Frühstück

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Felix konnte nicht lachen. Zumindest tat er es nicht, während sie noch in dieser stickigen Kneipe saßen. Und als Smilla ihr Bier geleert hatte, da beschloss sie zu gehen. Von Tommi war keine Spur. Sie knallte ihre Flasche auf den Tisch.
„Ich bin weg."
Felix stand ebenfalls auf. Sie hob die Augenbrauen und sah spöttisch an ihm herunter.
„Du kannst gerne bleiben, dir hat's hier doch so gut gefallen."
„Ne. Kein Bock mehr."
Er wandte sich zum Gehen und sie fragte sich, wieso ihm nicht vorher aufgefallen war, dass er keinen Bock mehr hatte.
Als sie nach draußen traten, war Smilla fast erleichtert die kühle Luft einzuatmen und den Schnee unter ihren Schuhen zu spüren. Sie streifte sich schnell ihre Jacke über. Felix tat das Gleiche. Dann steckte er sich eine selbst gedrehte Zigarette in den Mundwinkel und suchte nach seinem Feuerzeug. Er fand es nicht. Sie beobachtete ihn mit einem amüsierten Blick.
„Kannst mein's haben."
Er sah sie irritiert an.
„Was?"
„Feuerzeug."
Sie zog es aus ihrer Hosentasche und hielt es ihm hin und hörte kurz darauf das Klicken, als er sich seine eigene Zigarette ansteckte und wie er den Rauch in seine Lungen zog. Dann sah er sich um. Doch von Tommi war keine Spur.
„Glaubst du, der ist echt nach Hause gegangen, dein Kumpel?"
„Keine Ahnung. Der kommt nicht aus Berlin.", Felix zuckte mit den Schultern, „Aber ick werd da jetzt hin gehen."
„Wohin?"
„Nach Hause."
Sie lächelte schwach. Sie sollte auch wirklich langsam in ihr Bett kriechen und sie fragte sich, wieso sie nicht einfach ging, fragte sich, wieso sie hier stehen blieb und wieso er hier stehen blieb und sie ansah, während er sich seine Zigarette in die Lungen zog, als hätte er seit Wochen nicht mehr geraucht.
„Ick hab Hunger", sagte er. Sie sah ihn verwirrt an. Was wollte er? Wollte er überhaupt irgendetwas oder sagte er nur wonach ihm der Sinn stand? Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Viertel nach acht.
„Okay... dann lass uns was frühstücken."
„Gut."
Er grinste kurz und sie glaubte sich verguckt zu haben.
„Aber dein Frühstück zahlste selber."
Sie lachte leise.
„Klar, du Charmeur."

Sie gingen einfach in das nächstbeste Café, das offen hatte und setzten sich in den spärlich bevölkerten Raum. Außer ihnen saß nur ein Mann mittleren Alters im Anzug da und trank hastig einen Kaffee. Es war ein seltsames Gefühl, als Smilla die Jacke über ihren Stuhl legte. Sie hatte keine Ahnung was genau sie hier tat, wieso sie mit diesem Kerl frühstücken ging. Sie stand nicht auf frühstücken, sie frühstückte eigentlich nie. Da sie meistens erst morgens ins Bett kam, stand sie erst mittags auf und dann aß sie direkt warm. Und abends, bevor das Eden aufmachte, bestellte sie meist mit Tobi und Cleo noch etwas, oder sie holten etwas aus einem der Imbisse in der Umgebung. Aber sie frühstückte nie. Vor allem nicht mit Männern. Weil Männer dann glaubten, sie dürften wiederkommen und wenn es nur war, um noch einmal drüber zu rutschen.
„Also", sagte Felix nachdem sie bestellt hatten, „Was genau haste dir vorgestellt?"
Sie war so perplex, dass er sie von sich aus angesprochen hatte, dass sie erst mal gar nicht antworten konnte.
„Was meinst du?"
Sie hob zur Untermalung ihrer Worte die Augenbrauen. Er lächelte schwach und sah sie mit einem Blick an, der etwas in ihr zum Flattern brachte.
„Was glaubst du denn, was ich meine?"
Er leckte sich über die Unterlippe und für eine Millisekunde glaubte sie, dass er eindeutig eine sexuelle Anspielung machte, aber dann war sie sich nicht mehr so sicher. Vielleicht waren seine Lippen auch nur trocken gewesen. So was kam vor. Besonders bei diesen Temperaturen. Vielleicht waren seine Worte auch ganz anders gemeint. Sie wollte etwas Schlagfertiges erwidern, aber in ihrem Kopf herrschte nur Leere und ihr Herz schlug unnatürlich schnell. Er brachte sie aus dem Konzept. Sonst hatte sie immer eine gute Antwort parat. Wahrscheinlich war sie einfach übermüdet, brauchte ein wenig Schlaf.
„Wieso bist du so?", entgegnete sie also ein wenig hilflos, klang dabei aber ziemlich patzig, „Wieso kannst du nicht einfach nett sein?"
„Wieso soll ich nett sein? Du läufst mir doch auch so hinterher."
Ihr klappte augenblicklich der Mund auf. Er lehnte sich im Stuhl zurück und Smilla suchte noch nach der passenden Antwort, als ihnen ihr Frühstück serviert wurde. Warmer Kaffeeduft stieg in ihre Nase und das Essen sah auch nicht schlecht aus. Trotzdem konnte sie nur Felix anstarren, der sich irgendwie darüber zu freuen schien, dass er sie im Schwitzkasten hatte. Sie atmete tief durch.
„Ich laufe dir nicht hinterher. Ich wollte eben was essen."
„Hätteste ja auch alleine machen können."
„Du ja auch."
„Ich wollte herausfinden, was du eigentlich vorhast."
Smilla griff nach ihrer Kaffeetasse, nahm einen Schluck und verbrannte sich die Zunge. Sie verzog das Gesicht.
„Ich hab gar nix vor. Wollte nur einen netten Feierabend haben."
Er lehnte sich über den Tisch und sah ihr direkt ins Gesicht. Ein amüsiertes Funkeln lag in seinen Augen. Seine schlechte Laune schien sich verabschiedet zu haben.
„Das heißt was genau?"
Sie wich automatisch ein Stück zurück, dabei lag noch der Tisch zwischen ihnen.
„Du machst das nicht so oft, oder?"
Er runzelte die Stirn. Doch die sanfte Belustigung tanzte noch immer in seinen Augen.
„Was?"
„Frauen abschleppen."
„Wär's dir lieber, wenn dit Routine für mich wäre?"
„Keine Ahnung."
Sie zuckte mit den Schultern, dann lachte sie. Es kam einfach so. Felix grinste. Er lachte nicht. Aber er grinste. Sie funkelte ihn fröhlich an.
„Ich geb dir einen Tipp: Wenn du das in Zukunft öfter vorhast, solltest du ein bisschen netter und offener sein. Kommt bei vielen Frauen gut an."
„Vielleicht ist es ja meine Masche nicht nett zu sein."
Sein Blick aus den blauen Augen war standhaft und sie war sich auf einmal nicht mehr so sicher, ob er diese Nummer nicht doch jede Nacht abzog. Ob er wirklich so die Frauen in sein Bett bekam und Tommi so etwas wie sein Wingman war. Leider musste sie zugeben, dass es funktionierte. Sie fand ihn nicht wirklich sympathisch und sie würde ihm gerne ein paar unschöne Sachen an den Kopf werfen, doch gleichzeitig zog er sie an, gleichzeitig wusste sie, dass sie auf ihn stand. Es war einfach so. Und es war schon immer so gewesen. Smilla wollte immer die Scheißkerle.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt