Nebel hing zwischen den Tannen, der sich wie ein blasses Tuch über das Land legte. Man könnte fast schon meinen, er kündete einen grauen Tag an, einen der alles andere als schön werden sollte. Selbst die goldenen Morgenstrahlen, die sonst alles zum Funkeln brachten, schluckte er und so konnte man die Magie, die in der Luft lag, nur erahnen. Ich wusste, dass sie da war, und das nicht nur weil ich sie sonst jeden Morgen sah. Ich spürte sie in Form eines sanften Schauders, der mir über die Arme fuhr und die kleinen Härchen auf meiner Haut aufstellte. Dennoch fühlte ich mich all dem Zauber, der mich in den letzten Tagen überwältigt hatte, fern. Mir schien der Wald unergründlicher als je zuvor, als ich mit einem Korb aus geflochtenem Seegras vor unserer kleinen Hütte stand und auf die Ankunft des Königs wartete. Cecilias Hand lag auf meiner Hüfte, und ich vermutete dass sie versuchte, mir somit Trost zu spenden. In dem kleinen hübschen Brotkorb lagen nun einige Vorräte, die sie mir eingepackt hatte, sowie meine Maske, die Cecilia wieder feinsäuberlich in den Beutel zurückgesteckt hatte.
Ich sah mich um. Alles war so blass, selbst meine Haut hatte an Farbe verloren. Um mich herum war es ungewöhnlich hell. Anspannung kroch mir den Nacken hinauf und ich schüttelte mich ein wenig, was das Engegefühl in mir ein wenig minderte. Cecilia musste bemerken, wie unwohl ich mich fühlte, denn sie nahm mit einem mitfühlenden Blick ihre Hand von mir und rückte ein wenig von mir weg. Ich seufzte dankbar und horchte für einen Moment in mich hinein. Da war eindeutig Furcht in mir. Sie machte sich in Form eines unangenehmen Ziehens in meinem Körper bemerkbar. Meine Brust war wie zugeschnürt, so angespannt dass mir jeder Atemzug Schmerzen bereitete. Ich hatte Angst, wieder nach draußen zu gehen, dort wo ich vor meinen Feinden nur zum Teil sicher war. Für ein paar Tage lang hatte ich diese Angst vergessen können, doch nun kehrte sie mit all ihrer Heftigkeit wieder zurück. Nervös knabberte ich an meinen Fingern. Ich wollte nicht zurück. Dort oben im Schloss hatte ich mich immer wie eine Ausgestoßene gefühlt. Wie eine Verräterin, eine Geächtete. Und das obwohl jeder im Schloss versuchte, mich so normal wie möglich zu behandeln. Doch diese geheuchelte Normalität war fast schon schlimmer als ihre wahren Gefühle, die sie wahrscheinlich allesamt mit Mühe vor mir versteckten. Tagtäglich fand ich mich in einer Welt wieder, in der jeder nett zu mir war, obwohl ich genau wusste dass mich keiner im Schloss wirklich leiden konnte. Cecilia hingegen versuchte gar nicht erst übermäßig freundlich zu mir zu sein. Ihr sah ich mit einem Blick an ob sie meine Anwesenheit gerade genoss oder ob ich ihr auf die Nerven ging. Und das war einer der Gründe warum ich sie um einiges mehr mochte als diese Heuchler am Hof. Hier unten konnte ich vergessen was geschehen war, vergessen dass ich gemordet hatte und dass es wohl kaum jemanden in Sellatas gab, der mich nicht abgrundtief hasste. Ich hatte Angst dass dieser Hass überhand nehmen könnte und dass ich das nächste mal nicht mehr entkommen konnte.
Ich bemerkte, dass mich Cecilia mitfühlend von der Seite aus betrachtete. »Bleib ruhig, er wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, so wie ich ihn kenne.«
Ich schluckte schwer und da mir sämtliche Worte in der Kehle stecken blieben, brachte ich nur ein halbes Nicken zustande. Bedrückt sah ich in die Tannen und verengte ein wenig die Augen, auf der Suche nach einer Bewegung. Ich musste eine Weile warten, in der ich mich kaum bewegte. Regungslos stand ich da, nur den Brotkorb in meinem Arm schaukelte ich leicht hin und her, um die Zeit zu vertreiben.
Dann erschien der König. Anfangs waren nur seine groben Umrisse im Nebel auszumachen, ohne Farben oder deutlich erkennbare Formen. Doch mit jedem Schritt war er deutlicher auszumachen. Bei seinen letzten Metern konnte ich selbst das Gold seiner Krone funkeln sehen.
Er nickte der Ophuna zu, die seinen höflichen Gruß erwiderte, ehe sein Blick auf mich fiel. »Wie ich sehe geht es dir gut«, begrüßte er nun auch mich und wedelte mit der Hand in Richtung des Waldes. »Komm, ich habe nicht viel Zeit.«
DU LIEST GERADE
Herzensjägerin - Dunkle Melodie
Fantasy»Sie nannte dich Liva, aus Hoffnung auf dein Überleben - obwohl sie wusste, dass es eines Tages ihr Untergang sein könnte.« Es war ein blutiger Kampf. Kind gegen Kind, Schwert gegen Schwert entschied über die Zukunft Sellatas'. Doch keiner der beide...