3. Was wir dann machten

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Den restlichen Abend verbrachten wir mit den üblichen Dingen: Wir sprachen uns über alle möglichen Themen den Mund fusselig. Zwischendurch aßen wir mit meinen Eltern zu Abend.

Danach warteten wir. Darauf, dass meine Eltern ins Bett gingen. Dass es endlich dunkel wurde. Denn auch, wenn wir die Rolläden hätten runterlassen können, so war die Atmosphäre doch eine ganz andere, wenn es wirklich dunkel war. Es war authentischer, echter. Gruseliger. Die Helligkeit war einfach nicht die passende Zeit.

Und so recherchierten wir über diverse Rituale, während die Kerze auf meinem Schreibtisch stand.

„Ich muss zugeben, je länger die dort steht, umso mehr bin ich davon fasziniert. Was ist das für eine Kerze?" Ich hatte meinen Kopf über mein Smartphone gebeugt, konnte aber nicht anders, als immer wieder zu der Kerze zu sehen.

„Eine ganz normale", sagte Hannah. „Ich glaub', ich hab hier was. Das Bloody Mary Ritual klingt doch ganz gut." Sie sah von ihrem Handy hoch.

„Neee, das ist doch viel zu standardmäßig. Außerdem hat Elisa das doch schon gemacht. Wenn wir das versuchen, will ich was Besonders!" Wieder fiel mein Blick zu der Kerze. „Lass uns doch einfach Mal was ausprobieren. Warte kurz!" 

Meine beste Freundin nickte und blieb sitzen, während ich aufstand und meinen Zeigefinger an meine Lippen führte. Als ich den Finger so vor mir sah bemerkte ich, dass er ein wenig zitterte. Bekam ich etwa langsam Angst? Ach was, ich doch nicht. Nicht wegen so etwas!

Auf Zehenspitzen schlich ich aus meinem Zimmer. Lediglich die Taschenlampenfunktion meines Smartphones spendete mir etwas Licht. Ja, so langsam kam die richtige Stimmung in mir auf.

Der kleine Lichtkegel huschte über das Parkett.
Es gelang mir, geräuschlos die Kommode im Wohnzimmer zu erreichen.
Der Strahl der Lampe wanderte vom Boden an dem Möbelstück nach oben, bis zu der Schublade, in der wir die Kerzen aufbewahrten.
Ich streckte meine Finger nach dem runden Metallkauf aus, er fühlte sich kühl und glatt an.
Langsam zog ich die Schublade auf und betete, dass mir es leise gelingen würde. Aber die Schaniere quietschten. Einen Moment hielt ich inne, wartete, ob etwas passierte.
Als niemand auftauchte, griff hinein und nahm so viele mit, wie ich in einer Hand halten konnte. Sie waren verschieden dick und waren unterschiedlich groß.
Je mehr, umso besser.
In die andere Hand nahm ich noch eine Streichholzschachtel.

Genauso leise wie ich gekommen war, schlich ich zurück. Meine Eltern sollte ich wohl lieber nicht wecken, das würde nur ein Donnerwetter geben.

Möglichst geräuschlos schloss ich die Tür hinter mir. Hannah hatte die Kerze schon in der Mitte des Raumes aufgestellt.
Jetzt gerade holte sie eine Silberplatte heraus, die sie unter die Kerze schob. „Wir wollen ja nicht ausversehen ein Feuer legen."

„Nein, ganz sicher nicht. Guck mal, ich hab noch ein paar mitgebracht."

„Gut. Und was machen wir jetzt damit?"

Während ich sprach, verteilte ich die übrigen Kerzen im Kreis um die große. Die Silberplatte bot genügend Platz für alle Kerzen. Ich spürte das Wachs, das an meinen Händen zurückblieb. Es war fast so, als wären die Kerzen ein wenig geschmolzen, während ich sie festgehalten hatte.

Nun wurde die große Kerze von den anderen, großen wie kleinen, eingefasst. Als hätten sie sich um sie versammelt, um sie anzubeten.

„Wir sollten sie anzünden", flüsterte ich. Irgendetwas an dem Anblick erfüllte mich mit Ehrfurcht.

Ich spürte mehr als das ich sah, wie meine Freundin neben mir den Kopf schüttelte. „Nein, noch nicht. Das sollten wir erst zur Geisterstunde."

„Aber zur richtigen, nicht um Mitternacht." Wenn schon, sollten wir es richtig machen.

„Ja", kam die Antwort.

Ich blickte auf die Uhr. Es war mittlerweile kurz vor zwölf. Kurz vor Mitternacht also.
Viele Leute bezeichnen diese Uhrzeit als die Geisterstunde. Aber ich bin der Überzeugung, dass sie erst um drei Uhr in der Früh beginnt.
Nicht umsonst liegt man zu dieser Zeit in der Nacht oft wach, kann nicht schlafen, die Gedanken rasen ... und ab und zu ist da dieses Gefühl, dass da jemand ist, der einen beobachtet.
Um uns die Zeit zu vertreiben, begann ich, über diese Uhrzeit zu recherchieren. Nicht zuletzt tat ich dies, um sowohl mich als auch Hannah wachzuhalten.
Ich sah, wie ihre Augen immer schwerer wurden. In diesem Moment unterdrückte sie ein Gähnen.

„Es heißt, dass der Schleier zwischen Leben und Tod zu dieser Uhrzeit am dünnsten ist", begann ich vorzulesen.
Und wir warteten.

Das Flackern der KerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt