KAPITEL 12: Der Captain

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Die nächsten Tage waren eine reinste Achterbahn der Gefühle. Auch wenn Bucky sich abgesehen von dem Schmerz an kaum etwas erinnern konnte, brachten ihn die Arbeit an dem Bericht für Fury an einige der dunkelsten Momente seiner Vergangenheit zurück. Und das brachte seine Albträume unweigerlich in neuer Stärke zurück.
            Er hatte erfolglos versucht Freya davon zu überzeugen, dass es besser wäre, wenn er wieder allein im Wohnzimmer schlafen würde. Sie wollte nichts davon hören.
            Ich liege lieber wach und höre mir stundenlang deine Albträume an, anstatt hier hinten zu versauern und mir Sorgen, um dich zu machen, hatte sie gesagt, als sie ihn um Hilfe bat, das Bett abzubauen. Das Gestell und der Lattenrost standen seither unangetastet an der Wand hinter der Tür. Und Freya hatte sich kein einziges Mal darüber beschwert, auf der Matratze am Boden schlafen zu müssen. Und obwohl ihn von Zeit zu Zeit ein schlechtes Gewissen plagte, hätte er nichts auf der Welt für die Morgen mit ihr eingetauscht. Immer wenn er seine Augen öffnete, hatte sie bereits ein Lächeln für ihn. Und meistens folgte danach auch direkt eine Frage, die ihr über Nacht eingefallen war. Am Freitagmorgen, dem Tag, an dem er seinen Report abgeben musste, beispielsweise, war sie komplett von seinem Metallarm fasziniert.
             «Wie viel von dir steckt eigentlich darunter?»
             «Gute Frage. Das letzte Mal, dass ich ihn ohne die Prothese gesehen hab, war die Schnittstelle etwa hier», er wies auf eine Stelle, die etwa eine Handbreit unterhalb seiner Achsel lag. «Aber es kann sein, dass die Wakandaner mehr wegnehmen mussten, um die alte Prothese abzumachen.»
             Sie klopfte leicht mit einem Finger gegen das Metall auf seiner Schulter. «Du weißt es nicht?»
              «Ich war bewusstlos für die ganze Sache. Steve könnte es vielleicht wissen, soviel ich weiß, war er dabei als sie mich von Wakanda hierhergebracht hatten. Er sagte mal, dass der Arm da noch nicht dran war.»
              «Wieso nicht?»
              «Keine Ahnung. Vielleicht wollte S.H.I.E.L.D. zuerst sichergehen, dass sie mich im Griff hatten, bevor sie mich ganz machten. Oder sie haben den Wakandanern nicht genug vertraut es zu tun.»
              «Mir gefällt nicht, wie sehr das klingt, als ob du eine Puppe wärst.»
               Er drückte ihr sanft einen Kuss auf den Kopf. «Ich weiß zwar nicht, was genau passiert ist. Aber Steve war dabei. Er hätte nie zugelassen, dass sie etwas tun, was nicht in meinem besten Interesse war.»
               «Steve... Bekomme ich den eigentlich auch mal zu sehen? Er ist so ein großer Teil deines Lebens, ich würde ihn gerne kennenlernen.»
              Über diese Bitte dachte Bucky auch am Nachmittag noch nach, nachdem er den Bericht schon längst bei Direktor Fury abgegeben hatte. Er hatte schon früh in ihrer Freundschaft die Entscheidung getroffen, dass es besser war seine Arbeit—und dazu gehörte Steve leider auch—und sie zu trennen. Und nun, da er Freya mit jedem Tag näher an sich ranliess, wuchs auch das Bedürfnis, sie von der dunklen Seite seiner Arbeit zu schützen. Gleichzeitig war es auch unmöglich, ihr einen Wunsch abzuschlagen. Vielleicht wäre sie Steve vorzustellen ein guter erster Schritt?
              
Ein harter Schlag gegen seine Seite, riss ihn von seinen Füssen und warf ihn durch die Luft. Er kam zweimal hart auf, zuerst an der Wand und dann auf dem Boden.
              «Du bist unkonzentriert, den Schlag hättest du sonst von Weitem kommen sehen», tadelte Steve und Bucky bemühte sich schnell wieder auf die Beine.
              «Nimm das Ganze ernst oder ich nehm' dich auseinander», kam es nun gewohnt selbstsicher und spielerisch arrogant von Sam, der in der großen Trainingshalle über ihren Köpfen kreiste. Ein Fehler, denn die nächste Drehung brachte ihn in Buckys nähe.
               Er nutzte die Wand neben sich, um abzuspringen und stieg in die Höhe, bis er einen der Flügel von Sams Anzug zu fassen bekam. Dieser versuchte ihn abzuwerfen und hatte auch Erfolg, als Bucky mit voller Wucht gegen Steve donnerte. Es folgte ein hektischer Schlagabtausch, bei dem weder Bucky noch der Captain wirklich die Überhand gewinnen konnte. Es war schließlich Natasha, die ihr Training beendete, in dem sie aus dem Nichts auftauchte und sie beide mit ein paar schnellen Bewegungen aufeinanderstieß.
             «Der Raum gehört jetzt mir, schönen Tag noch Jungs», winkte sie ihnen hinterher. Bucky war es recht. So würde er noch rechtzeitig zum Abendessen mit Freya nach Hause kommen.
            Er schälte sich gerade aus seiner Schutzkleidung, als Steve neben ihm auftauchte. «Ist es der Bericht? Du warst selten so unkonzentriert wie heute.»
            Bucky schüttelte nur den Kopf. Sollte er ihn fragen? Doch, bevor er es versuchen konnte, kam auch schon Sam aus der Dusche. Vor dem Falcon würde er Freya definitiv nicht ansprechen.
           «Nein, es ist nicht das. Ich hab's langsam einfach satt, hier auf der Ersatzbank zu sitzen.» Ganz gelogen war es nicht. Die ganze Geschichte mit dem Maulwurf mochte nicht der Grund für seine Unkonzentriertheit gewesen sein, doch die Sache nervte ihn inzwischen stark genug, dass er seine Wut darüber nicht vorspielen musste.
           «Mach mal halblang Einarmiger, ich sitze hier auch seit Monaten hier fest», beschwerte sich Sam sofort.
           «Ihr wisst, dass ich nicht mit euch darüber sprechen darf», erklärte Steve, doch das Machte die Sache in Buckys Augen nicht gerade besser.
           «Ernsthaft Steve. Ihr tappt seit Monaten im Dunkeln. Für mich sieht es aus, als ob ihr Hilfe gebrauchen könntet.»
            «Ich glaube nicht, dass ich das sage, aber er hat Recht», mischte sich Sam von der anderen Seite des Raumes ein und erntete dafür von Bucky bloß den Stinkefinger—eine höchst nützliche Erfindung dieser modernen Welt, die Freya ihm erklärt hatte, nachdem einer der Teilnehmenden in der Quizsendung vom Donnerstagabend diesen prominent zur Schau stellte.
           «Ich werde mit Nick reden, aber ich kann euch nichts versprechen.»
           Das war Bucky gut genug, um nicht noch länger hier rumzustehen und stattdessen zurück zu seinem Wirbelwind zu fahren.

Ich wohne nebenan - eine Bucky Barnes-FF [Rewrite]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt