Diese Geschichte ist von einem Bild inspiriert, das ich auf Pinterest gesehen habe.
In der großen Halle ist es mucksmäuschenstill. Eine struppige, kleine
Gestalt tritt ans das Mikrofon und beginnt:
„Jedes Menschenkind auf der Welt hat einen Teddybären. Jeder hat
einen anderen Namen, andere Eigenschaften und anderes Fell. Jeder
hat eine andere Geschichte. Egal ob braun, weiß oder bunt, groß oder
klein, wir werden überall auf der Welt geliebt. Doch ob gestrickt, genäht
oder gehäkelt, egal wie wir entstehen, aussehen oder uns verhalten,
jeder Teddybär hat einen lebenswichtigen Job. Einen Job, den er nie
vernachlässigen darf! Einen Job, den er nie vergessen darf! Einen Job,
der ihn bis an sein Lebensende beschäftigen wird! Dieser Job ist der
Sinn der Teddybären! Er ist gefährlich, anstrengend, Kraft raubend und
erfordert viel Mut. Manche Teddybären werden dabei ihr Leben verlieren
und nie wieder zurückkehren. Aber lasst euch nicht entmutigen. Eure
Ausbildung ist vorbei und ihr seid gut vorbereitet für eure Aufgabe! Ihr
seid unsere Zukunft! Seid ihr bereit?“, der Redner wird von seinem
Publikum unterstützt: „Jaaa!“. „Dann tretet an und beginnt euren Job!“,
fährt er fort und eine große Meute aus Teddybären jubelt, ruft und brüllt
zustimmend. Der Redner, ein alter, zerzauster und zerrupfter Teddybär
hebt die Arme in die Luft und lacht. Die Meute löst sich auf und verteilt
sich gleichmäßig auf einzelne Schlangen. Die Bären steigen in
bereitstehende glänzende Kapseln und werden zu ihren Arbeitsplätzen
teleportiert. Der alte Redner steigt von der Bühne und humpelt mit einem
Gehstock in der Hand auf einen jungen Teddy zu. „Was ist los, mein
Sohn?“, fragt er sanft. Der junge Teddybär schaut ihn aus schwarzen
Knopfaugen an. „Ich habe Angst Sir. Der Job ist hart und nicht jeder von
uns wird überleben!“, gesteht er zögernd. „Ach mein Junge. Du hast hart
trainiert und bist absolut bereit für diesen Job. Wenn du nicht gut genug
wärst, hätten wir dich nie auserwählt. Komm schon. Du bist gut
ausgerüstet. Deine Mission und dein Arbeitsplatz warten auf dich!“, sagt
er ermutigend und dirigiert den jungen Bären in eine Kapsel. „Wie heißt
du mein Junge?“, fragt der Redner. „Thaddäus, Sir!“, sagt er und
salutiert. „Alles klar Thaddäus. Wir sehen uns in ein paar Jahren. Möge
das Glück mit dir sein!“, sagt der Redner und die Kapsel teleportiert den
kleinen Teddybären in seine Zukunft.
Helles Licht scheint Thaddäus entgegen und er setzt sich auf. Er
befindet sich in einem Karton, der nun unsanft aufgerissen wird.
Glänzende Kinderaugen starren ihn an. Das Kind hüpft erfreut auf und
ab und schüttelt den kleinen flauschigen Teddy ordentlich durch.
Thaddäus verharrt in seiner antrainierten, kindersicheren Stellung, die
ihn leblos erscheinen lässt. Das Kind nimmt ihn nun in den Arm und
drückt ihn fest. Thaddäus strömt Wärme entgegen und er vernimmt den
Herzschlag des Kindes. Immer wieder wird er in die Luft geworfen und
wieder aufgefangen, bis das Kind müde ins Bett fällt.
Thaddäus liegt neben dem Kind und schaut an die Decke. Er hat sich
aus seiner Erstarrung gelöst und stellt sich hin. Das Kind neben ihm
schläft tief und fest. Der Mond scheint sanft durchs Fenster und erhellt
das Zimmer. Die Tapete ist pink und überall liegen Puppen herum.
Thaddäus steht im Zimmer von einem Mädchen. Langsam geht er ans
andere Ende des Bettes und schaut auf den Boden. Es geht tief
hinunter. Bestimmt drei Mal so tief wie er selbst und der kleine braune
Teddy umfasst selbst nur 20 cm. Ein Sturz aus so einer Höhe würde ihn
für immer verkrüppeln lassen. Ted taumelt und fällt auf seinen kleinen
Hintern. Beim Aufprall bohrt sich der Knauf seines kleinen scharfen
Holzschwertes in seinen weichen Fellbauch. Schnell steht er wieder auf
und schüttelt sich. Dann schlendert er zum Kopfkissen und setzt sich
hin. Er stützt seinen Kopf in seine Tatzen und schaut gelangweilt ins
Leere. Nach einer Weile steht er wieder auf und zieht sein Schwert. Er
hält es mühelos in der Tatze und schwingt es blitzschnell herum.
„Weiche du Ungeheuer!“ brummt er. Dann beginnt er einen Kampf mit
unsichtbaren Feinden, weicht elegant ihren Attacken aus und schlägt
erneut zu. Er springt auf sie und sticht mit seinem Holzschwert auf sie
ein. So geht es eine ganze Weile. Plötzlich ertönt ein leises Kratzen.
Thaddäus fährt herum und zielt mit seinem Schwert ins Nichts. Das
Kratzen ertönt wieder aber nun lauter. Der Teddy dreht sich erneut und
versucht die Herkunft des Geräusches ausfindig zu machen. Doch er
sieht nichts. Nur ein dunkles Zimmer. Das Kratzen wird noch lauter. Das
Bett beginnt zu beben. Thaddäus läuft wieder ans Kopfkissen und
klettert ganz nach oben, um eine bessere Sicht zu haben. Ein großer
Schatten verdeckt nun den Mond, der immer noch durchs Zimmer
scheint. Thaddäus zielt zitternd mit dem Schwert ins Dunkle. Nun
verharrt der Schatten und große, furchteinflößende, gelbe Augen
leuchten in der Dunkelheit. Sie starren den kleinen Teddy an und ein
grausiges Knurren ertönt. Der Schatten tritt vom Fenster weg, so dass
die Strahlen des Mondes ein fades Licht darauf werfen. Es leuchtet weiß auf und Schuppen sind zu erkennen. Das Knurren wird immer lauter und
bedrohlicher. Ein Lichtstrahl fällt auf ein riesiges Gesicht. Blanke, spitze
Zähne blitzen gefährlich auf. Thaddäus schlottern die Knie, als er auf die
die Bestie schaut. Die Schuppen sind auf dem ganzen Körper verteilt
und glänzen silbrig. Grausige Krallen laufen spitz zu und hängen an
langen Fingern herab. Das Untier knurrt erneut und reißt plötzlich ihr
Maul auf. Der kleine Teddy blickt mitten in den Rachen der Kreatur.
Blitzschnell springt Thaddäus dem schnappenden Maul davon und
weicht gerade so einer Kralle aus. Die Bestie brüllt ohrenbetäubend und
Spielzeuge fallen aus den Regalen. Thaddäus dreht sich zu einer
Glasvitrine um, welche bedrohlich wackelt. Diesen Moment nutzt die
Kreatur aus und peitscht den Bären mit dem Schwanz in Richtung
Boden. Doch der kleine Teddy stößt sein Schwert geschickt in den
Schwanz der Bestie und hält sich so fest. Ein Schmerzensschrei entfährt
dem Monster und es wirbelt herum um nach dem Teddybären zu
schnappen. Dieser zieht sein Schwert blitzschnell wieder raus, springt
auf den Rücken des Monsters und lässt so die Bestie sich selbst in den
Schwanz beißen. Silbernes Blut tropft auf den rosa Kinderteppich.
Thaddäus ist nun am Nacken der Bestie angekommen und sticht wieder
auf sie ein. Diese dreht und wendet sich, versucht nach Thaddäus zu
schnappen. Doch sie ist zu breit und zu kompakt um ihn zu erreichen.
Sie hebt die knochigen Finger und holt mit den Krallen aus. Die
messerscharfen Krallen streifen Thaddäus und kratzen ihn. Dadurch
verliert er das Gleichgewicht und hängt auf der rechten Seite des
schuppigen Halses an seinem Schwertknauf herunter. Das Ungeheuer
schnappt nach seinen strampelnden Beinen und beißt in sein flauschiges
Fell. Thaddäus schreit auf und lässt vor Schmerzen den Knauf seines
Schwertes los. Die Bestie hält ihn mit ihrem geifernden Kiefer gepackt
und schleudert ihn im Maul hin und her. Thaddäus krümmt sich und boxt
mit einer kleinen Teddyhand der Bestie ins Auge. Die Kreatur jault auf
und öffnet das Maul. Der kleine Bär fällt hinunter auf das Bett. Er setzt
sich auf und spürt wie seine Füllwatte aus ihm herausquillt. Er kämpft
gegen den Schmerz an. Mit großer Anstrengung stellt er sich hin und
schaut der Bestie schwer atmend in die Augen. Dann nimmt er Anlauf
und springt todesmutig mit einem Kampfschrei auf den Arm der Bestie
und erklimmt ihre Schulter, bis er wieder sein Schwert zu fassen
bekommt. Die Bestie taumelt im Zimmer herum und versucht wieder und
wieder, nach Thaddäus zu schnappen. Doch dieser zieht sein Schwert aus ihrem Nacken und klettert auf den Kopf des Monsters. Wieder
versucht es mit seinen Krallen Thaddäus von seinem Kopf zu reißen,
doch er weicht geschickt aus und rammt das Schwert mit aller Kraft, die
in seinem kleinen Teddy Herzen ist, in den Kopf der grausigen Kreatur.
Voller Schmerzen brüllt die Bestie auf. Sie torkelt gegen die Regale,
wirft alles in ihrem Weg zu Boden und bespritzt die Wände mit silbrigem
Blut. Der Teddy hält sich an dem Schwertgriff fest und dreht diesen um
90°. Die Bestie brüllt und rollt sich herum, um Thaddäus abzuschütteln.
Doch dieser zieht das Schwert aus dem Schädel des Ungeheuers und
springt im richtigen Moment wieder aufs Bett. Wie im Training gelernt,
rollt er sich ab und kommt schnaufend auf der Bettdecke zum Stehen.
Die Bestie sackt vor dem Bett in sich zusammen. Thaddäus rafft sich
erschöpft auf und klettert vom Bett auf den Rücken der Bestie. Blut rinnt
aus der Kopfwunde und sie atmet schnell. Der Bär erreicht nun den
Boden und humpelt zum Kopf der Bestie. Sie schaut ihn aus
blutunterlaufenen, müden Augen an. Der kleine Teddybär richtet sein
Schwert auf sie und holt aus. Die Kreatur schließt ihre Augen und wartet
auf den Todesstoß. Doch er kommt nicht. Thaddäus lässt sein Schwert
sinken und wirft es dem Ungeheuer vor die Nase. Die Kreatur öffnet
langsam ihre Augen und schaut ihn verwirrt an. „Hau ab! Geh zurück,
woher du gekommen bist und komm nie wieder. Sag deinen
Artgenossen unter dem Bett, dass sie, falls sie noch einmal einen Fuß
auf diese Welt setzen, nicht mit dem Leben davon kommen werden, ist
das klar?“, droht er und sieht der Bestie böse in die Augen. Diese nickt
und schleppt sich schwerfällig wieder unter das Bett. Das Bett bebt noch
ein paar Mal und das Kratzen ertönt wieder, wird leiser, bis es ganz
verstummt. Thaddäus schaut der Bestie nach und hebt sein Schwert auf.
Um sich schauend, steckt er es wieder in die Schwertscheide und klettert
aufs Bett zurück. Auf dem Bett angekommen sieht er zuerst nach dem
Kind. Er rennt zum Kopfkissen, klettert es hoch und schaut in das riesige
Gesicht des Kindes. Unverletzt und friedlich liegt es da und schläft. Dann
wendet er sich dem Zimmer zu. Das Blut wird sich in ein paar Stunden
aufgelöst haben. Doch das Chaos muss der kleine Bär noch beseitigen.
Thaddäus klettert an der Decke wieder nach unten auf den Boden. Er
läuft zu den Regalen und stemmt die Spielzeuge wieder an ihren Platz.
Erschöpft und müde klettert er schließlich zurück aufs Bett und kuschelt sich unter die Decke.
Der kleine Teddybär schließt die Augen und flüstert: „Meine Name ist
Thaddäus. Ich bin auserwählt einen Job zu erfüllen. Einen Job, der nicht
vernachlässigt werden darf. Einen Job, den ich nie vergessen darf, der
mich auf immer und ewig beschäftigen wird! Ich bin ein Teddybär. Wir
sind auf der Welt, um unschuldige Kinder vor dem Monster unter dem
Bett zu beschützen!“. Mit diesen Worten schläft er ein. Bis zur nächsten
Nacht.
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One-Shots
RandomHier werde ich einige Geschichten, Writing Prompts und Gedichte veröffentlichen, die zu kurz für ein ganzes Buch sind. Jedes "Kapitel" ist etwas neues und hat nichts mit dem davor zu tun. Diese Geschichten, Gedichte und Wirting Prompts sind in meine...