst von ihr kannte. Es wirkte viel lebendiger, deutlich zutraulicher und so schutzlos. Beinahe als würde die Schwarzweißhaarige ihn von sich aus weiter an sich heranlassen.
Ein glückliches Zucken seiner Mundwinkel ließ den Größeren ganz kurz etwas fragil wirken, doch dann schossen seine Arme nach vorne und zogen das Mädchen mit Wucht gegen seinen Körper: „Ha, ich wusste das dir das gefallen würde."
Er wusste es nicht, eigentlich war er sich bei Kaya mit nichts sicher, denn sie reagierte hier gerade auch wieder vollkommen anders als Kazutora es erwartet hatte.
Eine Hand fand in die weichen dunklen Haare und drückte ihren Kopf ungefragt gegen seine Halsbeuge, während die andere fest auf dem schmalen Rücken zum Liegen kam.
Auch wenn das Walhallamitglied wusste, dass er es gerade übertrieb, war der Drang zu groß geworden.
Nur für einen ganz kurzen Moment wollte der, sonst eher gespielt lächelnde, Mittelschüler die Zuneigung genießen, die ihn hier unverfälscht getroffen hatte.

Kaya wusste nicht, was geschehen war, weswegen der Größere sie so plötzlich so dicht an sich gezogen hatte. Doch kaum, dass seine Hände ihren Körper so umfassten, gerieten ihre Gefühle vollkommen außer Kontrolle. Ihre Haut begann zu kribbeln und ein leises Wispern brachte ihre Arme dazu sich langsam zu heben. Kurz stockend fanden ihre Finger in den kalten Stoff seiner Jacke, zogen den Schwarzblonden daran ein wenig näher, während ihre Nase leicht über die warme Haut strich und sie den süßen Duft von Kazutora in sich aufnahm. Es fühlte sich so verboten an, so vollkommen falsch und dennoch klammerte sich etwas an diesen flüchtigen Augenblick der Nähe.
Ihr Körper entspannte sich seit Jahren das erste Mal wieder vollkommen und ließ es zu, dass Iwasaki nur für heute einem anderen Menschen näher war als allen anderen.
Vielleicht war es möglich, weil Hanemiya ihr seit Tagen immer wieder seine Berührungen ungefragt aufzwang und sie langsam keine Kraft mehr hatte dagegen anzugehen. Vielleicht war es auch nur der ungehörte Wunsch, endlich wieder einem Menschen vertrauen zu können.
Ihr Herz schickte eine Welle bestehend aus wohliger Wärme und leichter Unsicherheit durch ihre Fasern. Der Käfig, in den sie sich selbst eingeschlossen hatte, öffnete langsam das Gitter und verschlang den Jungen. Zog seine Präsenz in die eisigen Tiefen ihrer Seele, die durch den engen Körperkontakt und diesen unwiderstehlichen holzig-süßen Duft aufgetaut wurde.

Leise schlug der warme Atem von Kaya gegen seinen Hals, er konnte die zierlichen Finger spüren, die sich auf seinem Rücken in den Stoff klammerten. Es war so ein unbeschreiblich schönes Gefühl, dass Kaya ihn an sich heranließ, dass sie ihn endlich als Teil ihrer Welt annahm und das durch diese kleine Geste der Einsamkeit, dem hilflosen Umfassen seines eigenen Körpers noch deutlicher zeigte.
Zufrieden lächelnd seufzte der Mittelschüler auf und bekam nichts von dem mit, was um sie herum geschah. Die Menschen, die sie verstört musterten, oder mit einem Kopfschütteln an ihnen vorbeigingen. Sie verstanden nicht, wie besonders dieser kleine Augenblick war, wie viel ihm dieses umklammern seines Leibes bedeutete.
Endlich hatte sich die Mauer verzogen, ließ ihn an das Mädchen heran, dass er so sehr ins Herz geschlossen hatte und das nur, weil er sie mit zu sich nehmen wollte.
Wie sehr musste Kaya andere von sich gestoßen haben, wenn diese Worte ihr so viel bedeuteten?
Einige Sekunden genoss er die Hitze, die seinen Körper übernommen hatte, die Erwiderung seiner Umarmung, ehe seine Hände langsam wieder hinab glitten, eine dabei auf der Schulter zum Liegen kam und die Gepiercte ein wenig von sich drückte. Seine Augen fanden die des Mädchens und erneut hätte er sich beinahe in dem warmen Karamell verloren.
So unglaublich Süß. War alles, an das er denken konnte. Noch nie hatte Kazutora etwas gesehen, das sein Wesen so sehr gefangen nahm und die sonst so wilden Gedanken beruhigte.
Er würde sie nie wieder gehen lassen, Kaya würde für immer Teil seines Seins bleiben.

Einige Zentimeter Abstand reichten aus, um der Mittelschülerin klarzumachen, wie dumm das hier war. Wie sie sich von ihren Gefühlen überwältigen hatten lassen und wie sehr sie unter diesem Umstand leiden würde.
Sie konnte fühlen, wie ihre Wangen rot wurden, weswegen sich die Braunenaugen schnell abwandten und ihr Blick zu einem Stein in der Hausmauer fanden. „A-also... wir sollten dann wohl gehen", versuchte sie die Situation zu überspielen. Doch das wilde Wummern in ihrer Brust wollte das einfach nicht zulassen. Was ist nur los mit mir? Das ist nur Kazutora. Ihre Vernunft schaffte es kaum, die Zuneigung zu unterbinden, dennoch drückte diese sich weiter in den Vordergrund. Nur heute, nur heute will ich das, bitte. Nur dieser eine Tag. Ihre Gedanken fochten einen Kampf aus, von dem noch nicht sicher war, wer der Gewinner sein würde. Doch eines wurde Kaya in diesem Augenblick klar. Ich mag ihn wirklich... diesen hartnäckigen Kerl.
Ein kurzes Schmunzeln bildete sich auf ihren Lippen, während ihre Wangen noch immer glühten und wohl verrieten, wie peinlich ihr das Ganze war.
Zu ihrer Erleichterung sprach ihr Pünktchen das ganze nicht an. Er nahm einfach nur ihre kalte Hand und zog sie mit sich.
Verstohlen fanden Kayas Augen zu dem Profil des Größeren. Auf seinen Zügen erblickte sie ein glückliches Lächeln, seine Iriden sprühten nur so vor Vorfreunde und ließen sie automatisch ihre Finger fester um seine fassen.Wäre schön, wenn er mich nie wieder loslassen würde.
Wunschdenken. Dieser Gedanke war reines Wunschdenken, das sprach die Vernunft, nein eher ihr gebrochenes Herz und verstummte dann wieder.


Vicinity [Tokyo Revengers]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt