"Geh weg!", schreie ich mit angsterfüllter Stimme und laufe um mein Leben. Zumindest kommt es mir so vor. René ist mir dicht auf den Fersen. Ich keuche und schnaufe schon vor Anstrengung, doch aufhören kann ich jetzt auf keinen Fall. Vielleicht kommt er auf die Idee, mich auch noch zu töten!
"Hannah, bleib stehen! Wir müssen reden!", ruft er mit lauter Stimme, die mir auf einmal Angst macht.
Ich laufe dadurch nur umso schneller. Doch es genügt nicht. Nach nur wenigen Metern überwältigt mich das Seitenstechen, und ich werde etwas langsamer. Und schon reißt mich René zu Boden. Ich schreie und will mich befreien, doch er hält meine Arme über meinem Kopf fest. Ich schaue ihn panisch an.
"Hannah! Beruhige dich! Du weißt doch, dass ich nicht ... normal bin." Er keucht ebenfalls. Wir sehen aus, als wären wir einen Marathon gerannt.
"Geh von mir runter", presse ich zwischen meinen Zähnen hervor.
"Es tut mir leid, dass du das sehen musstest, aber ich musste schnell handeln."
"Ach ja? Und ihn gleich umbringen? Willst du unbedingt ins Gefängnis zurück?!"
"Ne, aber ..." Er steht mit einem Ruck auf und geht von links nach rechts und wieder zurück. Das Ganze wiederholt sich ein paar Mal, bis er vor mir stehen bleibt und auf mich heruntersieht.
"Hannah, bitte hab keine Angst. Ich würde dir nie im Leben wehtun, auch nicht, wenn mich jemand zwingt." Ich starre ihn mit großen Augen an. Die Panik wird langsam schwächer und meine Atmung normalisiert sich. Ich schlucke und schließe meine Augen.
"Kommst du? Suchen wir uns eine Bleibe." Er hält mir seine linke Hand hin, die ich zögernd ergreife. Er zieht mich hoch, danach stehen wir voreinander und sehen uns in die Augen. Er nimmt meine Hände und mustert mich mit einem intensiven Blick.
"Hab keine Angst. Es ist alles gut. Ich werde das nicht wieder tun, okay?", flüstert René. Ich senke meinen Blick und atme ein paar Mal tief ein und aus.
"Okay."
Gemeinsam verschwinden wir von hier und suchen uns ein Hotel. Nur wenige Zeit später entdecken wir eines und buchen ein Zimmer mit Doppelbett. Wir sind beide ziemlich müde und deswegen lassen wir uns, als wir auf unserem Zimmer ankommen, auch gleich auf das Bett fallen. Dabei zerstören wir die schönen Handtuchfiguren, die das Bett verziert haben.
Wir liegen beide am Rücken und sehen uns an. Renés Kopf ist nach rechts geneigt, meiner nach links.
"Warum machst du das?"
"Was meinst du?"
"One-Night-Stands, Entführungen von Frauen, Menschen töten...", erkläre ich ihm mit leiser Stimme. Er seufzt.
"Ich habe nichts anderes gelernt."
Ich schnaube. Ich mag diesen René nicht. Er hat mich schließlich auch entführt. Und das verheißt nichts Gutes.
"Wie schon gesagt, ich mache es nicht wieder. Nichts von dem ganzen Scheiß, den du gerade aufgezählt hast." Ich starre an die Decke. Ein seltsames Gefühl hat sich in meiner Magengegend ausgebreitet.
"Ist alles in Ordnung? Du siehst so bleich aus", bemerkte mein Freund und stützt sich auf seinen rechten Ellenbogen.
"Mir ist nur ein wenig s-schlecht. Sonst nichts", stottere ich und stehe auf. Es dreht sich auf einmal alles. Ich wanke ins Bad und schaue mein Spiegelbild an. Ich sehe schrecklich aus. Ich schließe die Tür und steige unter die Dusche.
Das warme Wasser prasselt auf meinen Körper. Ich fixiere einen Punkt vor mir und vergesse komplett, dass ich den Duschkopf in der Hand halte. Krachend fällt er zu Boden und ich werde aus meiner Trance gerissen. Erschrocken schaue ich hinunter.
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In den Händen meines Entführers
RandomVier Menschen gegen einen - ist das nicht unfair? Bekanntlich kann man sich sein Schicksal nicht aussuchen, und das lernt Hannah in diesem Kapitel ihres Lebens. Best Ranking: Platz 1 in #eingesperrt Platz 5 in #kriminalität Cover by @streetcloud