Der Duft von frischem Essen weckt sie aus dem leichten Schlaf. Sie sieht ihre Kollegen Dosenravioli machen. Obwohl sie noch nicht lange auf der Straße lebt, kann sie dem Essen nicht widerstehen. Sunday steht auf und kämmt sich ihr Haar. Vor einem Jahr ist sie aus ihrer Wohnung geworfen worden. Seitdem wohnt sie hier am Hafen mit den anderen. Sie hat William, den Anführer des Lagers zuerst kennengelernt. Vor neun Monaten wurde sie schwanger. Für sie brach eine Welt zusammen, doch William und die anderen haben sie aufgebaut. Der Vater hat sie verlassen, nachdem er herausgefunden hat, dass sie eine Obdachlose ist.
"Morgen." Sie stellt sich zu den anderen und streckt sich. Sie sind ein wild zusammengewürfelter Haufen. William hat sich scheiden lassen und konnte die Schulden nicht bezahlen. Toad ist von zuhause abgehauen und konnte bisher keinen Fuß fassen. Und Jill und Harry sind immer auf Wanderschaft. Vor einer Woche kam ein Neuankömmling dazu, den William aufgegabelt hat. Es ist Millow, ein junger drogensüchtiger Mann.
Sunday streicht über ihren großen Bauch und schaut zufrieden auf den Fluss. Die anderen haben sie ausschlafen lassen. Die Sonne steht bereits hoch und die Vögel zwitschern. Sie hat die Tage und Monate gezählt. Es kann nicht mehr lange dauern bis ihr Kind kommt. Sie freut sich auf die Kleine oder den Kleinen. Sunday muss sofort lächeln.
"Setz dich doch Sunday. Das Mittagessen ist gleich fertig." , sagt William freundlich. Er reicht ihr ein weiches Kissen. Sie findet es niedlich, wie er sich um sie kümmert. Er ist der einzige, der eigene Kinder hat. William ist ein zuverlässiger Mann, nicht im Bereich Finanzen, aber in den anderen. Sie haben einmal ein verloren gegangenes Kind auf dem Stadtfest gefunden und William hat sich den gesamten Nachmittag gekümmert.
Sie setzt sich und wartet auf das Essen. Das Baby in ihrem Bauch bewegt sich und tritt. Sie legt beruhigend ihre Hand darauf, beginnt dabei leise zu summen. Dann beginnt die Gruppe zu essen. Es ist zwar wenig, doch Sunday bekommt gleich viel mehr Energie. Da sie schwanger ist und zwei ernähren muss, reicht William ihr eine zweite Portion. Sie lächelt ihn nur dankend an.
Nach dem Mittagessen kommt Millow auf sie zu. Er hat blutunterlaufene Augen und zittert ständig. Die Sucht der Drogen ruft nach ihm, doch er hält sich wacker. Alle helfen sich hier im Lager. Er trägt etwas in der Hand.
"Hi. Ich habe hier etwas gefunden. Es ist Zeichenpapier." Er reicht den Block Sunday, die aufsteht und ihn umarmt. Sie liebt es zu zeichnen und freut sich über jedes Blatt Papier. Früher war sie einmal eine Architektin gewesen, doch dann sind Aufträge gescheitert, sie wurde entlassen und konnte ihre Rechnungen nicht bezahlen. Das Zeichnen hat sie als einziges behalten.
"Ich danke dir."
Sunday läuft zu ihrem Zelt und holt aus einer Tasche ihre Bleistifte. Sie sind bereits sehr klein, doch sie nutzt sie bis zum Schluss. Dann setzt sie sich auf ihre Matratze und beginnt Toad zu zeichnen, der gerade eine Lichterkette aufhängt.
Als sie fertig ist, weiß sie nicht was sie als nächstes tun soll. Sie steht auf und schlendert in der Gegend herum. Jill und Harry stehen am Kai und angeln nach Fischen. Sunday gesellt sich zu ihnen. Sie reden eine Weile.
Später geht Sunday mit William mit. Sie wollen kurz das andere Lager besuchen. Es ist auch auf dem Hafengelände, doch auf der anderen Seite. Während Sunday und William nebeneinander laufen, unterhalten sie sich.
"Ich habe das Gefühl als ob es heute so weit ist. Das Baby ist heute besonders aktiv." Sunday legt ihre Hände auf den Bauch. William lächelt sie fröhlich an.
"Das ist toll, Sunday. Und wenn es kommt, dann sind wir für dich da. Wir bringen dich in das nächste Krankenhaus."
Während er das sagt, weht der Wind laute Schreie mehrerer Menschen zu ihnen. Sunday bleibt stehen und wundert sich darüber. "Was war das denn? Gibt es ein Fest in der Innenstadt?"
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Ein letzter Tag
KurzgeschichtenDie Welt steht still als der Sprecher der UN die Katastrophe ankündigt. Die Erde wird untergehen und keiner kann sich retten. Ein letzter Tag ist übrig. Wie ist es den letzten Tag seines Lebens zu leben?