Kapitel 8

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„Ein einziger Haufen Scherben, in welchen ich auch nach zwei Jahren noch hineintrete".

Vivienne's Sicht:

Mittlerweile vergingen ein paar Tage.
Ich ging brav weiter zur Schule, wie die Wette mit meinem Onkel es verlangte und ließ mich auf keine weiteren Streitereien mit Maxi ein.
Ich würde lügen, würde ich sagen mir ginge es gut, denn das war nicht der Fall.
Ich fühlte mich leer, teilweise verlassen. Mein Gefühlschaos hatte einen Ursprung, dass war mir Bewusst. Dennoch rappelte ich mich auf, zog mich um und machte mich auf den Weg zur Schule. Meine Motivation war einigermaßen vorhanden, denn es war Freitag.
Es war der erste Tag an dem ich allein zur Schule gehen durfte. Hadschi streckte mir nach den letzten Tagen sein vollstes Vertrauen entgegen, was ich ihm hoch abrechnete. Besonders in der letzten Zeit und mit dem was einmal war.
Ich fühlte mich auf irgendeine unbeschreibliche Art und Weise frei und war keinem Zwang unterworfen.
Ich konnte von weitem Lelia erkennen, welche erstmalig seit ich sie kannte alleine, ohne die Kerle vor dem Schulgelände stand.
Sie und Markus trennten sich, dennoch krallten sich beide an der noch übergebliebenen Hoffnung ihrer Liebe zueinander fest. Sie meinte es sei der richtige Weg und würde damit besser klar kommen, als dauerhaftem Stress ausgesetzt zu sein. Beide zusammen verbrachten etwas über zwei Jahre miteinander, was erstaunlich lang für unser Alter war.
Ich war mir ziemlich sicher, dass beide noch einmal zusammen finden werden.
Warum beide beschlossen getrennte Wege zu gehen?
Lelia und Markus wussten den Grund mit Sicherheit selbst nicht. Es war allein der Stress, den sich beide machten.
„Wie geht es dir?", fragte ich Lelia. Die Antwort konnte ich mir dennoch selbst bilden.
„Ich komme klar damit".
Nein Lelia, mit Sicherheit nicht.
Ich nickte, denn ihr zu unterstellen es nicht zu tun, würde alles nur schwerer machen. Ich sprach schließlich aus Erfahrung.
Ihr fehlte ein wichtiger Teil ihres Herzens, dass bemerkte man sofort.
„Gehen wir rein?", durchbrach sie die Stille und deutete auf das Schultor, welches uns zum Gebäude führte.
Ich folgte ihr einfach, stillschweigend.
Ich liebte Lelia, doch im Moment fühlte ich mich angegriffen. Sie konnte das, was ich niemals geschafft hätte. Mit tiefsitzendem Schmerz umgehen.
Sie verhielt sich ruhig, übertrug ihr Leid nicht an ihrem Äußeren und veränderte ihre großartigen Eigenschaften nicht.
Mein egozentrischer Dämon kontrollierte mich und ließ Eifersucht ausgerechnet an dem Menschen zu, welcher in jeder Lebenslage zu mir hielt.
Ich blickte hinab, betrachtete meinen Körper und konnte nicht mehr als elend erkennen. Die Netzstrumpfhose, das zerrissene schwarze T-Shirt und meine halb durchlöcherte Jeans waren ein Symbol, welches ich mir und meiner Trauer setzte.
Ich fühlte mich wohl, dennoch wusste ich dass der Stil aus meiner Nichtenden wollenden Phase entsprang.

„Halt Stop! Wartet!", schrie eine männliche Stimme, welche in meinem Kopf eher einen Schleier hinterließ.
Zu lange war es her.
Ruckartig drehte Lelia sich um, während ich diesen Vorgang eher quälend tat.
„Was gibt's, Juli?", grinste Lelia dem Streuner entgegen.
Diese Stimme nahm ich zuletzt an dem Tag, der mein gesamtes Leben änderte, wahr.
„Ich wollte euch beide einladen! Ich plane für heute Abend eine Party!", berichtete er uns stolz.
Ich musste nicht lang überlegen, schließlich hatte ich etwas besseres vor, Florentine kam zu mir.
Ich hatte die Woche, welche sich wie Kaugummi in die Länge zog, endlich bestanden.
„Es tut mir Leid, aber ich fühle mich einfach noch nicht bereit dazu", stammelte Lelia und sah Juli entschuldigend an.
„Das verstehe ich!".
Sie hatte den Rückenwind von allen erdenklichen Seiten. Die Frage warum ich dies nicht hatte, schoss mir sofort in den Kopf.
„Kann ich mit dir rechnen?", lächelte er mir aufmunternd zu.
„Ich denke eher weniger. Ich bekomme heute noch Besuch von jemandem"-
„Umso mehr Leute, umso besser!", versuchte er mich davon zu überzeugen es sei die richtige Entscheidung.
Ich wusste noch nicht einmal was Florentine überhaupt von der Einladung halten würde, geschweige denn würde ich zusagen.
„Hör zu. Ich möchte dir nicht zu nah treten, keiner möchte das. Aber ein Gespräch zwischen uns beiden ist noch fällig und es hinauszuzögern bringt nicht viel".
Seit ich wieder hier war, spielte ich den Fußabtreter für alle.
Mein im Moment so vorlautes Mundwerk, hatte keine Munition mehr.
Hilfesuchend sah ich zu Lelia.
„Du kannst ruhig gehen. Ich freue mich für dich!" , sagte sie und warf mir ein ehrliches Lächeln zu. Natürlich freute sie sich für mich, schließlich konnte ich mich somit nicht mehr isolieren.
„Dann wäre das geklärt. Heute Abend, 20 Uhr bei Markus Zuhause", sagte er. Noch bevor ich einklagen konnte, drehte er sich herum und verschwand in dem leeren Gang.
Ich stöhnte genervt auf und widmete meinen Nerven strapazierenden Blick allein Lelia.
„Bitte geh dahin und hab Spaß. Ich freue mich so sehr für dich!".
Dieser Teil in mir, welcher Lelia als beste Freundin anerkannte, ließ Mitleid zu.
Ich unterdrückte sämtlichen Neid und die aufsteigende Wut.
„Ich lass mir das nochmal durch den Kopf gehen", zischte ich und verschwand mit ihr an meiner Seite in den Unterricht.
-
„Soll ich deine Koffer nehmen?", drang nur leise die Stimme meines Onkels zu mir hindurch. Ich konnte ihn nicht ganz Wahrnehmen, denn ich lag in Florentine's Armen. Ich vermisste sie, ehrlich.
Sie stand hinter mir, als ich fliehen wollte, doch mir der Mut dazu fehlte.
Nun stand sie hier. Ihre kastanienbraunen Haare steckte sie mit einer Haarklammer zurück, während ein paar Strähnen hinaus hingen.
„Ich freue mich so sehr", freute ich mich umso mehr ihre vertraute Stimme wieder zu hören.

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