Kapitel 9

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„Wie kannst du noch weiter auf ihren Gefühlen herumtrampeln, als wäre es Müll! Du hast sie mal geliebt!"

Vivienne's Sicht:

Ich fixierte mich auf den Becher in meiner Hand, die Leute welche vor mir standen und sich unterhielten und gelegentlich ein Lied im Chor laut mitschrien.
Mein Kopf dröhnte und war mir sicher es lag nicht dem alkoholischen Getränk in meiner Rechten.
Schleichend wandte sich mein Blick zu Markus, welcher eine Bierflasche nach der nächsten Köpfte. Er konnte kaum noch stehen, versuchte jedoch auf Toilette zu wackeln und stolperte dabei ein paar mal über seine eigenen Füße.
Ich kannte Markus bei weitem nicht so gut wie die anderen, doch wenn ich eines über ihn wusste, dann dass er sich niemals so betrinken würde, wenn es ihm blendend ginge.
Trennungsschmerz- nicht endend wollend, wahrhaftige Sehnsucht und das einzige was bleiben würde, wären Verlustängste.
Das er sich betrank war das harmloseste was er hätte anstellen können.
Nicht jeder muss übertreiben, schließlich war ich einen ganzen entscheidenden Zacken schärfer.
Trotzdem sorgte sich ein kleiner Teil in mir um ihn, da ich ihn eben so nicht kannte.
Ich stand auf und drängelte mir einen Weg durch die Menschen um das Badezimmer erreichen zu können.
Durch meinen Kopf zog sich ein stechender Schmerz und alles in mir schrie nach frischer Luft. Dennoch fixierte ich mich auf den Weg, welchen ich einschlug.
Zu allem übel stand ein anscheinend ebenfalls besorgter Maxi vor der Badezimmertür und hämmerte wie ein irrer dagegen.
Ich unterdrückte die aufsteigenden Emotionen, sei es Wut, Trauer oder der Verlust an dem was ich verlor. Ich kam für Markus hierher nicht für den Kotzbrocken in Jeans und Hemd.
„Ist er da drin?", fragte ich sachte an.
Geschockt sah er auf und auch rasch wieder hinab.
„Ja. Er kotzt sich die Seele aus dem Leib", murmelte er. Er klang ruhig, nicht vorhaltend oder sauer, eher so als würde er Hilfe gebrauchen.
„Markus! Mach die Tür auf!", klopfte nun auch ich an, bekam jedoch nur ein ekelerregendes Würgen als Antwort.
„Ich hab es schon probiert. Mehr als das wirst du nicht bekommen", feixte er.
Die Spannung zwischen uns war seltsam angenehm, fürs erste.
Ich erinnere mich nur ungern an letzte Woche, als wir uns diese bitterbösen Worte an den Kopf warfen.
„Markus!", schrie nun auch Maxi. Tatsächlich ging in diesem Moment die weiße Holztür auf, jedoch hing Markus nun total überfordert daran und drohte jeden Moment auf den Boden zu sacken.
Ich versuchte augenblicklich ihn zu stützen, welche Aufgabe mir Maxi ohne zu zögern abnahm.
„Geh ein Glas Wasser holen!", befahl er, was ich ausnahmsweise auch sofort tat. Sei es reine Höflichkeit, denn Wut auf ihn hatte ich noch immer. Das konnte mir auch keiner nehmen.
Ich schnappte mir den ersten der Jungs den ich erkennen konnte, was zu meinem Glück sogar Juli war.
„Kannst du mir ein Glas Wasser bringen? Ich kenne mich hier absolut nicht aus", sagte ich hastig.
Ohne weiter nachzufragen machte er sich auf den Weg und gab mir zu verstehen kurz zu warten.
Ich sah mich derweil ein wenig im Flur um und bewunderte die zahlreichen Gemälde, welche die bordeauxroten Wände zierten.
Ich erkannte nur wenige, da klassische Kunst mir noch nie lag.
Im großen und Ganzen war das Haus von Markus und seinen Eltern wirklich edel eingerichtet und dennoch gab es das gemütliche wieder.
„Hier! Das wirst du gebrauchen", zwinkerte mir Juli zu, als wüsste er genaustens was geschah und drückte mir außerdem Glas Wasser zusätzlich noch zwei Becher in die Hand. Ich konnte nicht entziffern was sich darin befand, aber der starke Geruch von Alkohol stieg mir sofort in die Nase. Es würde meine Kopfschmerzen nicht verschwinden lassen, dennoch den Gedanken mit Maxi in einem Raum gefesselt zu sein.
Ich betrat das Badezimmer und sah Markus, welcher in einer Ecke neben der Toilette zusammengeknautscht saß. Maxi saß auf dem Badewannenrand und verbarg sein Gesicht in seinen beiden Händen.
Prächtige Party!
Ich stellte die beiden Becher gefüllt mit irgendeinem Alkoholischen Meisterwerk auf die weiße hölzerne Kommode neben mir und schloss die Tür.
Sofort trat ich zu Markus, reichte ihm das Glas Wasser und hockte mich vor ihn um eine Hand auf seiner Schulter ruhen zu lassen.
„So friedlich kennt man dich gar nicht mehr!", lallte Markus und nippte an dem Glas in seiner Hand.
„Fühl dich geehrt", huschte es mir von den Lippen, während ich ihm brüderlich auf die Schultern klopfte.
„Du bist ein kleines Biest geworden. Stimmt doch! Oder Maxi?", sah er nun hinüber zu seinem Freund, welcher sein Gesicht nun ihm zuwandte und nur grinste.
Dieses gottverdammte Grinsen, brachte mein Herz förmlich zum aussetzen. Der Schmerz quoll auf und ich konnte es nicht stoppen, gerade noch unterdrücken.
Markus trank einen kräftigen Schluck nach dem nächsten.
„Wisst ihr was lustig ist?", lachte der betrunkene sich schon fast selbst aus.
„Jetzt kommt's", nuschelte Maxi und sah erwartungsvoll zu Markus.
„Du sitzt mit deiner Ex Freundin im Badezimmer fest, während deine feste Freundin draußen steht und auf dich wartet!", lachte er sich Krumm.
Maxi's Gesichtsausdruck wirkte genervt und auch meine Laune besserte sich nicht unbedingt. Im Gegenteil.
„Lass gut sein", vermittelte ich ihm, jedoch war er zu betrunken um meine Andeutung überhaupt zu verstehen.
Am liebsten hätte ich zurückgeworfen – Hey, rate mal wer sich hier jämmerlich betrinkt weil seine zweijährige Beziehung eben den Bach hinunter ging.
Ich verkniff es mir, er hätte es entweder nicht verstanden oder einen plötzlichen emotionalen Ausbruch bekommen. Daran wollte ich nicht Schuld sein.
Ich sah wie gedemütigt Maxi sich in diesem Moment fühlte, soweit kannte ich ihn. „Geh raus. Ich komm alleine Klar mit ihm!", versicherte ich ihm, doch er blieb stur.
„Nein. Schon gut", gab er wieder.
„Der braucht eine Pause von seiner Flamme", mischte sich nun Markus ein. Mehr als einen bitterbösen Blick bekam er jedoch nicht.
Ich wollte nett sein ohne Hintergedanken und reichte Maxi einen der beiden Becher, welche Juli mir mit auf den Weg gab.
„Danke", nuschelte er und nahm den Becher entgegen.
Ich gesellte mich derweil in die Ecke des Bades, welche Markus' direkt gegenüber lag. Nun saßen wir verteilt im Raum und bildeten mit unseren Abständen schon fast ein rechtwinkliges Dreieck.
Ich führte zu meinem Glück meine kleine Handtasche mit mir und kramte darin, ob ich nicht noch eine Tablette gegen meinen dröhnenden Schädel fand.
„Was suchst du? Zigaretten oder Drogen?", zischte Markus und sah mich abwertend an.
„Weder noch".
„Bei dir weiß man nie", fügte Markus hinzu.
Entschuldige, stand er nicht vorhin noch auf meiner Seite und verstand mich?!

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