Auf nach Narnia

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»Na ja, eigentlich sind die beiden sich nicht begegnet. Er ... Was hast du da eigentlich gemacht, Edmund?«, fragte Lucy.
»Ich hab nur so getan als ob. Ich hätte sie nicht anstacheln sollen«, antwortete ihr Bruder. »Aber manchmal wissen kleine Kinder einfach nicht, wann sie aufhören sollen.« Lucys Augen füllten sich mit Tränen und sie rannte aus dem Zimmer. Susan, die zwölf Jahre alt war und somit zwei Jahre älter als ihr kleiner Bruder Edmund, blickte diesen sauer an und folgte ihrer achtjährigen Schwester. Auch Peter, der 15-jährige Bruder, nahm die Verfolgungsjagd auf. Die vier Geschwister wohnten vorübergehend bei Professor Digory Kirke auf dem Land, da in London, in ihrer Heimatstadt, der Zweite Weltkrieg tobte. Dort sollten sie, nach Ansicht ihrer Mutter, die in London geblieben war, sicher sein.
Auf dem Flur stieß die verzweifelte Lucy mit dem Professor zusammen. Dieser befahl, dass seine Haushälterin ihr eine heiße Schokolade machen sollte. Peter und Susan aber bestellte er in sein Büro.
»Was war los?«, fragte er dort und ließ sich auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch nieder.
»Es ist nichts. Lucy hat nur Heimweh«, meinte Peter und wollte wieder gehen, doch Susan hielt ihren Bruder fest und wandte sich dem Professor zu. »Lucy erzählt die ganze Zeit von einem Land namens Narnia. Sie meint, sie habe es gesehen und war auch dort, in dem Kleiderschrank dort oben.«
»Was hast du gesagt?«, fragte der Professor mit plötzlichem Interesse.
»In dem Kleiderschrank ... dort oben ...«, wiederholte Peter verwirrt. »Sie glauben ihr doch nicht etwa, oder? Edmund meinte ...«
»Doch, warum denn nicht? Eure Schwester wird sich so was doch nicht ausdenken.« Er fuhr sich durch seinen langen grauen Bart. »Oder ist euer kleiner Bruder immer der Vertrauenswürdigere?«
»Nein«, antwortete Peter. Seine blonden Haare glänzten im Kerzenschein. »Genau genommen wäre es das erste Mal.«
»Also?« Der Mann holte eine Pfeife heraus und zündete diese an. »Ihr müsst euch wie eine Familie verhalten, denn im Augenblick seid ihr keine.«
Auf einmal fiel Peters Blick auf das Bild, was auf dem Schreibtisch des Professors stand. »Professor? Wer ist das? Das Mädchen auf dem Bild?«
»Oh, das? Das ist meine Nichte, Belle. Sie ist wunderschön, nicht?« Er nahm den Bilderrahmen in die Hand und sah das Bild mit einem traurigen Ausdruck an.
»Ja«, meinte Peter.
»Willst du es haben? Ich schenke es dir.« Peter wollte verneinen, aber als er sah, dass der Mann das Bild aus dem Bilderrahmen heraus holte und es ihm gab, nahm er es dankbar an.
»Peter holt aus und beweist seinen starken Wurfarm!«, brüllte der blonde Junge - doch genau diese Stärke hatte Folgen. Peter warf den Cricketball und Edmund schlug ihn mit dem Schläger zurück. Leider führte beides dazu, dass der Ball mit voller Wucht durch eine Fensterscheibe des riesigen Hauses schlug und Lucy, die unter einem Baum ein Buch las, hob den Kopf, als es laut klirrte.

»Toll gemacht, Ed«, meinte Peter vorwurfsvoll und begutachtete den Ball, der vor ihm lag. Die Glasscherben waren auf dem Boden verteilt und das kleine runde Ding hatte eine alte Rüstung umgeworfen.
»Du hast geworfen!«, konterte der braunhaarige Junge sauer.
»Was ist hier los?«, hörten die vier die Haushälterin Mrs. Macready von weitem rufen.
»Oh nein, die Macready!«, meinte Peter. »Wir müssen weg hier.« Voller Panik rannten die Kinder durch die endlosen Korridore. Edmund führte sie, so dass sie in den Raum gelangten, in welchem sich der Kleiderschrank befand.
»Kommt!«, rief Edmund und öffnete die Schranktür.
»Das kann nicht euer Ernst sein«, brachte Susan verständnislos hervor. Da vernahmen die Kinder jedoch Schritte und Peter zerrte seine Schwester mit sich. Eher unfreiwillig betraten sie den Schrank, welcher mit Mänteln aus Fellen gefüllt war. Die vier schubsten sich gegenseitig, da es zu eng war, liefen immer weiter rückwärts, bis Susan und Peter stolperten und rücklings hinfielen.
Die beiden fühlten die Kälte, die plötzlich durch ihre Kleidung drang. Sie saßen im Schnee. Verwundert drehten sie sich um.
»Keine Sorge«, meinte Lucy. »Das ist alles nur Einbildung.« Wissend lächelte sie.
»Ich glaube ein Tut uns leid trifft es nicht ganz.« Peter schaute seine kleine Schwester mit einem breiten Grinsen an, dann drehte er sich zu Edmund um. »Du kleiner Lügner! Entschuldige dich bei ihr!«
Edmund antwortete erst nicht, doch dann wandte er sich seiner kleinen Schwester zu. »'tschuldige«, murmelte er mit gesenktem Kopf und trat Schnee mit seinem Fuß beiseite.
»Ist schon in Ordnung«, meinte Lucy. »Manchmal wissen kleine Kinder einfach nicht, wann sie aufhören sollen.« Lucy versteckte etwas hinter ihrem Rücken und da warf sie plötzlich einen Schneeball in Edmunds Gesicht. Somit begann eine Schneeballschlacht, die erst endete, als alle vier von Schnee überschüttet waren.
»Wollen wir nicht weiter?«, fragte Edmund mit einem drängenden Unterton.
»Wir sollten zurück nach Hause. Die anderen machen sich bestimmt schon Sorgen«, beharrte Susan.
»Ich finde, Lucy sollte entscheiden.« Peter lächelte das kleine Mädchen an.
»Wirklich? Dann stelle ich euch Herrn Tumnus vor«, rief es aufgeregt. »Er freut sich bestimmt. Ich habe ihm schon so viel über euch erzählt!«
»Dann werden wir das sicherlich gebrauchen können.« Peter lief an seinen Geschwistern vorbei und holte vier Mäntel hervor. »Der Professor findet das bestimmt nicht schlimm.« Er hielt seinen Geschwistern die Felle entgegen.
»Aber so was tragen nur Mädchen!«, rief Edmund sofort.
»Ich weiß«, meinte Peter, drückte seinem Bruder den Mantel an die Brust und lief mit Lucy los.

Die Chroniken von Narnia - Die Königin von Narnia || Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt