„Hey, Denny", begrüßte Shivan mich und bereits seine entspannte Art zu reden ließ etwas in mir zur Ruhe kommen. „Ist alles in Ordnung?"
„Nein", sagte ich wahrheitsgemäß. „Nein."
„Was ist los?"
Ich hatte das Gefühl, dass Shivans ganze Aufmerksamkeit in diesem Augenblick nur mir gehörte. Dabei war es Syl, der Beistand bräuchte.
Ich nahm das Handy kurz von meinem Ohr, um zu überprüfen, ob er mir inzwischen geantwortet oder wenigstens die Nachrichten gelesen hatte.
Hatte er nicht.
„Denny?", fragte Shivan besorgt.
„Ach, weißt du ... Syl, mein bester Freund, und ich gehen manchmal in den Wald und schießen mit Luftgewehren auf Dosen", erzählte ich. Erst in diesem Moment wurde mir klar, wie wenig ich bisher über mich und mein Leben preisgegeben hatte, während ich über Shivan schon einiges wusste. Ich kannte seine Familie und seine Hobbys, wusste, wo sein bester Freund wohnte und dass dessen Familie Lamas züchtete.
Aber was wusste Shivan von mir?
„Klingt cool", sagte er in meiner Denkpause.
„Ja, ist es auch. Aber heute kam so'n Förster und hat die Polizei gerufen, weil wir die Gewehre noch gar nicht haben dürfen."
Meine Stimme wurde leiser zum Ende hin, ich stockte. Jetzt musste ich nicht nur vor mir zugeben, der größte Feigling überhaupt zu sein, sondern auch vor Shivan.
Verdammt.
„Fuck ... habt ihr Ärger bekommen?"
Ich zuckte mit den Schultern und besann mich dann darauf, dass Shivan das ja gar nicht sehen konnte. Außerdem bemerkte ich, dass mein vergessener Charakter gerade zum wiederholten Mal gekillt worden war und verließ das Spiel. Leise, fast unvernehmlich und vor der Tür garantiert nicht zu hören, klang die Menümusik aus den Boxen.
„Die Polizisten haben uns mitgenommen und unsere Eltern angerufen, damit die uns abholen. Syl hat ... na ja, er hat die halt überzeugt, dass es seine Waffen sind. Stimmt ja auch, aber ... Mann, ich hab's nicht geschafft irgendwas für ihn zu tun. Ihn da raus zuhauen, weißt du?"
Ich drehte den Controller in meiner Hand, spürte die Schuld schwer wie einen Stein auf meiner Brust liegen.
„Mach dir keine Vorwürfe, du hättest gar nichts tun können. Die werden ermitteln und dann werden die herausfinden, dass die Waffen ihm gehören. Scheiße ... das tut mir verdammt Leid. Wie geht's deinem Kumpel, ist er Zuhause? War deine Mutter sehr sauer?"
Natürlich war sie das. Ausgerastet war sie, den ganzen Weg von der Wache nach Hause hatte sie genutzt, um mich anzuschnauzen. Den Kontakt zu Syl wollte sie mir verbieten, wie ich es befürchtet hatte, aber an dieser Stelle hatte ich den Schlussstrich gezogen.
„Nein!", hatte ich gesagt und sie von der Seite angesehen. Die feinen Falten in ihrem Gesicht betrachtet, in die sich Reste ihres Make-Ups gelegt hatten, ihren Blick, der für eine Sekunde von der Straße zu mir huschte.
„Nein?", hatte sie wiederholt.
„Nein", hatte ich bestätigt. „Ich lasse mir von dir nicht vorschreiben mit wem ich meine Zeit verbringe. Du wirst mir den Kontakt zu Syl niemals verbieten, hörst du? Niemals. Er ist mein bester Freund und gerade jetzt braucht er mich!"
„Er hat sich den Ärger doch selbst zuzuschreiben. Was fällt ihm eigentlich ein meinen Sohn da mit reinzuziehen?"
„Lass es, Mama. Lass es oder ich steige hier und jetzt auf der Stelle aus!"
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Im Internet gibt es keine Frauen
Ficção AdolescenteIm Internet gibt es keine Frauen. Das ist allgemeingültiges Wissen und auch Denny, der leidenschaftliche Call of Duty-Spieler, ist sich dessen bewusst. Aber als er online die geheimnisvolle MissMolotov kennenlernt, wirft er alle guten Vorsätze über...