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Lukas' letztes Schuljahr verging rasend schnell. Ehe er sich versah stand er vor den Abiprüfungen und wusste nicht, wo ihm der Kopf stand.

Zu seinem Erstaunen lief das mit der Musik echt gut. Er hatte seine Lieder regelmäßig im Internet hochgeladen und hatte sogar schon Preise verliehen bekommen.

Vor einigen Tagen hatte er die Bewerbung für eine Ausbildung zum „Mediengestalter Bild und Ton"  in Berlin abgeschickt und wartete jetzt gespannt auf eine Rückmeldung.  Er mochte seine Heimat aber wusste selbst, dass er seine Träume hier nicht verwirklichen konnte.

„Hey, hallo?! Erde an Lukas!" riss ihn Liz aus den Gedanken. Sie saßen bei seinen Eltern im Garten, sie machte Hausaufgaben und er versuchte, sich auf die letzte Klausur vorzubereiten. „Hmm?" fragte er blinzelnd. „Ich hab gefragt, wann die Party morgen losgeht".      „Wahrscheinlich trinken wir schon nach der Klausur. Und dann gehen wir zu irgendwem grillen." „Du hast es so gut" sagte sie und schaute ihn beneidend an. „Ich hab keinen Bock auf noch ein Jahr Schule. Glaub mir, ich besuch dich wahrscheinlich jedes Wochenende in Berlin".  Er lachte. „Na ja, dafür muss ich erstmal die Stelle bekommen..."


„Meine Eltern haben schon gesagt, dass sie uns eine Wohnung in Berlin bezahlen würden!" erzählte Anna der Gruppe um sie herum. Seit Wochen schien sie es zu genießen, allen zu erzählen, dass sie und Lukas nach dem Abi zusammen weg gehen würden. Sie saß auf seinem Schoß und erzählte ihren Freunden von den Plänen. „Davon weiß ich ja noch gar nichts" unterbrach sie Lukas verwundert. „Babe, das war doch klar! Meine Eltern würden alles für mich tun! Und sie wollen nicht, dass wir in irgendeiner Bruchbude in Kreuzberg wohnen müssen!"  sagte sie und tätschelte ihm lächelnd den Kopf. Dann wandte sie sich wieder der Gruppe zu. Lukas nippte nachdenklich an seinem Glas. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, von jemandem finanziell abhängig zu sein. Er wollte sein Geld ehrlich verdienen und unabhängig sein. Außerdem hatte ihm Anna noch nicht sagen können, was sie dann beruflich machen wollte. Aber das wollte er jetzt nicht vor allen Leuten mit ihr besprechen. Trotzdem war er glücklich mit ihr, er würde alles tun um sie zufrieden zu stellen.

Auf dem Heimweg checkte er nebenbei sein Handy. Er hatte 4 entgangene Anrufe von Liz.  Anna, die im Gehen seine Hand hielt warf einen Blick auf sein Display. „Was will die denn schon wieder von dir?" fragte sie genervt. Verwirrt sah er sie an. „Ich dachte du magst sie?" „Hab ich nie gesagt!" antwortete sie missbilligend. „Aber ihr habt euch zum Shoppen getroffen. Du hast gesagt, sie wäre süß." „Ach Babe"  sagte sie und zündete sich eine Zigarette an. „Das hab ich dir zuliebe getan. Ich dachte, das arme Mädchen hat keine richtigen Freunde. Und dann noch diese angebliche Sache mit Stefan. Irgendwer musste doch mal für sie da sein. Scheinbar hat sie niemanden, sonst würde sie sich sowas doch nicht ausdenken." Lukas blieb abrupt stehen. So hatte er seine Freundin bisher nie reden hören. Und so betrunken war er nicht, dass er sich das alles nur einbildete. „Was meinst du mit „angebliche Sache"? Er wurde verurteilt!" Sie blieb ebenfalls stehen, drehte sich zu ihm um und verdrehte die Augen. „Ach bitte. Wenn man Stefan kennt, weiß man, dass er es eben etwas härter mag. Da muss man sich nicht so anstellen. Ganz ehrlich, sie hätte froh sein sollen, so einen Freund zu haben!  Viele Mädels in der Schule würden töten, um mit ihm ins Bett zu gehen!" Lukas merkte, wie sich ein Knoten in seinem Bauch gebildet hatte. Er liebte Anna, aber diese Seite an ihr kannte er nicht. Und eigentlich war sie ihm auch nicht recht. Sie legte ihren Kopf zur Seite, lächelte und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Komm, lass uns nach Hause gehen, ich bin müde." Als er sie erreicht hatte, nahm sie seine Hand und sagte „Babe, ich weiß, ihr seid befreundet. Aber ich bin deine Freundin. Wir ziehen zusammen nach Berlin. Vergiss nicht, wen du liebst." Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und zog ihn weiter in Richtung seines Zuhauses.

Als sie in seinem Bett lagen, schlief Anna schnell ein. Er lag noch lange wach und ließ sich das Gespräch durch den Kopf gehen. Er wurde einfach nicht schlau aus ihr. Warum war ihm diese Seite an ihr bisher nicht aufgefallen? Jeder anderen Person hätte er seine Meinung gesagt. Jetzt im Nachhinein ärgerte er sich, dass er nicht seinen Standpunkt klar gemacht hatte.

Am nächsten Morgen erwachte er von einem leisen Klopfen an seiner Zimmertür. „Lukas?"drang die Stimme seiner Mutter leise an seine Ohren, als sie ihren Kopf durch den Türspalt steckte. „Liz steht draußen." So leise wie möglich stand er auf, um Anna nicht zu wecken. Er zog sich eine Jogginghose und einen Hoodie über und schlurfte verschlafen nach unten.

Liz stand vor der Haustür und lief nervös auf und ab. „Hey Kleine" nuschelte er und fuhr sich durch seine zerzausten Haare. „Alles okay?" Sie blieb stehen und schaute ihm in die Augen. „Es gibt schlechte Neuigkeiten" sagte sie und kaute auf ihrer Unterlippe herum.

„Sollen wir uns irgendwie setzen oder willst du rein kommen?"fragte er sie und merkte, wie ihr Auf und Ab gehen ihn auch unruhig machte. Sie schüttelte den Kopf.

Erwartungsvoll hob er die Augenbrauen, unsicher, ob er etwas sagen sollte. „Meine Eltern... also mein Dad..." begann sie und atmete tief aus bevor sie fortfuhr. „Wir...gehen zurück nach England. Er hat da einen neuen Job."  Sie fingerte nervös an ihrem Reisverschluss herum.

Emotionslos starrte er sie an. Er hatte das Gefühl, so früh am Morgen noch keine klaren Gedanken zu fassen. „Okay..." sagte er langsam. Wieder blieb sie abrupt stehen und ihr Blick war eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Unverständnis. „Okay?!" platzte es aus ihr heraus und er konnte einen Anflug von Wut in ihrer Stimme erkennen. „Okay?! Das ist alles was du dazu sagst?"

Ihre Unterlippe zitterte und er war sich nicht sicher, ob die Tränen, die sich in ihren Augen formten eher Wut oder Trauer geschuldet waren.

Er zuckte die Achseln und versuchte sie zu beschwichtigen. „Was soll ich denn sagen, Liz? Das ist scheiße".

„Ich weiß nicht" entgegnete sie und schien sich mehr und mehr in Rage zu reden. „Du könntest irgendwas sagen wie „Ich will nicht, dass du gehst" oder „Ich würde dich vermissen"?"

Wortlos sah er sie an. Sie erwartete etwas von ihm, was er ihr nicht geben konnte.

„Lukas, verdammte Scheiße!"schrie sie ihn an. „Hör doch einmal auf, diese scheiß Maske zu tragen und sag, was du denkst!"

Als er immer noch nicht antwortete, sagte sie kaum hörbar -„Bitte..."

Die Tränen, die sich aufgebaut hatten, liefen ihr nun die Wangen hinunter.

Er stand angespannt im Türrahmen und wusste nicht, was er sagen sollte.

Sie starrten sich eine gefühlte Ewigkeit an, bis eine Stimme aus dem Haus die Stille durchschnitt. „Babe? Kommst du wieder kuscheln?"

Liz sah ihn an mit einer Mischung aus Enttäuschung und Schmerz.

Sie drehte sich um und ließ ihn hilflos zurück.

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