„Wollen wir Jeffrey noch bürsten oder gleich losgehen?", fragt Shivan. Neben ihm steht Jeffrey mit seinem roten Halfter, guckt mich gelangweilt an und kaut auf ein paar Halmen herum.
Ich zucke mit den Schultern. Es ist schön zu sehen, wie entspannt und erfreut Shivan direkt ist, aber ich weiß nicht, ob Tiere so mein Ding sind. Vor allem Lamas – mit Katzen könnte ich mich vielleicht eher anfreunden. Die kümmern sich um sich selbst und sind klein.
„Lass uns direkt losgehen", schlage ich vor, weil Shivan Jeffrey bestimmt führen wird und ich ihm dann nicht zu nah zu kommen brauche.
„Tja, Jeffrey, heute musst du strubbelig aus dem Haus gehen", sagt Shivan zu dem Lama und krault es mit der Hand kräftig an der Stirn, woraufhin es den Kopf absenkt und die Unterlippe hängen lässt, während es die Augen schließt.
Wir machen uns auf den Weg. Ich trotte hinter Shivan und Jeffrey die Straße hinunter, dann biegen wir aufs Feld ab. Ich laufe einfach, schaue mir weder die Gegend an, noch achte ich auf Jeffrey und Shivan. Bis ich schließlich gegen ihn pralle. Überrascht hebe ich den Kopf, während ich einen Schritt zurücktrete. Shivan ist stehengeblieben und sieht mich an.
„Du hast gar keine Lust, hier zu sein, oder?", fragt er.
„Doch", sage ich, aber ich höre selbst, wie wenig wahrheitsgetreu das klingt.
„Wir müssen keine Zeit zusammen verbringen. Weder mit Jeffrey noch bei mir noch sonst wie. Ich versteh ja, wie scheiße die Situation mit Syl gerade für dich ist – aber ich kann nichts dafür. Und ... ehrlich gesagt fühlt sich das gerade für mich nicht gut an."
Mein Herz klopft schneller. Meine eigenen Gedanken hallen in meinem Kopf wider. Wie ich darüber nachgedacht habe, ob Shivan ein Spinner ist, weil Syl das gesagt hat. Wie genervt ich die ganze Zeit davon bin, hier mit Jeffrey zu sein, weil ... Ja, wieso eigentlich? Weil Syl das nicht cool finden würde und ich irgendwie versuche, dass Syl mich wieder cool findet? Obwohl er gar nicht hier ist und mich nicht sehen kann und es wahrscheinlich ohnehin nichts ändern würde?
„Tut mir leid. Ich ... Du hast recht." Ich sollte aufhören, auch noch den letzten Freund zu vergraulen, den ich habe. Wir sind hier, weil Shivan mir was Gutes tun wollte. Weil er mich aufheitern möchte. Und ich versuche nicht mal, Spaß daran zu haben.
„Wenn du lieber zuhause sein möchtest, ist das okay. Ich versteh das. Aber dann sag's mir ... Ich möchte mich nicht so fühlen, als würde ich dich zu irgendwas drängen." Er sieht mir in die Augen und sein Blick zeigt, wie verletzlich er ist. Gestern erst hat er mir davon erzählt, wie er von seinen Freunden hängen gelassen wurde. Ich möchte ihn nicht genau so verletzen, denn ich mag ihn ja. Ich hab nur das Gefühl, ich lasse mich von den Meinungen irgendwelcher anderen Leute beeinflussen. Dabei ist Shivan eigentlich ziemlich cool, oder nicht?
„Es tut mir leid. Ich möchte hier sein und ..." Ich schlucke. „Und es ..."
„Ja?"
„Ist schön, dass du für mich da bist", murmle ich leise. Wieso? Habe ich immer noch Angst, er lacht gleich über mich? Sagt mir, dass er mich doch nur verarscht? Es ist so verdammt abstrus. Shivan hat mir doch gerade erst seine Gefühle verraten – wieso fällt es mir so schwer, über meine eigenen zu reden?
Shivan nickt langsam. Er sieht mich an und dann auf den Boden, als ich meinen Blick hebe.
„Wirklich." Ich überwinde mich, an ihn heranzutreten und seine Hand zu greifen. In der rechten hält er Jeffreys Strick – der hat den Kopf gesenkt und rupft Gras aus dem Boden – und um die linke schlinge ich jetzt meine Finger.
Shivan hebt den Kopf wieder, sieht kurz auf unsere Finger, dann mich an. Ein kleines Lächeln umspielt meine Lippen und mein Herz klopft ein wenig schneller, als sich unsere Blicke treffen. Ich sollte nicht nur seinetwegen aufhören, die ganze Zeit an Syl zu denken und mir Vorwürfe zu machen, sondern auch meinetwegen. Denn das hier mit uns ist etwas, von dem ich dachte, dass ich es erst in vielen Jahren erleben würde. Vielleicht auch nie. Und das würde Syl mir doch auch gönnen, oder?
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Im Internet gibt es keine Frauen
Teen FictionIm Internet gibt es keine Frauen. Das ist allgemeingültiges Wissen und auch Denny, der leidenschaftliche Call of Duty-Spieler, ist sich dessen bewusst. Aber als er online die geheimnisvolle MissMolotov kennenlernt, wirft er alle guten Vorsätze über...