Echo
Die restliche Nacht verbrachte ich in einem ungleichmäßigen Rhythmus aus Schlafen und wach sein. Eine Seite in mir wollte einfach nur schlafen, die andere Seite wollte in der Gegenwart des Brechers keine Schwäche zeigen. Erst als ich am frühen Morgen nach einem kurzen Schläfchen wieder zu mir kam, musste ich einsehen das meine Gedanken eigentlich ohne Grund gewesen waren.
Immer noch an den Felsen gelehnt schlief auch der Scalra. Man erkannte es daran, wie er den Kopf hängen ließ, sein Körper locker und entspannt war und seine Atmung ruhig und langsam ging. Wie konnte ein Meuchelmörder so entspannt und auch ein wenig leichtsinnig sein? Wenn ich wollte, könnte ich ihn nun hier und jetzt angreifen und vielleicht sogar schwer verletzen, bevor er es überhaupt bemerken würde. Doch ich tat es nicht und dass lag hauptsächlich an dem Sha'Kmal, der noch immer mir gegenüber lag und die Augen geschlossen hatte. Bei ihm konnte ich nicht erkennen, ob er schlief oder nur so tat.
Kurz nach Sonnenaufgang wachte der Brecher auf und begann die Sachen zusammenzupacken. Während er sein Gepäck aus zwei Taschen an dem Geschirr des Drachens festschnallte, lief ich nachdenklich von einer Seite zur anderen. Ich wusste nicht was ich hier zu suchen hatte. Wieso schickte das Imperium seinen besten Scalra los um ausgerechnet mich gefangen zu nehmen? Hatten sie etwa herausgefunden, dass ich einen Daegor in mir trug? Selbst dann bestand kein driftiger Grund mich ausgerechnet von einem Scalra suchen zu lassen, anstatt von einem Kopfgeldjäger oder bezahlten Söldner. Selbst wenn meine Magie das Problem war, in solchen Fällen schickte man eher Gardisten los, um einen Daegor festnehmen zu lassen. Das machte alles einfach keinen Sinn und eine hilfreiche Antwort konnte mir der Brecher auch nicht geben!
,,Bist du fertig mit deinem nachdenken?", holte mich die ungeduldige Stimme des Brechers aus den Gedanken.
Kaum blickte ich zum Scalra, da warf er mir schon etwas entgegen. Ich verdankte es mehr Glück als Fähigkeit das Knäul so plötzlich zu fangen. Bei diesem Knäul handelte es sich um ein einziges Kleidungsstück und wie ich erkannte war es eine Art Mantel, der einen besonderen Kragen aus hellbraun gesprenkeltem, weichem Fell besaß.
Verwirrt blinzelte ich den Mantel an, der mir augenscheinlich ein paar Nummern zu groß war. ,,Das ist der Mantel eines Mykos."
,,Und unsere Tarnung."
,,Was für eine Tarnung?"
Der Scalra drehte sich gar nicht zu mir um, während er in seinen befestigten Taschen anfing nach irgendetwas zu suchen. Ich fragte mich kurz ob, er sich überhaupt umgedreht hatte, als er mir den Mantel zugeworfen hatte.
,,Weil dein alter Freundeskreis auf der Suche nach dir ist, ist die Sache etwas komplizierter geworden", erklärte er, während er anfing immer tiefer in seiner Tasche herumzuwühlen. Bei dem Wort Freundeskreis verdrehte ich die Augen. ,,Sie suchen nach dir, Melari. Meinetwegen können sie auch weiter nach Echo Conall suchen, aber sollten sie auf uns treffen, werden sie nur zwei Reisende Mykos finden." Er hielt in seiner Suche inne und schaute kurz über die Schulter zu mir. ,,Mantel anziehen!"
Und schon wieder verdrehte ich die Augen. ,,Dann brauche ich aber eine Maske", sagte ich, während ich mich aus meiner alten Jacke schälte.
,,Brauchst du nicht."
,,Aber alle Mykos haben Masken."
,,Nicht die Novizen", erwiderte der Scalra und zog etwas hervor. Als er sich zu mir umdrehte versteckte er seine gefundene Sache in einer geschlossenen Faust. ,,Ein Mykos beginnt erst die Maske zu tragen, wenn er als Novize eine Prüfung ablegt und diese Prüfung legen sie im Alter zwischen achtzehn oder einundzwanzig ab. Das heißt für jeden anderen Reisenden wirst du eine Novizin sein."
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Daegor - Blut und Schimmer
FantasíaBAND 1 DER DAEGOR-REIHE In Echos Welt gibt es viele mit Magie verbundene und erschaffene Lebewesen. Doch einzig das Volk der Daegor, dämonenhafte Geschöpfe mit einer grausamen Seele, werden von der Gesellschaft gehasst und gejagt. Auch in Echo regt...