Fynch
Wartend stand ich im Flur. Die Arme hingen an der Seite herab, ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die kühle Wand und schaute zum Boden. Ich wollte nichts anderes außer Leere sehen, denn ich befürchtete, dass andere Dinge außer Leere mich an Ivy erinnern könnten.
Eine Stunde war seit dem grausamen Fund vergangen. Auf Befehlen von Lady Ascillia hatten die Soldaten uns Scalras unter Beobachtung gestellt und ohne Erlaubnis dürften wir unser Reich nicht verlassen. Auch jetzt noch standen mit mir im Flur vier Soldaten, deren Mienen genauso verborgen waren wie meine. Man hatte noch während meiner Anwesenheit Ivys Körper geborgen und weggebracht. Ich wusste nicht was mit ihr geschehen würde und hoffte ich bekäme noch einmal die Chance sie zu sehen, bevor es ein weiteres Grab auf dem Friedhof geben würde. Würde sie dort vergraben werden, wo auch all die anderen Kinder ruhten, die die Scalra-Ausbildung nicht überlebt hatten?
Erschreckender jedoch war der Gedanke und die Erkenntnis darüber das Ivy weg war. Von einem zum anderen Moment war sie aus meinem Leben verschwunden. Ich stellte mir vor, wie es nun ohne sie sein würde und diese Vorstellung machte mir Angst. Ivy war ein fester Bestandteil meines Lebens gewesen und nun würde ich nie wieder ihre Stimme hören, nie wieder ihre Anwesenheit spüren oder mir Sorgen um sie machen, wenn ich für einen Auftrag die Zentrale verließ. So ein Leben wollte ich mir nicht vorstellen, aber nun musste ich mich darauf vorbereiten.
Wie konnte das nur passieren?
Diese Frage schoss mir durch den Kopf, seit ich Ivy gesehen hatte. Als ich gegangen bin wirkte sie noch so zufrieden. Vielleicht war sie mir böse gewesen, weil ich sie weggestoßen hatte. Aber deswegen wäre sie doch niemals vom Turm gesprungen. Oder vielleicht doch? Nein! Selbst aus Wut wäre Ivy niemals vom Turm gesprungen. Egal wie sie sich gefühlt hatte, so etwas hätte sie niemals getan. Sie muss ausgerutscht sein. Zu gerne wollte ich glauben es war ein Unfall. Soweit ich wusste, glaubte man auch das es ein Unfall gewesen war, doch Ivy kletterte seit Jahren auf dem Turm, wie konnte sie auf einmal so einen starken Fehler machen, der ihr das Leben kostete?
Wenigstens würde man auch die anderen Scalras informieren, die noch wegen einem Auftrag unterwegs waren. Drei Rænas waren für meine Brüder und meine Schwester losgeschickt worden, während der Rest von uns schnell informiert worden war, als ich mit Begleitung der Soldaten zurückgekehrt war. Ich wusste nicht mehr, wie die anderen auf die Nachricht reagiert hatten. Ein dichter Nebel hatte mir die Sicht genommen und war erst gelichtet, als ich hinter der geschlossenen Tür meines Zimmers zugelassen hatte, dass mich die Tränen überkamen. Ich weinte kaum, aber vorhin hatte ich mich meiner Trauer voll und ganz hingegeben.
Nun aber musste ich wieder stark sein. Vor mir befand sich die Tür von Lady Ascillias Büro. Sie war die Rechte Hand des Imperators und die Offizierin der Scalra-Einheit und gewissermaßen...gewissermaßen war sie meine zweite Mutter. Während der Ausbildung war ich aufgrund meiner sturen Einstellung und Meinung oft in Konflikt mit meinen Ausbildern geraten und hatte länger trainieren müssen oder hatte viel mehr Zeit auf der Station der Heiler verbracht. Lady Ascillia hatte mich bei jedem Problem besucht, sie hatte mit mir gesprochen, mir geholfen und ihren Beistand gezeigt. Sie hatte mir Einblicke in die tiefe politische Welt des Imperiums gezeigt, mir viel beigebracht und dadurch war sie irgendwie zu einer zweiten Mutter für mich geworden. Mir fehlten Erinnerungen an meine richtige Mutter und die fehlenden Lücken füllte Lady Ascillia aus.
Ich wusste, dass sie nicht so nah zu den anderen Scalras stand und früher hatten mich die anderen auch wegen unserer Beziehung ein wenig beneidet. Sie hatten geglaubt, ich würde dadurch die besseren Aufträge bekommen, doch bei der Verteilung der Aufträge wurde nach der Erfahrung eines Scalras geschaut und wer am besten mit der Situation umgehen konnte.
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Daegor - Blut und Schimmer
FantasiBAND 1 DER DAEGOR-REIHE In Echos Welt gibt es viele mit Magie verbundene und erschaffene Lebewesen. Doch einzig das Volk der Daegor, dämonenhafte Geschöpfe mit einer grausamen Seele, werden von der Gesellschaft gehasst und gejagt. Auch in Echo regt...