Konrad

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Die Waffe liegt vor ihm auf den Couchtisch. Es ist eine Walther PK380. Sie gehörte seinem Vater, doch jetzt hat Konrad sie geerbt. Sein alter Herr ist im Krankenhaus an Herzversagen gestorben. Das war vor fünf Jahren. Seitdem hat Konrad keinen wirklichen Kontakt zum Rest der Familie gehabt. Er war schon immer ein Einzelgänger, aber er war gern bei seinem Vater. Und jetzt da das Ende der Welt vor der Tür steht, hält ihm nichts mehr.

Konrad schaut mit müden Blick auf den Fernseher. Dort wird gerade die Pressekonferenz der UN übertragen. Es wird keine andere Möglichkeit geben die Krise aufzuhalten. Niemand kann sie jetzt noch retten, sie sollten alle gehen, bevor sie einfach ersticken. Konrad hegt diesen Plan schon eine längere Zeit. Für diesen Zweck ist er gern in die Berge gefahren und hat dort Schießübungen absolviert. Er hat keine Lust von jemanden aufgehalten zu werden. Das war vor zwei Wochen. Jetzt jedoch wird ihm niemand aufhalten. Jeder hat seine eigenen Probleme und jeder lebt den letzten Tag. Niemand wird sich um ihn scheren.

Konrad hat oft überlegt wie er sein Leben beenden könnte. Es gab zu viele Möglichkeiten, dass er sich nicht für die schnellste entschieden hat. Sich in den Kopf zu schießen braucht viel Überwindung. Er hat es bereits zweimal versucht, konnte es jedoch nicht wagen. Nein, die Waffe ist nur zur Verteidigung. Konrad hat einen anderen Plan. Vor einem Monat als die Welt noch in Ordnung war, wurde eine neue Schnellstraße eingeweiht. Sie führt merkwürdigerweise unter einer anderen Brücke entlang. Konrad möchte von dieser Brücke auf die Straße springen.

Konrad schaut wieder auf die Pistole auf dem Tisch. Sie glänzt im Licht des Fernsehers. Er kann die Stimmen der Nachrichtensprecher nicht mehr hören. Sie wiederholen die Rede des Sprechers der UN immer wieder. Er schaltet den Fernseher aus und steht auf. Die Pistole lässt er auf dem Tisch liegen und geht stattdessen in die Küche. Egal wie verzweifelt er war, er hatte immer Appetit, wie jetzt auch. Im Ofen steht eine große Portion Lasagne bereit und Konrad wartet gespannt darauf, dass es warm wird.

Seine letzten Freunde hat er vor ein paar Jahren verloren. Er hatte kein Geld mehr und hat sich vieles geliehen, um es in eine neue Zukunft zu stecken. Nicht jeder war davon begeistert, dass er es in den Sand gesetzt hat. Wieder pleite ist er bei seinem Vater eingezogen. Seine Freunde hat er nie wieder gesehen.

Die letzten fünf Jahre konnte er sich mit dem Geld seines Vaters übers Wasser halten, doch nun ist auch das aufgebraucht. Er sieht keine Zukunft mehr und ist es leid jeden Tag sich zu quälen. Konrad liebt seine Idee, doch es gibt einen Haken. Seit einige andere ihr Leben auf der Brücke nahmen, gibt es schärfere Kontrollen und die Brücke darf nur mit Auto überfahren werden. Konrad weiß, dass es nicht einfach sein wird. Sein Vater hat einen alten Wagen, den er dafür benutzen kann. 

Der Ofen piept und er nimmt die Lasagne heraus. Langsam isst er die warme Mahlzeit und genießt die letzten Minuten. Es ist ruhig in der Wohnung ohne Fernseher oder Radio.

Durch die weltweite Krise ist es laut geworden auf den Straßen. Einige Menschen randalieren öffentlich und niemand hält sie auf. Andere scheinen nicht verstanden zu haben was in der Welt passiert. Konrad würde zu gern sehen, wie die von ihm verhassten Menschen sterben. Er stellt die leere Schale in die Spüle. Dann geht er zu seinem Kleiderschrank und zieht seinen schönsten Anzug an. Wenn er abtreten möchte, dann auch so schick wie möglich.

Es ist ein blauer Nadelstreifenanzug aus älteren Zeiten. Wie alles in diesem Haus gehört der Anzug seinen Vater. Konrad zieht sich um und steckt sich ein weißes Taschentuch in die Außentasche. Dann beginnt er die schicken blauen Lederschuhe zu polieren.

Konrad hat öfters überlegt, ob er einen Abschiedsbrief schreiben sollte, doch niemand wird ihn lesen. Wahrscheinlich würde lange niemand ihn lesen, wenn es ein normaler Tag wäre. Doch heute ist kein normaler Tag. Es ist das Ende der Welt. Niemand wird morgen mehr am Leben sein und einen dämlichen Abschiedsbrief lesen.

Ein letzter TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt