Ich ging ins Bett, so wie immer. Die Lampe auf meinem Nachttisch ließ ich brennen, so wie jede Nacht, seit jenem Ereignis.
Vielleicht würde das Licht die Schatten aus meinem Kopf vertreiben. Bis jetzt hatte es geholfen, kein neues Grauen hatte sich in meine Träume geschlichen.
Und dann, ungefähr drei Monate nach dem ersten Traum, um genau zu sein 66 Tage später, kam er wieder.
Ja, ich hatte die Tage gezählt. Und jeden einzelnen davon hatte etwas über mir geschwebt. Rawonan war ein Teil meines Lebens geworden, auch wenn ich ihn nicht mehr gesehen hatte. Aber ich konnte ihn spüren. Und mit ihm war die Angst da.Schon als ich mich ins Bett legte, überwältigte mich die Gewissheit, das sich etwas verändert hatte.
Mein Bauchgefühl sagte mir, dass etwas passieren würde. Es war anders als sonst, doch ich konnte nicht greifen, was es war.Noch dazu die Erinnerungen an den Albtraum.
Die Erinnerungen waren immer da. Mal mehr, Mal weniger. Manchmal lauerten sie auch nur in einer Ecke meines Verstandes, um dann, irgendwann unvermittelt wieder hervorzuspringen.Doch all das sollte sich als nichts herausstellen, im Gegensatz zu dem, was mich nach meinem zweiten Traum erwarten würde.
Ich brauchte lange, bis ich einschlief.
Immer wieder nickte ich kurz ein, nur um im nächsten Moment wieder zusammenzuzucken und aufzuwachen.
Mein Blick wanderte zu dem Licht. Es war einerseits ein Schutz vor der Dunkelheit, auf der anderen wusste ich, dass er von Licht angezogen wurde.
Trotzdem gab mir dieses elektrische Licht etwas Sicherheit.Doch irgendwann kam auch der letzte Gedanke zum Erliegen und die Dunkelheit des Schlafs umfing mich.
Als ich zu mir kam war ich wieder dort. An demselben, dunklen Ort wie beim letzten Mal.
Aber etwas war anders. Doch was genau? Immer noch waren da dieser dunkle, leicht feuchte Boden und die Finsternis um mich herum. Es war klamm, schon allein deswegen bekam ich eine Gänsehaut. Langsam prickelnd breitete sie sich auf meinen Armen aus.Erst nach einer Weile fiel mir auf, was es war: Stille.
In meiner Erinnerung hatte es stets getropft. Rhythmisch war eine Flüssigkeit in eine andere gefallen.
Nein, falsch. Keine Stille, jedenfalls war sie nicht vollkommen. Denn ich hörte ein Atmen und schleifende Schritte, die sich näherten.
Fast wäre das Tropfen mir lieber gewesen.„Ich steuere jetzt dein Leben. Weil du mich gerufen hast. Mich wird man nicht mehr los." Es war Rawonan. Wieder spürte ich den Drang, im selben Rhythmus zu atmen. Wieder könnte ich mich nicht dagegen wehren. Es war so, als würde uns etwas verbinden. Etwas, das mich zwang, im selben Rhythmus Luft zu holen. „Du wolltest ein Spiel. Jetzt hast du es, ich spiele jetzt mit dir. Und der Teufel ist unser Spielleiter!"
Ich sah fast nichts. Es gab nur Schwärze. Und diese Augen, diese grell leuchtenden Augen, die nichts Gutes verhießen. Die Gänsehaut rannte meinen Rücken hinab und ich wollte weg. Nur weg. Doch es ging nicht.
Tränen brannten in meinen Augen, doch sie liefen mir nicht über die Wange. Noch nicht.
Weitere Schritte näherten sich, sie trippelten über den Steinboden. „Ich hab da jemanden..." Es war eine fremde, grelle Stimme.
Die trippelten Schritte entfernten sich. Zu ihnen gesellten sich schleifende. Das Atmen entfernte sich. Tief und zitternd holte ich Luft.
Das war fast noch schlimmer, als die Stimmen zu hören. Ich stand allein in der Dunkelheit, allein mit meiner Angst.
Vorher wusste ich, dass jemand da war, nun befand ich mich in völliger Ungewissheit. Und das machte es noch grauenvoller.Meine Haare standen zu Berge und ich vergaß fast, wie man atmete. Nun wollen meine Augen über, die Tränen bahnten sich den Weg über meine Wange.
Doch dann kamen die Schritte wieder zurück und ich hörte einen Gesprächsfetzen.
„... noch jemand, den wir in Angst versetzen können!" Es war die fremde Stimme, die sich in meinen Kopf bohrte und sich dort festsetzte, die die Gänsehaut noch verstärkte.
Noch dazu fing das Tropfen wieder an und ich bekam eine Ahnung davon, was es war.
Auch ich hatte getropft, ganz bestimmt.
Ich wollte wegrennen, auch wenn ich schon wusste, dass es nicht funktionieren würde, bevor ich es überhaupt versuchte.
„Nun denn. Das letzte, das du in deinem Leben sehen wirst, in deinem richtigen Leben, sind Flammen. Ich weiß nur nicht, ob es ein riesiges Inferno oder ein kleines Flimmern sein wird. Und du wirst mich nie mehr los!" Rawonan lächelte mich an. Dabei kam er immer weiter auf mich zu, während seine Augen sich in meine bohrten. Da fing ich an zu schreien.
Ich wachte schreiend und schweißgebadet auf. Die Überreste des Schreies, den ich ausgestoßen hatte, zerrissen den nächtlichen Frieden.
Das Zittern kam wieder, meine Glieder zuckten fast so, als würden sie nicht zu mir gehören.
Jeder Atemzug fiel mir schwer, blinde Panik leitete mich. Ich kann im Nachhinein nicht sagen, wie lange ich so dagelegen hatte. Waren es Minuten, Stunden, oder der Rest der Nacht? Ich verlor die Orientierung und mit ihr das Zeitgefühl.
Irgendwann hörte das Zittern auf und ich lag still da. Konzentrierte mich einfach nur auf meinen Atem, der nun wieder ganz mir gehörte. Oder?Schließlich, nach einer Ewigkeit des paralysiert Daliegens, stand ich auf. Ich beschloss, das, was passiert war, aufzuschreiben.
Es war alles anderes als leicht, fühlten sich meine Glieder doch an, als wögen sie Tonnen. Die Worte schwarz auf weiß vor mir zu sehen, machte alles noch erschreckender. Noch realer.
Danach stellte ich mir die Frage, ob es diesmal überhaupt ein Traum gewesen war. Denn es hatte sich alles viel zu echt angefühlt. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, war das bereits bei meinem ersten Albtraum, als Hannah bei mir übernachtet hatte, der Fall gewesen.
Von nun an sah ich ihn jede Nacht. Und an manchen Tagen war ich mir sicher, dass er direkt hinter mir stand, ich seinen Atem hören konnte und er mich beobachtete.
Besonders intensiv wurde dieses Gefühl immer, wenn ich in der Nähe einer Kerze war. Ich spürte dann immer dieses Zittern, das aus meinem Inneren emporkroch, und noch immer kriecht. Und höre seine Stimme.
Wenn die Kerzen flackern ist es ein Zeichen, dass er da ist. Ganz nah. Er atmet die Kerze an.
Und wenn eine Kerze rußt, ist das ein Vorbote, dass er in der Realität auftaucht. Dass ich ihn sehen kann.Feuer im Allgemeinen ziehen ihn an. Egal, ob ein großes Buschfeuer oder das kleine Flimmern eines Teelichtes.
Und ich habe seine Ankündigung nicht vergessen.Seitdem meide ich Feuer jeglicher Art. Aber Kerzen lassen sich nicht immer vermeiden. Und ich weiß, dass er immer da ist, aber wenn Feuer in der Nähe ist, nehme ich seine Nähe intensiver wahr.
Anfangs war ich überzeugt davon, dass ich den Verstand verliere. Vielleicht tue ich das auch. Aber dann nur wegen diesem Wesen.
Es flüstert mir Dinge zu, wenn es hinter mir steht.
Dinge, die so grässlich sind, dass sie mich um den Verstand bringen. Ich halte mir die Ohren zu, dennoch höre ich ihn weiterhin.Und ich höre seinen Atem. Er zwingt mich immer, sich seinem anzupassen. So Atmen wir gemeinsam, immer dann, wenn ich nachts aufwache und ich ihn spüren kann. Aber auch tagsüber.
Immerhin haben Hannah und ich uns wieder angenähert. Doch es ist nicht mehr so, wie es früher war. Da ist diese unsichtbare Mauer zwischen uns. Denn ich sage ihr, dass es mir gutgeht. Dass ich den Traum vergessen habe. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Traum hat sich fest in die Realität eingebunden.
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So meine Lieben.
Wir sind am Ende der Geschichte...Ich hoffe, sie hat sich gefallen und ihr konntet euch ein bisschen gruseln.
Danke für die Kommentare und Likes (und Korrekturen)!
Auf wiederlesen und Happy Halloween!
Drachenmelodie...aber sind wir wirklich schon am Ende? Oder fängt die Geschichte gerade erst an?....
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Das Flackern der Kerzen
Horror"Das erste Mal in dieser Nacht kamen mir Zweifel. Was ist, wenn das ein schlechtes Omen war? Wenn wir das wirklich durchziehen und etwas schreckliches passiert? Wenn es tatsächlich funktioniert?" Als Kind wurde mir immer erzählt, dass der Wind die K...