Hitze

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Sie wachte wieder auf, mit strähnigen Haaren und einem leichten Schauer auf der nackten Haut. Irgendwie hatte sie sich im Schlaf von der Bettdecke befreit und fröstelte jetzt leicht, war aber gleichzeitig zu faul, sie wieder über sich zu ziehen.
Felix war wach. Zumindest waren seine Augen offen, denn wach hieß bei ihm nicht immer auch gleich aufnahmefähig. Sie drehte sich auf den Bauch und sah auf ihn herunter. So hatte sie einen perfekten Ausblick.
Mit seiner Hand strich er gedankenverloren über ihren unteren Rücken, den anderen Arm hatte er unter seinen Kopf gelegt.
„Ich kann die nächsten Wochen nicht."
„Wieso nicht?"
„Tour... wir sind vier Wochen unterwegs."
Sie sagte erst nichts, ihr Hals schnürte sich zu. Sie kam sich lächerlich vor, weil die Vorstellung, dass sie ihn vier Wochen lang nicht sehen würde, ihr tatsächlich Angst machte. Sie hatte sich an ihn gewöhnt, es fühlte sich normal an, ihn um sich zu haben. Und vier Wochen konnten verdammt lang sein.
„Okay.", konnte sie nur sagen, was Besseres fiel ihr nicht ein. Felix hatte sie weiter angesehen und sie fühlte sich beobachtet.
„Was machst du, wenn ich weg bin?" fragte er nach einem kurzen Moment und seine Mundwinkel zuckten kurz.
Ihr Blick wanderte auf ihren Finger, der auf seine Brust tippte, während sie darüber nachdachte, wie die Frage wohl gemeint sein könnte.
„Hmm... das Übliche."
Er legte seine Stirn in Falten.
„Das Übliche?"
„Willst du hören, dass ich dich vermissen werde?"
„Du bist doch die Unverbindlichkeit in Person." antwortete er grinsend und zitierte sie von vor ein paar Monaten. Das war sie doch auch schließlich, oder? Felix' Augen grasten über ihr Gesicht und blieben an ihren Lippen hängen.
„Ich glaube, ick werd dich anrufen.", er lächelte jetzt schwach, „Ist das okay?"
Sie wollte Nein sagen. Aus Reflex. Aber sie ließ einen Moment verstreichen und der Drang wurde schwächer. Das konditionierte Verhalten kam nicht gegen ihr Gefühl an, denn das sagte ihr, sie sollte Ja sagen. Also sagte sie Ja. Felix sah zufrieden aus.

Er blieb bis zum nächsten Morgen und sie lag die halbe Nacht wach, weil sie sich Sorgen  machte, wie das weiter gehen sollte. Das mit ihr und ihren Gefühlen. Das mit Felix. Die halbe Welt behauptete ja, dass Gefühle etwas Schönes waren, dass es sich gut anfühlte verliebt zu sein. Dass Beziehungen etwas Tolles waren. Aber sie fand die Vorstellung von einer Beziehung noch immer furchtbar einengend und überfordernd. Sie war gerne für sich. Sie stand gerne auf eigenen Füßen und war ihr eigener und vor allem alleiniger Herr. Aber sie konnte nicht mehr abstreiten, dass es sie verrückt machte, wenn er da war und dass es sie noch verrückter machte, wenn er nicht da war. 

Felix saß fertig angezogen auf ihrer Couch, sogar die Schuhe hatte er schon an. Er hatte sich weit nach hinten gelehnt, saß zusammengesunken da, seine Stirn lag in Falten. Sie hastete durch ihre Wohnung und suchte nach ihrer Haarbürste. In ein paar Minuten musste sie los. Normalerweise verschwand Felix, bevor sie sich für die Arbeit fertig machte. Heute war er geblieben und sie hatte irgendwie das Gefühl, dass er gar nicht gehen wollte. Heute wollte sie aber selbst nicht, dass er ging. Heute wollte sie, dass er hier sitzen blieb, bis sie selbst das Haus verließ. Dabei sah er sie nicht einmal an. Aber er war da. Und er würde danach für vier Wochen nicht mehr da sein.

Sie fand ihre Bürste auf der Fensterbank in der Küche, wie auch immer sie dort hingekommen war. Sie eilte zurück ins Badezimmer und kämmte sich die Haare, band sie zu einem losen Knoten zusammen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es längst Zeit war aufzubrechen. Trotzdem setzte sie sich noch einmal neben Felix auf die Couch, als hätte sie alle Zeit der Welt. Er griff nach ihrer Hand und sie ließ es geschehen.
„Ich muss  los", sagte sie. Er nickte, aber sie blieben beide sitzen. Lange Minuten drückten sie sich darum aufzustehen. Doch dann riss sie sich zusammen und erhob sich hastig, entzog ihm ihre Hand. Er stand ebenfalls auf und  ging an ihr vorbei.
„Komm", sagte er, „ich fahr dich zur Arbeit."
Irritiert blieb sie stehen. Das hatte er noch nie getan. Egal, ob er mit dem Auto da war oder nicht. Sie hatte ihn auch nie gefragt. Wieso sollte sie auch? Sie kam ja auch sonst ganz gut allein zur Arbeit. Felix drehte  sich um und sah sie erwartungsvoll an.
„Kommst du?"
Automatisch setzte sie sich in Bewegung. Gemeinsam gingen sie nach unten und er fuhr sie bis vor die Tür vom Eden. Als der Wagen hielt, schwiegen sie beide. Nichts geschah. Sie wusste nicht so genau, was sie tun sollte. Felix sah langsam in ihre Richtung.
„Wir sind da",  stellte er mehr fest, als dass es auffordernd klang und sie hatte das Gefühl, dass sie ein wenig sentimental wurde. Also griff sie schnell nach ihrer Tasche im Fußraum und schnallte sich ab.
„Mach's gut."
Sie stieß die Tür auf und hatte sich schon halb erhoben, als sie spürte, wie er nach ihrem Handgelenk griff und sie zurück zog. Unsanft fiel sie wieder auf den Sitz.
„Hör auf!", sagte sie, musste aber lachen. Er grinste.
„Womit?"
„Damit!"
Bevor sie weiter sprechen konnte, beugte er sich zu ihr und küsste sie. Wie eine Welle durchfuhr es ihren Körper, heiß und kalt. Hinter ihrer Stirn pochte es schwach, ihr Gehirn war nicht auf die plötzliche, so intensive Berührung vorbereitet gewesen. Für einen kurzen Augenblick riss sie sich zusammen, aber dann schlang sie ihre Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss heftig. So heftig, dass sie beide zu keuchen begannen und er sie schließlich von sich schob.
„Okay, das reicht", sagte er lachend, „Sonst müssen wa noch mal zurück."
Sie grinste und spürte ihr Gesicht glühen und wie er sie ansah, was es nicht besser machte. Die aufgeladene Stimmung verschwand langsam aus dem Auto und stattdessen wurde es warm. In ihr, überall. Vier verdammte Wochen. Er strich mit der Hand über ihre Wange. Sie musste knallrot sein.
„Wieso siehst du eigentlich immer so hot aus?"
Sie zuckte mit den Schultern. Das debile Grinsen wollte einfach nicht aus ihrem Gesicht verschwinden und sie kam sich bescheuert vor. Er küsste sie nochmal, legte dafür seine Hand in ihren Nacken, zog sie zu sich, bis kein Platz mehr zwischen ihnen war. Abschied. Dann stieg sie endgültig aus und kramte schnell den Schlüssel hervor, um die Tür aufzuschließen. Um sich nicht noch einmal umdrehen zu müssen und zu sehen, wie er davon fuhr. Denn irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie das gerade überhaupt nicht ertragen konnte.

Nachtleben [Felix Lobrecht FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt