8. Was mit Freundschaft passiert

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Doch diesmal war es anders. Die Erinnerungen verblassten nicht und ab da ging ich nur noch ungerne ins Bett. Hatte ich doch noch immer Angst, dass sich dieser Traum erneut in meinen Kopf schleichen würde.

Immer wieder fühlte ich mein Herz flatterhaft gegen meine Brust schlagen.
Aber was sollte ich tun? Ich hatte mit Hannah darüber gesprochen, noch am selben Morgen.

„Das hat sich so ... real angefühlt. Es war echt! Zumindest in dem Moment. Und jetzt habe ich Angst, es nie wieder loszuwerden." Auch, wenn meine Träume bisher immer verblasst waren. Dieser hier war anders, das wusste ich schon nach dem Aufwachen.

„Aber es war doch trotzdem nur ein Traum. Auch wenn er sich real angefühlt hat. Wir haben nie die Kerzen angezündet, verstehst du?"

Doch ich wusste nicht, ob ich ihr glauben sollte, obwohl sie, ganz offensichtlich, recht hatte. Keine einzige der Kerzen war angerührt worden. Es war lediglich mein Verstand, der mich auf diese gruselige Reise geschickt hatte. Immerhin hatten wir den ganzen Abend damit verbracht, uns mit verschiedenen Ritualen zur Geisterbeschwörung zu beschäftigen. Das sagte ich mir immer wieder. Es klang logisch, und doch...
Ich wusste, dass da mehr dahinter steckte.

Anschließend hatten wir über unbefangenere Dinge gesprochen und mein Traum war in eine Ecke meines Gehirns gerückt, hatte sich dort versteckt.

Nein, er lauerte. Und wartete.

Denn selbst eine Woche später saß er noch immer da, wie ein unsichtbares Unheil, das über mir schwebte. Egal, wo ich hinging. Schließlich sprach ich auch mit meinen Eltern darüber. Doch auch sie sagten nur: „Es war ein Traum. Es geht vorbei."

Aber das ging es nicht.

Jede Nacht schreckte ich bereits von den kleinsten Geräuschen auf, fand keinen ruhigen Schlaf mehr.
Einmal war ich mit hämmerndem Herzen aufgewacht, weil ein Auto die Straße entlangfuhr. Mir wurde schwindelig und auch wenn ich lag, hatte ich Angst, umzukippen.

Einige Tage später, Hannah und ich saßen in der Pause wieder zusammen, brach es aus mir heraus.
„Weißt du, was mir bewusst geworden ist?"

Sie sah mich an. „Was meinst du?"

Ich konnte sehen, wie ihre Gedanken rasten. Sie versuchte zu ergründen, was ich meinte. Doch ich ließ sie zappeln. Sollte sie es wenigstens etwas nachvollziehen können.

Ich streckte meine Beine aus, die langsam kribbelig wurden. Tausend Ameisen liefen darauf entlang. Ich hatte Mal wieder zu lange im Schneidersitz gesessen.

„Du bist schuld." Meine Augen trafen ihre und ich sah die Verwirrtheit, die sich dahinter verbarg.

„Woran?" Sie runzelte die Stirn. War sie sich etwa wirklich keiner Schuld bewusst?

„Daran, dass ich keine Nacht mehr durchschlafe! Dass ich immer ein Licht in meinem Zimmer haben muss und gleichzeitig Angst vor diesem Licht habe!" Ich holte Luft. „Du hast die Kerze mitgebracht! Und ohne die wäre nichts davon passiert"

„Ich habe die Kerze mitgebracht, ja. Aber wir haben nichts damit gemacht! Ich verstehe dich, du schläfst schlecht. Du hast die schlimmsten Augenringe, die ich je gesehen habe. Deswegen nehme ich dir das nicht übel." Sie hielt inne und ich hatte Angst vor dem, was sie nun sagen würde. Ich hielt die Luft an, als sie fortfuhr: „Aber komm erst wieder zu mir, wenn du dich beruhigt hast. Wenn es wieder andere Dinge in deinem Leben gibt, außer diesem Traum. Du hast dich verändert in den letzten Wochen..."

Sie stand auf und ließ mich zurück. Allein. Hatte ich mich wirklich so verändert?
Nun, vielleicht war es wahr, dass ich im Internet viel über Geister und Dämonen recherchierte. Vielleicht war es so, dass ich nach Ritualen suchte, die böse Geister von mir fernhielten. Und eventuell probierte ich jedes einzelne von ihnen. Ohne Erfolg. Womit ich aber Erfolg hatte, war, mir weniger Zeit für Hannah zu nehmen.

Ich sah mich um, hatte das Gefühl, das etwas hinter mir lauerte. Ich sah nichts. Nur das übliche Treiben auf dem Schulhof.
Erst jetzt atmete ich aus.

Doch es war das Unheil, das über mir schwebte.
Es war, als wäre diese Trennung von Hannah und mir der Startschuss für das eigentlich Schlimme gewesen.

Nachts, wenn ich wachlag und die Dunkelheit mich trotz des Lichtes in meinem Zimmer umhüllte, hörte ich das Atmen. Jede einzelne Nacht.

Tagsüber bekam ich immer mehr das Gefühl, verfolgt zu werden. Immer wieder drehte ich mich um, immer wieder sah ich nichts. Und das machte es noch schlimmer.

Einmal saß ich im Klassenraum und spürte eine Hand auf meinem Rücken. Ich schrie auf, was mir erschrockene Blicke meiner Mitschüler einbrachte.
Doch auch hier: nichts.

Es war alles nur ein Traum. Wenn ich aufhören würde, daran zu denken, würde ich mir auch nicht mehr so seltsame Dinge einbilden. Doch ich konnte es nicht vergessen. Dieses Atmen. Diese Gestalt. Die Dunkelheit und die Panik.
Bis jetzt hatte ich nicht nochmal geträumt. Ich selbst war die, die mir im Weg stand.

Das sagte ich mir trotzdem immer wieder. Das einzig Reale war der Abstand zwischen Hannah und mir, zu dem der ganze Vorfall geführt hatte. Und das würde ich wieder geradebiegen, sobald ich diese Ängste wieder los war.

So lange, bis der nächste Albtraum kam. 

Das Flackern der KerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt