In der Heimat, weit, weit weg, liegen die Herrscher in kaltem Dreck.
In Twos erwartet sie viel Leid. Es herrscht der Krieg, seit langer Zeit.
Richtet euren Blick gen Westen, bringt sie dorthin, wo Drosseln nesten.
Tag oder Nacht - es gehört allem Bösen. Nur die Spinne kann euch erlösen.~Sabrina~
1. Haluk 80'024 ☼IV – Ertrunkener Wald, Keo, TwosBenommen erwachte Sabrina. Sie hatte Schmerzen im Nacken. Hinzu kam, dass es bitterkalt war. Sie blinzelte und ihre Wimpern strichen über einen engmaschigen Stoff. Als sie sich rührte, um sich von dem ohne Zweifel gefrorenen Boden zu stemmen, spürte sie fasrige Seile in ihre Hand- und Fussgelenke schneiden. Ihre Verwirrung wich der Angst. Was war geschehen? Wo war Mile? Und warum war sie gefesselt? Der Geruch von Rauch und gebratenem Fleisch stieg ihr in die Nase. Nun bemerkte sie auch das Knistern eines kleinen Feuers und das Brutzeln von Fett in einer Pfanne. Und ein Summen; das Lied einer sanften Frauenstimme. Das Blut begann in ihren Ohren zu rauschen. Wo war sie? Es war hier viel zu kalt für Mitte Juni. Hatte sie nicht gerade noch mit Mile im Auto gesessen? Verflucht, sie konnte sich nicht erinnern! Sie stöhnte, als es ihr endlich gelang, sich aufzusetzen und da verstummte das Summen.
»Hallo?«, fragte Sabrina unsicher und blinzelte angestrengt, wobei ihre Wimpern wieder unangenehm über Stoff strichen. »Ist da wer?«
Etwas scharrte über den Boden, Schritte traten heran, dann raunte die Frauenstimme vor ihr: »Wer bist du?«
Sabrina zuckte zurück und prallte mit dem Rücken gegen eine Wand, die sich wie nasser Fels anfühlte. »W-wer bist du? Mach mich los!« Panisch wand sie sich in ihren Fesseln. Als sie gepackt und festgehalten wurde, wehrte sie sich nur noch heftiger. Doch der fremde Griff war wie ein Schraubstock und presste sie an die Wand. Sabrina versuchte, zu treten und zu schlagen, doch ihre Fesseln sassen zu stramm und die rauen Hanfseile schnitten ihr schmerzhaft ins Fleisch. Also begann sie um Hilfe zu rufen.
Sofort presste sich eine Hand auf ihren Mund. Sie schmeckte Erde und Asche und wollte zubeissen, da riss ihr jemand die Augenbinde vom Kopf. Geblendet von dem gleissend hellen Licht musste Sabrina die Lider zusammenkneifen.
»Ruhe! Oder willst du uns umbringen?!«, zischte die Stimme, deren Besitzerin langsam Gestalt annahm, während Sabrina sich blinzelnd an die Helligkeit gewöhnte. Erst nur ihr schlanker Schemen, der Umriss ihres lockigen Haars, dann Details wie... Erneut stiess Sabrina gegen den Felsen hinter ihr, als sie die Augen der Fremden sah. Ihre Iriden waren silbern, fast schon weiss.
Die junge Frau, die Sabrina auf Anfang 20 schätzte, hob die Brauen. Dann trat sie befremdet zurück und wandte sich um, wobei ihr langer, roter Umhang gefährlich nah an einem Lagerfeuer vorbeischwang. Erst jetzt wurde Sabrina auf die seltsame Kleidung ihrer Kidnapperin aufmerksam: Mehr als altmodisch, eher mittelalterlich. Unter einem roten Samtumhang trug sie mehrere Schichten Wollhemden, darüber eine gefütterte, ärmellose Tunika, ein Paar abgetragene Stiefel an den Füssen und eine dunkle Lederhose. Ihre Hände steckten in Handschuhen aus demselben auffällig roten Samt wie ihr Umhang. An ihrem Gürtel hing ein langes, schlankes, in einer verzierten Scheide steckendes Schwert.
Gern hätte Sabrina sich über die Augen gerieben. War das wieder eine ihrer Psychosen? Oder gar einer ihrer Träume? Doch als sie sich umblickte, fand sie sich nicht in der Starre wieder. Sie befanden sich in einer Höhle, die aus dem Wurzel- und Erdgeflecht eines umgestürzten Baumes bestand. Vor dem Höhleneingang lag eine Lichtung, bedeckt von einer hohen Schneedecke und umgeben von einem modrigen Bruchwald. Sabrina liess ihren Blick durch ihren behelfsmässigen Unterstand gleiten. Der entwurzelte Baum musste riesig gewesen sein, denn seine Wurzelhöhle hätte Platz für einen Kleinwagen geboten. Fast wirkte es, als wäre nicht der Baum gefallen, sondern etwas darunter eingestürzt. - Die hintere Wand der Höhle war von Geröll verschüttet. Dann erblickte Sabrina die beiden Rucksäcke, die neben dem Geröll standen. Aus einem davon ragte ein Skateboard. ›Mile! Er muss hier irgendwo sein!‹
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Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter - Neue Fassung (3)
FantasyAls die Herrscher Twos verliessen, kein Ende nahm das Blutvergiessen. Wohin kein Blick der Spinne fällt, ihr Versteck in andrer Welt. Wo alle acht der Augen blind, geboren wurde Kind um Kind. Alle Herrscher, dort verschollen. Kein Respekt dem Schick...