Kapitel 10. Summer

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Eigentlich war ich immer freundlich zu Fremden, doch trotzdem verwunderte es mich etwas als plötzlich eine unbekannte Elbe in meinem Garten stand und aus dem hinteren Teil meines Gartens weitere Mädchenstimmen drangen. Was war hier eigentlich los? Konnte ich nicht mal in Ruhe schlafen? Einfach nur ätzend! Dabei war ich gestern bis 3:00 Uhr wach geblieben. Ich hatte mir meinen Schlaf redlich verdient. Und das sagte ich dieser Elbe auch. Sie starrte mich nur weiter verdutzt an. Und als sie schließlich den Mund aufkriegte kam keine Entschuldigung heraus, stattdessen fragte sie nur:"Bist du Summer?" Echt unhöflich. "Natürlich bin ich Summer! Das steht doch auf der Klingel!" Die Elbin guckte nur weiter blöd drein. "Was ist hier los?! Und was hast du in meinem Garten zu suchen?", fragte ich sie ziemlich wütend. Endlich hellte sich ihr Gesicht auf. "Alex hat gesagt du könntest uns helfen, aber wir hätten da noch ein kleines Problem. Deine Schaukel hält Alex gefangen. Kannst du ihr vielleicht sagen, dass sie aufhören soll?", fragte sie. "Alex ist hier?!", rief ich aufgeregt. Alex war bis jetzt meine einzige Freundin. Sie war auch die einzige, die meine Freundin sein wollte. Sie schien meine Situation zu verstehen und meine Herkunft schien sie kein bisschen zu stören. Wenn diese Elbin sie tatsächlich kannte, dann musste ich ihr helfen. Trotzdem war ich verwirrt. Warum sollte meine Schaukel Alex gefangen nehmen? Ich hatte sie nicht mit einem Zauber belegt. Außer vielleicht... Neulich hatte ich einen Zauberspruch aus meinem Buch ausprobiert, der meinen Besen zu Leben erwecken sollte, damit ich nicht mehr selbst putzen musste. Ich hatte eigentlich gedacht, dass der Zauber nichts bewirkt hatte. Anscheinend hatte er sehr wohl geklappt. Nur nicht so wie ich es gewollt hatte. "Warte hier!", rief ich der Elbe zu und rannte ins Haus. Ich hielt nach einem Buch mit einem nachtblauen Umschlag ausschau. Leider hatte ich allerdings ziemlich viele Bücher. Alle mühevoll aus dem ganzen Sonnenreich zusammengetragen. Einige waren sogar aus dem Mondreich. Sehr selten und sehr wertvoll. Endlich entdeckte ich das, was ich suchte. "Lebendigkeitszauber für Anfänger". Schnell schnappte ich mir den Wälzer und rannte wieder aus dem Haus. Die Elbe blickte mir schon erwartungsvoll entgegen. Als ich bei ihr war, stürmten wir hinter das Haus zu meiner großen Regenbogeneiche. Ich hatte sie vor ein paar Wochen als kleines Bäumchen eingepflanzt, doch der Baum war rasendschnell in die Höhe geschossen, nachdem ich ihn mit einem Wachstumszauber belegt hatte. Die Schaukel auf der ich Alex nun entdeckte, hatte ich dort aufgehangen um mich selbst zum rausgehen zu bewegen. Ich war schockiert stehen geblieben beim Anblick von den Wurzeln die aus der Schaukel herausschossen und Alex' Taille umwickelten. Diese schrie nun nicht länger, sondern saß einfach ruhig da. So als hätte sie sich nun mit dem Gedanken angefreundet für immer und ewig gefangen zu bleiben. Neben ihr standen zwei Mädchen. Das Mädchen zu Alex' Rechten hatte langes blondes, fast hellbraunes Haar. Sie stand da und sah dem anderen Mädchen dabei zu wie es weiterhin an der Schaukel zerrte. Tatsächlich bewegten sich die Wurzeln leicht unter dem starken Griff ihrer Hände. Sie hatte schwarzes Haar, das ihr tief ins Gesicht hing. Endlich schaffte sie es eine Wurzel loszureißen, doch fast im selben Moment schoss eine neue aus der Schaukel und wickelte sich noch fester um Alex' Taille. Diese stöhnte auf. Schnell holte ich mein Buch hervor und suchte nach dem passenden Zauberspruch. Ich fand ihn unter dem Kapitel "Putzzauber". Aber wo war der Gegenzauber. Eigentlich sollte er immer unter dem jeweiligen Zauberspruch stehen, doch die Seite war abgerissen worden. Wie war das möglich. Der Verkäufer des Buches hatte mir gesagt, dass das Buch in einem Top-Zustand sei. Aber Kobolden durfte man einfach nicht trauen. Schon gar nicht bei solch einem hinterlistigen Blick. Ich raufte mir die Haare. Ich musste wohl improvisieren. Viele Gegenzauber waren einfach nur der eigentliche Zauber rückwärts gesagt. "Nun beeil dich doch mal!", rief mir die Elbin zu. Auch das blonde Mädchen guckte mich verzweifelt an. Selbst das schwarzhaarige Mädchen hatte ihre Bemühungen aufgegeben und starrte mich nur abwartend an. Kurz war ich irritiert von ihren Augen, doch zwang mich dann zur Konzentration. Über solche Kleinigkeiten konnte ich später nachdenken. Alex sah inzwischen so aus, als wolle sie gleich in Tränen ausbrechen. Ich musste mich jetzt konzentrieren. Meine einzige Hoffnung war es den Zauberspruch rückwärts aufzusagen. Ich atmete tief durch. Mir durfte kein Fehler unterlaufen. Es war sowieso schon riskant genung den Zauber ohne genaue Anweisungen aufzusagen. Wenn ich jetzt noch ein Wort falsch aussprach, könnte alles schief gehen. Vielleicht würde ich einfach aus Versehen nur Seifenblasen herbeizaubern. Das war mich schon mal passiert. Es konnte aber auch sein, dass ich aus Versehen eine dieser Mädchen oder sogar mich selbst umbrachte. Dunkelmagie war bei so etwas unberechenbar. "Musrus susret. Iramina te eregrus, murotlugriv." Meine Stimme klang laut und deutlich durch den Garten, während ich die Worte aussprach. Ein wohliges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Dieses Gefühl hatte ich immer nach dem zaubern. Leider folgte danach meist auch noch ein stechendes Ziehen und ich bekam unglaublichen Hunger auf saure Gürkchen. Ich öffnete meine Augen. Ich schloss sie meist wenn ich zauberte, damit ich mich besser auf die Worte fokussieren konnte. Die Mädchen starrten mich an, als wäre ich das siebte Weltwunder, nur das schwarzhaarige Mädchen sah mich weiterhin unbeeindruckt an. Kein Wunder. An ihren schwarzen Augen konnte man deutlich erkennen, dass sie ein Vampir war. Vampire waren die mächtigsten Nutzer von Dunkelmagie. Sie sah sowas vermutlich jeden Tag. Ich atmete auf als ich erkannte, dass die Wurzeln, die Alex vorhin noch gefesselt hatten, nun gelöst auf dem Boden lagen. Es hatte funktioniert. "Wow. Das war einfach... wow. Ich hab noch nie jemanden Dunkelmagie nutzen sehen.", sagte das blonde Mädchen mit großen Augen und einem Blick, der mich ziemlich nervös werden ließ. "Ich meine klar habe ich schon oft gesehen, wie jemand Lichtmagie nutzt. Aber das gerade war so vollkommen anders. Ich hatte so ein unglaubliches Gefühl von... Geborgenheit? Ja, ich hab mich so beschützt gefühlt. Ich dachte immer Dunkelmagie wäre böse, aber das hat sich so schön angefühlt. Ist das normal? Habt ihr das auch gespürt?", fragte sie aufgeregt. " Ja, du hast recht Rubinia. Ich hab mich gefühlt als wäre ich zu Hause. Das war echt schön. Ich hab dich ja schon öfters Zaubern gesehen, aber es beeindruckt mich doch immer wieder.", stimmte Alex dieser Rubinia zu. "Wie auch immer. Danke das du Alex befreit hast. Summer, richtig? Ich bin Victoria und das sind Meyra und Rubinia.", sagte die Vampirin immer noch völlig unbeeindruckt. Durch ihre Frage wurde meine Aufmerksamkeit wieder auf sie gelenkt. Auf ihr totenblasses Gesicht mit den ausdruckslosen, schwarzen Augen und auf ihre spitzen Eckzähne, die beim Reden aufblitzten. Mir wurde sofort schlecht, denn eins wurde mir klar. Da war ein Vampir in meinem Garten. Dabei hatt ich mein Haus doch erst kürzlich mit einem Schutzzauber versehen. Wie hatte dieses Mädchen es hier reingeschafft. Ich stolperte rückwärts. Die Mädchen sahen mich besorgt an. "Hey, alles okay, Summer? Du bist ja ganz blass." Meyras Stimme drang nur verschwommen zu mir durch. Was war los? War ich etwa so geschwächt vom Zauber? Normalerweise wurde mir doch nur etwas schlecht. Vielleicht war ich auch einfach nur müde. Ich hatte ein langes Wochenende gehabt. Ich musste schlafen. Ja, das war eine gute Idee. Schlaf. Das war mein letzter Gedanke bevor ich umkippte und alles schwarz wurde.


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