Es war der Weg nach Wien, auf dem ich Perdix zum letzten Mal sah; Augen nass glimmend wie kostbare Steine und das kurze Haar aus dem Sitz einer Pferdekutsche ragend. Es war ein Montag, die Wolkenbäuche verhingen den Himmel in einnehmender Schwermütigkeit und ich stand mit einer der Aufseherinnen am Internatszaun.
»Perdixia ist krank«, sagte sie nur zu mir, doch ihre Worte erreichten kaum meine Ohren; drangen kaum in meine Seele, »Sie wird wieder gesund gemacht, Medea«
Als sie meinen getrübten Blick sah, strich sie mir nur wortlos über die Schulter; doch ich war längst fortgegangen, fuhr längst mit Perdix über die holprigen Wege zurück nach Wien, wo ich ihn erstmals unter dem Pflaumenbaum sitzen sah - faulige Früchte und der Geruch des Vergehens um ihn ausgebreitet. Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, ob Perdix es schon immer wusste - schon damals; ob er schon immer von seinem tödlichen Sturz geahnt hatte. Der Wagen drehte und im Vorbeifahren erspähte ich das Gesicht meines Freundes; Mädchenwangen von Tränen verschmiert, wie die Scheiben von Regen, doch trotzdem dieses Lächeln tragend - süß und leicht wie Milch, warm wie das schmelzende Elfenbeinwachs unserer Flügel. Ich blickte Perdix an und zu meinen Füßen schmolz das Universum in lodernden Flammen. Noch lange stand ich am Internatszaun; selbst dann noch als es in Strömen zu regnen begann und betrauerte die Welt, in der ich vor so kurzem noch gelebt hatte und die nun in Lachen aus Regenwasser und Tränen am Boden zerschmolz.
DU LIEST GERADE
elfenbeinwachs
Short Storyeine erzählung über perdix; einen internatssommer in der nähe von wien; seelenfreundschaft und schmelzende flügel, die mit tödlichen stürzen einhergehen.