RENÉ
"Also, mein Plan ist folgender: Ich spiele den Beschützer und den Schleimer und gehe so weit, dass Hannah sich in mich verliebt. Dann will sie ganz bestimmt irgendwann einmal mit mir poppen und was weiß ich, was halt Liebespaare alles so machen. Und das Ganze können wir heimlich filmen." Tom und James überlegen, dann stimmen mir beide zu. Morgen würde mein erstes Einschleimen stattfinden. Tom hatte noch eine Frage: "Wieso hast du vorher eigentlich dein T-Shirt ausgezogen?"
"Weil ich wissen wollte, ob ich Hannah beeindrucken kann mit meinem Oberkörper. Sie hat mich echt angeglotzt. Sie findet mich heiß, das sehe ich in ihren Augen. Also hab ich schon einmal mit meinem Körper gepunktet."
HANNAH
Lange bleibe ich nicht verschont. Schon am nächsten Tag kommt René und bringt mir Essen - ich lasse es natürlich stehen - und setzt sich auf mein Bett - ich habe gerade in den Himmel geblickt und einen Schwarm voller schwarzer Vögel beobachtet.
"Iss!", befiehlt er.
"Wieso?"
"Weil ich es sage!"
"Nö."
"Ich hab gesagt, du sollst essen!"
"Und ich hab nein gesagt." Sein Gesicht wird rot wie eine Tomate. Er springt auf und kommt mit großen Schritten auf mich zu. Auf einmal atmet er tief ein. Sein Gesicht entspannt sich schlagartig.
"Okay, wie du meinst. Vielleicht möchtest du es ja später", sagt er ruhig. Ich bin verwirrt. Gerade eben ist er noch stinksauer gewesen, oder?
"Es tut mir übrigens leid. Ich meine ... das alles. James und Tom sind echt grob, ich weiß. Ich werde es so gut wie möglich verhindern." Aha, jetzt spielt er also den Scheinheiligen.
"René, entscheide sich doch endlich einmal was du willst. Einmal verletzt du mich, dann bist du wieder nett, und wieder anders. Was willst du eigentlich und zu wem gehörst du?", erwidere ich.
"Hannah, natürlich halte ich zu dir. Ich hasse es, wenn sie dir wehtun. Es tut mir so leid, dass ich dich so oft körperlich verletze."
Er scheint es ernst zu meinen, denn sein Gesichtsausdruck ist völlig ernst. Er hebt meinen Kopf an, sodass ich ihm in seine dunklen Augen schauen muss. Ich betrachte sein Gesicht genauer und bemerke, dass er eigentlich ein ziemlich gutaussehender Typ ist. Was denke ich denn da?! René lächelt. Schmetterlinge flattern aufgeregt in meinem Bauch umher. Er kommt näher und schließt die Lücke zwischen uns. Wenn der Kuss nicht so gut gewesen wäre, hätte ich erstens: Sofort aufgehört und gemerkt, dass er es ziemlich eilig hat, und zweitens: Ihm eine Ohrfeige gegeben. Was ist nur mit mir los?
Nur ungern löse ich mich von René. "Als ich dich zum ersten Mal gesehen hab, hab ich mich sofort in dich verliebt ...", flüstert er und lächelt. Die Schmetterlinge schlagen wieder Purzelbäume. Doch dann kommt mir ein Gedanke. Scheiße, ich darf mich nicht verführen lassen! Was ist mit Julian? Er ist schließlich mein Freund. Ein unangenehmer Schmerz breitet sich in meinem Herzen aus. "Was ist los?", fragt René. Auf einmal möchte ich seine Stimme nicht mehr hören.
"René, bitte ... geh. Ich brauche Zeit für mich. Ich muss einfach ... nachdenken", sage ich mit leiser Stimme und befreie mich aus seinen Armen, die mich noch immer umschließen. Der Ausdruck in seinem Gesicht wird enttäuscht.
"Okay, wie du willst", sagt er schließlich. "Und bitte iss was." Dann verlässt er den Raum. Ich werfe einen angeekelten Blick auf das Butterbrot und wende mich gleich wieder ab. Plötzlich ist mir schlecht. Ich lege mich auf mein Bett und schließe die Augen. Es ist das erste Mal, dass ich mir wünsche, Julian würde sich die Zeit mit Pornos vertreiben. Früher hab ich mir immer Sorgen gemacht, dass er vielleicht so ein Typ sein könne. Seit er mich hat, tut er das nicht mehr. Diese Erkenntnis erleichtert mich normalerweise auch, aber in so einer Situation definitiv nicht. Hoffentlich wird er von irgendeinem Freund dazu überredet, denn dann könnte er ja Fotos von mir sehen und mich retten.
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In den Händen meines Entführers
RandomVier Menschen gegen einen - ist das nicht unfair? Bekanntlich kann man sich sein Schicksal nicht aussuchen, und das lernt Hannah in diesem Kapitel ihres Lebens. Best Ranking: Platz 1 in #eingesperrt Platz 5 in #kriminalität Cover by @streetcloud