...

56 2 2
                                    

„Und Lukas bringt dich hinterher wieder nach Hause?"

Liz' Mutter stand in dem Türrahmen ihres Zimmers und schaute sie skeptisch an, während Liz gerade vor ihrem Kleiderschrank stand und Klamotten aussuchte.

„Ja, Mum. Du musst dir keine Sorgen machen".

„Schatz, du weißt doch warum ich nachfrage..." sagte sie und sah sie eindringlich an. „Ich mache mir immer Gedanken um dich."

„Ach Mutti..." sagte Liz, ging zu ihr herüber und nahm sie in den Arm. „Keine Angst. So dumm bin ich nicht nochmal. Wenn's nach mir geht, werd ich mir nie wieder einen Kerl suchen." Ihre Mutter gluckste. „Ich erinner' dich in ein paar Jahren nochmal dran."

Heute hatte Jule Geburtstag, es war Samstag und sie hatte zu einer Gartenparty eingeladen. Lukas holte Liz um 19 Uhr ab. „Bist du sicher, dass das warm genug ist?" fragte er sie, als sie zur Tür kam. Er musterte ihre Kombination aus Shirt, schwarzer, langer Strickjacke, Rock und zerschlissener Strumpfhose. Dazu trug sie ihre ausgelatschten Converse.

„Strobel, du klingst wie meine Mutter" sagte sie und rollte mit den Augen. „Keine Sorge, ich komme klar". „Okay..." sagte er und hob abwehrend die Hände. „Aber hey. Gefällt mir." Er deutete auf ihr  'System of a Down' Shirt.

„Kennst mich doch. Ich hab eben einen guten Geschmack" sagte sie und streckte ihm die Zunge entgegen.


Auf der Party war einiges los. Jule war, im Gegensatz zu Liz jemand, die gerne viele Menschen um sich hatte. Neben ihrem Freund war gefühlt die gesamte Klasse und viele aus Lukas' Jahrgang da. Es war ein angenehmer Abend, und obwohl es Ende Oktober war, stimmte auch die Temperatur. Es wurde gegrillt, getrunken, geraucht.

Liz bemerkte, wie gut es ihr tat, den Abend mal nicht Zuhause zu sitzen. Denn dort konnte es sehr laut werden, wenn man nur die eigenen Gedanken hörte. Sie hatte sich geschworen, das Erlebnis mit Stefan nicht Überhand gewinnen zu lassen. Was ihr mal mehr, mal weniger gut gelangte.

Jule, Liz und Lukas standen gerade gemeinsam am Lagerfeuer und hielten ihre Stockbrote in die Flammen, als noch zwei Gäste im Garten erschienen. Eine hübsche Brünette in Begleitung eines groß gewachsenen Jungen, der etwa Anfang 20 war. Sie schaute sich um, entdeckte, wonach sie gesucht hatte und kam lächelnd auf sie zu. „Hey, da seid ihr ja!" begrüßte sie die Gruppe und umarmte Jule. „Happy Birthday, Süße!". Als nächstes war Lukas an der Reihe. Zu ihrer Verblüffung sagte das Mädchen „Hey Babe" und küsste Lukas. Verwirrt sah Liz zu Jule, die ebenfalls überrascht die Augenbrauen gehoben hatte. „... und du musst Liz sein! Ich hab schon viel von dir gehört! Ich bin Anna!". Liz wurde ebenfalls umarmt. „Ich geh mir kurz was zu trinken holen, bin gleich wieder da!".

Stille. Lukas nippte an seinem Bier. Liz und Jule starrten ihn an. „Ähm... was ist?" fragt er, als er ihre Blicke bemerkte. „Hab ich irgendwas im Gesicht?"

„Ähm... Babe?" grinste Liz. „Was ist da los?!" „Du und Anna?" fragte Jule. „Dein Ernst?"

Er zuckte mit den Schultern. „Äh ja...was ist so schlimm daran?"

„Gar nichts!" sagte Liz. „Warum hast du es uns nicht erzählt?"

„Weiß nicht... ich schätze, weil ihr nie danach gefragt habt... Irgendwann hätte ich es schon erzählt."

„Oh man. Männer" lachte Jule. „Ihr seid so merkwürdig."

Auch wenn sie sich bislang nicht gekannt hatten, merkte Liz schnell, wie toll Anna war. Sie war klug, hatte einen super Humor und war nebenbei auch noch nett zu jedem. Sie und Lukas waren sehr harmonisch zusammen. Kein nerviges Pärchen, was nur aufeinander hockte und sich gegenseitig die Gesichter ableckte.

„Sag mal, wie krass gut passen die beiden eigentlich zusammen?" flüsterte Liz Jule in's Ohr. Sie nickte ihr zustimmend zu. Er wirkte glücklich und sie freute sich für ihren besten Freund.


Der Abend wurde später, die Musik lauter. Sie tanzten. Teilten sich einen Joint, den Anna's älterer Bruder Oliver mitgebracht hatte. Ein paar Gäste waren schon nach Hause gegangen. Andere hatten es mit dem Alkohol etwas übertrieben und lagen im Wohnzimmer auf dem Sofa oder wahlweise auf dem Boden. Liz hatte sich eine Gartenliege abseits der anderen ausgesucht. Sie hatte vorher nie Gras probiert und fühlte sich plötzlich sehr müde und angenehm träge. Sie lag da und schaute in den sternenklaren Himmel. Irgendwann bemerkte sie, wie jemand zu ihr kam und sich neben sie ins Gras setze. „Hey" sagte sie, als sie Lukas erkannte. „Hey. Alles gut bei dir?" Sie grinste ihn an und hob den Daumen. „Okay, ich seh schon..." Er legte eine Wolldecke über sie, die er mitgebracht hatte.

Einige Minuten schauten sie zusammen in den Himmel. Dann sagte Lukas leise - „Sag mal. Bist du mir böse?" Im Halbdunkel konnte sie sein Gesicht nur schemenhaft erkennen, aber er sah ernsthaft besorgt aus. „Was?" nuschelte sie. „Warum denn?" Er rupfte ein paar Grashalme aus dem Boden und zwirbelte diese zwischen den Fingern hin und her. „Na ja. Wegen Anna?" sagte er fragend und schaute zu ihr hoch. Sie grinste und er war sich nicht sicher, wieviel dem Joint geschuldet war, denn sie schien dabei durch ihn hindurch zu gucken. „Nein" kam es nach einer gefühlten Ewigkeit. „Ich find sie toll. Wenn ich lesbisch wäre, würd ich sie dir ausspannen". Er lachte. „Alles klar, Ma'am, für Sie kein Gras mehr". „Nein, wirklich!" Sie versuchte sich aufzusetzen, was eher in Zeitlupe und unbeholfen geschah. „Ihr passt super zusammen. Darf ich bitte deine Trauzeugin auf eurer Hochzeit sein?". Sie legte sich wieder zurück in die Polster und schloss die Augen. Ihr Gesichtsausdruck war entspannt und einen kurzen Augenblick schien es so, als sei sie eingeschlafen. Lukas lächelte und tätschelte ihre Hand, die schlaff von der Liege baumelte. „Okay, machen wir so".


Oliver brachte sie gegen 2 Uhr mit seinem Auto nach Hause. Anna und Lukas brachten Liz ins Haus und stellten sicher, dass sie ihr Bett fand. Gerade, als Anna sich über sie beugte, um sie zuzudecken, hob Liz die Hand und fasste ihr an die Schulter. Sie wirkte mittlerweile wieder etwas nüchterner. „Du wirst eine wunderschöne Braut!". Fragend sah Anna Lukas an, der nur lachte. „Ich erklär's dir später".


Als Liz am Sonntag erwachte, brauchte sie einige Minuten, bis ihr klar wurde, dass sie in ihrem eigenen Zimmer war. Sie setzte sich auf, bereute es jedoch direkt und ließ sich wieder in die Kissen fallen. Alles drehte sich und sie hatte starke Kopfschmerzen. „Das tu ich mir nie wieder an" murmelte sie und rieb sich verschlafen durchs Gesicht. Sie musste wieder eingeschlafen sein, denn wach wurde sie durch das Klopfen ihrer Mutter an der Zimmertür, die ihr verkündete, dass das Mittagessen fertig sei. Sie fand langsam auf die Beine, streckte sich und schaute im Vorbeigehen auf ihren aufgeklappten Laptop. Lukas hatte ihr bei MSN geschrieben.

09:56: „Hey Kleine. Ich hoffe du bist wieder unter den Lebenden?! Meld dich, wenn du ausgeschlafen bist. Anna ist völlig begeistert von dir und will dich so schnell wie möglich wiedersehen! Ihr müsst doch ihr Brautkleid zusammen aussuchen. ;-)"

Sie musste schmunzeln. An die Hochzeitssache erinnerte sie sich tatsächlich noch. Sie tippte 12:42: „Melde mich nach dem Mittagessen :-)" und ging hinunter zu ihren Eltern.

Stay in TouchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt