Geschichte: 33 Sekunden

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Dies ist die Vorgeschichte und Inspiration für meine Buchreihe: "What we left behind". Mit dieser bin ich schon an einem Wettbewerb angetreten, wo sie sogar was gewonnen hat.

Ich sitze hier auf der Couch im Bunker. Meiner Ansicht nach sind wir
verloren. Sie hören nicht auf, uns heim zu suchen. Keiner weiß,
warum sie es tun.
„Sie werden kommen!“, sagt mein Vater ständig.
Es hat ihn ganz verrückt gemacht, als sie in unser Dorf vorgedrungen
sind. Meine Mutter versucht nur irgendwie ruhig zu bleiben, damit
unser Versteck nicht auffliegt. Ich habe keine Geschwister hier, nicht
mehr. Sie haben sie mitgenommen und nicht wieder gebracht.
„Sie“, das sind die Zombies. Diese infizierten Menschen dringen vor
und verseuchen unsere Welt. Ich selber verstehe das alles nicht so
richtig. Keine Ahnung, wie das passiert ist. Früher wurden immer
Späße darüber gemacht, was man tut, wenn die Zombieapokalypse
ausbricht. Aber keiner hat daran gedacht, wie es wäre, wenn es
wirklich passiert.
Irgendwie hoffe ich, dass das alles einen Sinn hat. Das jemand uns
erlösen will. Jemand der keine Lust mehr hat, dass die Welt immer
mehr zerstört wird. Vielleicht hat er ja gedacht, ein Virus geht schnell.
Denn die Menschheit hat sich nie gebessert. Immer mehr Regenwald
abgeholzt und mehr und mehr Feinstaub in die Luft geblasen. Der
Smog war überall.
Das Gruseligste ist, dass man sie nie hört, die Zombies. Nachts ist es
still, bis sie uns finden. Keiner von uns glaubt an Hoffnung. Man kann
nicht mit anderen kommunizieren, man kann nicht vor die Tür gehen.
Sie lauern da draußen irgendwo.
Ganz ehrlich, ich habe Angst. Angst davor, als Zombie durch die Stadt
zu taumeln und anderen Menschen weh zu tun. Ich habe Angst davor
zu gehen. Mein Vater weint viel, wenn man nachts die Schreie wahrnimmt. Es lässt mir jedes Mal einen Schauer über den Rücken
laufen.
Ich überlege oft, was wohl wäre, wenn die Zombies uns schon
erreicht hätten. Keiner weiß, wie viele Menschen noch leben und wo
sie sich aufhalten. Doch es hat keinen Sinn darüber nach zu grübeln,
was passiert, wenn man tot ist. Man ist halt tot.
Mein Vater glaubt an ein zweites Leben nach dem Tod. Doch im
Moment zweifelt er, ob man darauf hoffen kann, wenn man ein
Zombie ist und andere Menschen verletzt. Vielleicht ist das ZombieDasein ja ein zweites Leben. Ein scheußliches und gruseliges zweites
Leben vor dem Tod.
Ich stehe nun von der Couch auf und gehe zur Wand des Bunkers.
Hoffnungsvoll lege ich mein Ohr an die Wand, um auf Geräusche von
anderen Menschen zu warten. Doch nichts geschieht. Wie immer.
Plötzlich hören wir einen lauten Knall und zucken zusammen. „ Das
war eine Bombe, irgendwer hat irgendwo eine Bombe gezündet!“,
flüstert mein Vater.
Doch ich halte weiter mein Ohr an die Wand und klopfe vorsichtig
dagegen, in der Hoffnung, jemand anderen zu hören.
Ich lebe jetzt 4 Wochen in diesem Bunker mit meiner Familie. Seit
dem habe ich kein anderes Lebewesen gesehen. Manchmal wünschte
ich, ich könnte raus gehen und die paar Sonnenstrahlen einfangen,
die man noch so zu sehen bekommt.
Meine Mutter steht hinter mir und nimmt meine Hand. Ich drehe
mich zu ihr und umarme sie. Es tut gut sie zu umarmen. Sie war
immer meine Heldin.
Aus Verzweiflung schaltet mein Vater den Fernseher ein, den wir im
Bunker haben. Er schaltet ein paar Mal die Sender durch, in der Hoffnung auf ein klares Bild, auf irgendeine Nachricht. Plötzlich hört
das schwarzweiße Rauschen auf. Ich löse mich aus der Umarmung
meiner Mutter und trete vor den Fernseher. Ein Rednerpult ist zu
sehen und ein Mikrophon davor. Dann tritt die UN-Botschafterin ins
Bild. Sie sieht müde aus und erledigt. Dann fängt sie an zu reden:
„ Dies geht an alle, die mich in dieser schweren Zeit empfangen
können. Es gibt Hoffnung! Forscher aus über 20 Nationen haben
unter Einsatz ihres Lebens Experimente durchgeführt. Und nun
endlich konnten sie einen Impfstoff konstruieren, der es ermöglicht,
zu überleben. Sobald genügend Impfstoff generiert wurde, wird
dieser von den in den Ländern verbliebenen Streitkräften verteilt
werden. Halten Sie durch! Bleiben Sie ruhig! Setzen Sie ein Zeichen
vor jede Tür, Luke oder sonstigen Eingang. Es wird jemand zu ihnen
kommen und den Impfstoff verteilen.
Es wurde noch etwas herausgefunden. Nach der Infektion bleiben
genau dreiunddreißig Sekunden Zeit, bis das Gehirn dem Virus zum
Opfer fällt. Dreiunddreißig Sekunden sind nicht viel. Aber genug Zeit,
um das Richtige zu tun. Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben kann,
tun Sie was nötig ist, um die weitere Ausbreitung dieser Seuche zu
verhindern! Nutzen Sie die dreiunddreißig Sekunden, um Ihrem
Leben ein Ende zu setzen. Denn zu Ende ist es nach der Infektion
ohnehin.
Bleiben Sie stark, die Rettung naht! Gott schütze Sie!“.
Dann zerreisst die Verbindung. Meine Eltern und ich sitzen auf der
Couch und starren auf das schwarz-weiße Bild, das vom Fernseher
ausgestrahlt wird. Keiner sagt ein Wort. Niemand weiß ob er lachen
oder weinen soll. Plötzlich steht mein Vater auf, bückt sich und greift unter die Couch.
Er zieht einen Revolver hervor, hält ihn uns hin und sagt: „ Falls wir
infiziert werden, bitte ich euch, zögert nicht, ihn zu benutzen!“.
Doch ich starre auf den Fernseher. Dreiunddreißig Sekunden. Ich
überlege fieberhaft, was man in dieser halben Minute machen
könnte, außer sich um zu bringen.
Ich könnte ein Gebet zu irgendwem sprechen, schreien, weinen,
singen, tanzen, kreischen, springen, rennen, laufen, die Luft anhalten,
mich verstecken, Panik bekommen… Ich will was Bedeutsames
machen, etwas was den Menschen hilft durch zu halten. Etwas
Großes, etwas Wichtiges.
Mein Vater drückt mir die Waffe an die Brust und reißt mich aus
meinen Gedanken. Er steigt die Treppe zur Bodenluke hoch und
dreht am Rad. Mein Vater legt kurz etwas auf den Erdboden vor der
Luke. Ich sehe Lichtstrahlen, die in unseren Bunker fallen, ich atme
frische Luft von draußen ein, von der nicht mehr viel da ist. Doch
mein Vater schließt die Luke schnell wieder und der Moment ist
vorbei.
Ich gehe nun in mein Zimmer. Zwei mal drei Meter grauer Beton. Ich
lege mich aufs Bett, drücke meine alte Stoffkatze an mich und starre
an die graue Decke. Dreiunddreißig Sekunden Zeit. Der Gedanke
scheucht mich wieder hoch. Ich nehme mir einen Zettel und einen
Stift und beginne darauf herum zu kritzeln. Mal fest, mal schneller
und mal langsam, manchmal Kurven, Zickzack oder einfache Linien.
Dann lege ich den Stift zur Seite und betrachte mein sinnloses
Kunstwerk. Ich knülle den Zettel zu einem Ball und werfe ihn gegen
meine Wand. Er prallt ab und landet auf dem Boden. Mein Kopf ist
voller Wörter und Fragen. Es fühlt sich so an, als ob mein Kopf
explodieren will. Meine Beine zittern, ich verspüre plötzlich Panik in
mir aufsteigen. Der Raum schrumpft, ich schlage um mich und schreie. Bis jemand meine Hände hält und meinen Namen sagt und
ich mich wieder langsam beruhige.
Das war nicht meine erste Panikattacke aus Angst vor der Infektion.
Aus Angst, dann anderen Menschen weh zu tun. Meine Mutter
nimmt mich in den Arm und wiegt mich hin und her. Es sieht zwar
bestimmt albern aus, aber dafür beruhigt es mich noch mehr und
meine Mutter, glaube ich, auch. Langsam lösen wir uns und gehen
zusammen ins Wohnzimmer.
Nun weiß ich was ich tun werde. Die dreiunddreißig Sekunden werde
ich nutzen um der Welt Lebewohl zusagen, bevor ich Selbstmord
begehe.
Dann beginnen wir zu warten. Die Tage vergehen langsam. Werden
zu Wochen. Wir warten. Wir versuchen uns gegenseitig vorzuspielen,
dass wir noch Hoffnung haben. Wieder und wieder lausche ich an der
Wand. Doch ich kann nie andere Menschen hören.
Dann plötzlich hören wir Geräusche. Schreie ertönen. Wir hören
schwere Schritte über uns hinweg gehen. Ich zittere am ganzen
Körper und drücke die Hand meiner Mutter. Alle schauen wir zur
Bodenluke. Etwas kratzt über das Metall. Die Scharniere fangen an zu
quietschen. Das Schlossrad dreht sich. Die Luke hebt sich einen Spalt.
Frische Luft und Stimmengemurmel dringt durch die Öffnung.
Mein Vater umklammert seine Waffe, während meine Mutter und ich
weiter zur Luke starren. Die Luke geht auf.
„Dreiunddreißig Sekunden“ denke ich und schließe meine Augen.

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