Kapitel 10 - Maya

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„Maya? Bist du es?", fragt mich meine Mutter vom anderen Ende der Leitung. Das Telefon am Ohr haltend, verdrehe ich die Augen. Wer sollte es sonst sein?

„Ja, ich bin es. Was ist denn los?", frage ich sie, um gleich auf den Grund ihres Anrufes zu Sprechen zu kommen. Ich habe im Moment ehrlich gesagt nicht wirklich Lust, mir die Diskussionen meiner Mutter anzuhören. Darum klingt meine Stimme etwas schroffer, als beabsichtigt. Schnell räuspere ich mich und wiederhole meine Frage in einem gemäßigten Ton.

„Das kann ich dir nicht sagen.", sagt sie schnell und ich kann mir dabei gut vorstellen, dass sie sich während sie mit mir telefoniert, sich ständig umschaut, ob sie nicht jemand beobachtet. „Schon wieder nicht?", seufze ich genervt und schiebe einige Krümel auf meinem Teller herum. „Maya!", fährt sie mich scharf an. Ich zucke leicht zusammen. Schon wieder dieser Ton, der besagt: Jetzt ist Schluss mit lustig!

Ich seufze noch mal. „Ist ja gut. Was ist denn jetzt?" „Wir müssen uns unbedingt jetzt schon treffen!" „Warum?", frage ich die Stirn runzelnd nach. „Weil ich einige meiner Kontakte angerufen habe und heraus bekommen habe, dass er in der Stadt ist!", sagt sie mit angespannter Stimme.

„Wer ist in der Stadt?" Sie wartet einen Augenblick, bis sie mir antwortet. „Dieser Mann." Ihre Worte jagen mir einen kalten Schauer über den Rücken. Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, sie meint damit einen bekannten Vergewaltiger. Ich schaue schnell zu Benedict, der gerade sein Brötchen mühsam aus der Reichweite meines Katers bringt. Der hat anscheinend seine Wurst schon vertilgt und führt seinen Beutezug nun fort.

Nein, wie ein Vergewaltiger sieht Benedict absolut nicht aus. Und sollte es doch einer sein, könnte ich mir vorstellen, dass sich so einige Frauen freiwillig von ihm vergewaltigen lassen. Die Augen kurz geschlossen haltend, schüttele ich den Kopf. Meine Gedanken sind mal wieder absolut albern. Freiwillige Vergewaltigung. Und da frage ich noch allen ernstes, ob ich verrückt bin. Im Grunde weiß ich es doch schon.

„Aha. Und jetzt?", frage ich mit bemüht neutralem Ton. Immer hin weiß ich ebenfalls schon, dass dieser Mann in der Stadt ist. Wenn wir denn von gleichen Kerl sprechen. Wovon ich ausgehe.

„Ich will, dass du die nächsten Tage bei mir bist, bis wir herausgefunden haben, wie wir dich besser schützen können." „Mutti, was soll das denn! Ich kann auf mich allein aufpassen. Ist er ein Vergewaltiger oder was?" „Maya, sei nicht albern!", weist sie mich streng zurecht. Also kein Vergewaltiger, wusste ich es doch.

„Pack deine Sachen und Carlos, du wohnst die nächsten Tage bei mir. Schluss aus! Ich hole dich in einer halben Stunde ab." Ich setze schon zu einer Erwiderung an, komme aber nicht dazu, sie zu äußern. Das tutende Geräusch bedeutet mir, dass meine Mutter das Gespräch bereits beendet hat.

Neugierig schaut Benedict zu mir rüber. „Frag nicht.", seufze ich leidgeplagt und versuche langsam aufzustehen. Das Gewicht auf einem Bein haltend stehe ich kurz da, bevor ich die Zähne zusammen beißend vorwärts hüpfe. „Hey, soll ich dir helfen?", fragt seine Stimme direkt hinter mir. Ich kann seinen Atem in meinem Nacken spüren. Sofort breitet sich Gänsehaut von dort über meinen gesamten Oberkörper aus. Ich drehe mich um, und halte ihn mit ausgestreckten Armen von mir fern. „Lieber nicht.", sage ich entschuldigend und hoffe, dass er es versteht. Immerhin haben wir uns in der kurzen Zeit der wir uns „kennen gelernt haben" bereits mehrmals viel zu sehr angenähert. Das dürfen wir nicht mehr riskieren. Zu viel steht auf dem Spiel. Jede Annäherung könnte zu viel sein.

In seinen Augen blitzt kurz Enttäuschung auf, verschwindet aber schnell wieder. Er nickt verstehend und setzt sich wieder auf das Sofa.

Ich verschwinde auf einem Bein springend erst im Schlafzimmer, dann ins Bad. Schnell habe ich die wichtigsten Dinge eingepackt. Als ich die Tasche hoch heben will, um sie im Flur vor der Tür abzustellen, komme ich jedoch zu stark aus dem Gleichgewicht. „Ben? Kannst du mir mal bitte helfen?" Ich muss nicht lang auf ihn warten. Den Blick auf meine Tasche gerichtet fragt er: „Verreist du?" Ich senke den Blick und spiele verlegen mit dem Anhänger an meiner Halskette. „Mehr oder weniger. Ich ziehe für ein paar Tage zu meiner Mutter." „Ist etwas mit ihr?", fragt er besorgt und kommt näher, um die Tasche zu schultern. „Mmh. Irgendwie schon. Ich will dir mit den Details nicht auf die nerven gehen.", sage ich, bemüht so wenig wie möglich preis zu geben. Ich brenne ehrlich gesagt darauf, endlich von meiner Mutter ein paar klärende Worte zu hören. Eine zweite Sichtweise könnte jetzt keinesfalls schaden. Ich kenne Benedict ja kaum. Vielleicht lügt er mich wirklich an, obwohl er beteuert hatte, es nicht zu tun. Oder verschweigt mir ein wichtiges Detail, nur um etwas zu bekommen, von dem ich bis jetzt nicht weiß, was es ist.

Maya & BenedictWo Geschichten leben. Entdecke jetzt