Kapitel 3: Gefährliche Fremde

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In lange Pelze gewickelt und mit Fackeln in den Händen machten wir uns auf die Suche nach Majvi. Lanix hielt sich keuchend einige Meter hinter mir, die Schuld stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er war der erste, dem ich nach meiner Rückkehr begegnet war. Er war mir keuchend entgegengerannt und hatte sein Entsetzen für sich sprechen lassen: Majvi hatte sich davongeschlichen. Wie hatte er auch nur so unaufmerksam sein können?

Und warum war ich bloß so dumm gewesen und hatte mich auf ihn verlassen? Ich hätte wissen müssen dass er ein echter Trottel war und sich von jeder Kleinigkeit ablenken ließ. Ich schnaubte und kehrte ihm wieder den Rücken zu. An seiner Stelle war es nun Olita, die dicht neben mir lief, wobei sie sich sorgenvoll umsah. Das Licht ihrer Fackel, die sie langsam um sich schwenkte, fraß sich durch die Dunkelheit, doch nichts als Schatten und Bäume waren zu erkennen.

»Majvi?«, rief ich erneut.

Keine Antwort.

Nur ein paar Eulenrufe waren zu vernehmen und fernes Rascheln. Ich seufzte. Das mussten die Blätter im Wind sein.

Etwas zügiger liefen wir weiter, obwohl wir nicht einmal genau wussten, wo wir hingehen sollten. Wir hatten uns aufgeteilt. Während Nania und Lanix' Vater, Kylo auf der nördlichen Seite unserer Siedlung suchten, liefen wir im Süden den Wald ab. Bisher ohne Erfolg. Wir hatten lediglich ein paar zertretene Äste, kleine Nager oder übergroße Felsblöcke gefunden. Aber da war keine Spur von Majvi.

Ich runzelte besorgt die Stirn. Wo war sie wohl hingelaufen? Bestimmt war sie nicht weit gegangen. Sie war zwar für meinen Geschmack etwas zu neugierig und trotzig aber einfach so davonlaufen, das würde sie ganz bestimmt nicht. Sie hatte wahrscheinlich nach mir gesucht um mitzukommen oder wieder irgendetwas gesehen, dem sie folgen musste. Einen Schmetterling oder so. Sie liebte ja diese kleinen Viecher.

Vielleicht hatten Nania und Kylo sie bereits gefunden und waren auf dem Heimweg. Ich seufzte schwer und sah mich um. Oder aber sie war noch irgendwo da drinnen in den Schatten versteckt, die ich kaum zehn Meter weit durchblicken konnte. Nur was direkt vor oder neben mir stand, war deutlich auszumachen, der Rest verschwamm in der Dunkelheit.

»Majvi!«, schrie ich wieder und holte zu Olita auf, die mich überholt hatte. Sie musterte mich nun mit ihren braunen, sorgenvollen Augen und ich fragte mich, was sie wohl gerade dachte.

Ich atmete schwer. »Wie lange laufen wir jetzt schon?«

Nun war sie es, die seufzte. »Jedenfalls schon lange. Ich weiß nicht ob wir sie heute noch finden werden.«

Ich ließ die Schultern sinken. Zum einen verstand ich sie, doch ich wollte ihre Befürchtungen nicht wahrhaben. »Was machen wir dann?«, fragte ich gereizt, »wir können doch nicht einfach so nach Hause gehen und schlafen, wenn sie hier draußen herumirrt und von dem nächstbesten hungrigen Wolf gefressen werden kann! Falls sie zuvor nicht auf die Idee kommen sollte, einem dieser schmutzigen Menschenhändler zu folgen, die hier draußen ihr Unwesen treiben!«

Olitas Blick schweifte für einen Moment lang von mir ab und glitt ruhig über die Schatten. Abermals seufzte sie und straffte die Schultern. »Du hast recht. Wir können sie wirklich nicht alleine lassen. Aber das habe ich auch gar nicht gemeint. Einer von uns wird nach Molja ziehen und dort um Hilfe bitten müssen, falls sie nicht auftaucht. Und wenn auch das nichts bringen sollte, dann müssen wir sie eben auch noch in Denva als vermisst melden. Weiter kann sie ohnehin nicht gekommen sein.«

Oder sie wollte gar nicht in eins der Dörfer. Ich schluckte schwer und nickte nach vorne. »Suchen wir erstmal weiter.«

Keiner widersprach, und so irrten wir weiter durch die Dunkelheit. Trotz des langen Marsches war ich nicht müde geworden. Wahrscheinlich war es die Sorge, die mich wachhielt. Olita und Lanix hingegen waren mittlerweile langsamer geworden und liefen einige Meter hinter mir. Immer wieder blieben sie unschlüssig stehen und ich fragte mich, wie lange sie mir noch folgen würden. Vielleicht würde ich irgendwann alleine weitersuchen müssen.

Herzensjägerin - Dunkle MelodieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt