18 Sätze

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Silas starrt entsetzt auf seinen Bildschirm, auf dem eine Nachricht nach der anderen auftaucht.

Während Melvin als Lehrer an einer Berufsschule unterrichtet, ist Silas als Mitarbeiter im Einkauf einer Großhandelskette beschäftigt.

Da er für viele verschiedene Standorte zuständig ist, die er auch gelegentlich besichtigen muss, hat er außerhalb der Dienstreisen den Luxus eines Heimarbeitsplatzes.

Heute jedoch fragt Silas sich besorgt, ob es nicht doch besser für ihn wäre, müsste er sich selbst durch das Schneechaos in ein Büro durchkämpfen, statt mit eigenen Augen zu beobachten, wie das Chaos auf dem Bildschirm seinen Lauf nimmt.

Als sich sein E-Mail-Programm und der firmeninterne Chat beruhigt haben, zeigt eine hohe dreistellige Zahl die Menge der Nachrichten an, was den sonst unreligiösen Silas dazu veranlasst, sich spontan zu bekreuzigen.

Wie Sylvester Stallone in einem seiner frühen Actionfilme dehnt er einmal seinen Nacken, lässt seine Finger knacken und setzt sich sein Headset auf.

„Dann mal auf in den Kampf", murmelt er zu sich selbst, bevor er den ersten von unzähligen Anrufen bei einem der Kunden startet.

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Drei Stunden später beendet Silas notgedrungen den vorerst letzten Anruf und sprintet ins Badezimmer, um seine prall gefüllte Blase zu entleeren.

Nachdem er seine Hände gewaschen hat, trinkt er kurzerhand ein paar Schlucke Wasser direkt aus dem Hahn, so trocken ist sein Mund.

Seit er heute Morgen den Computer gestartet hat, hat er quasi ununterbrochen geredet.

Es waren hauptsächlich Baumärkte, die weniger vom plötzlichen Winter- als vielmehr vom unerwarteten Kundeneinbruch überrascht worden waren.

Einige der vorsorglichen Kunden waren bereits am vergangenen Abend noch aufgebrochen, um Schneeschieber, Holz und Kohle zu kaufen, der Großteil jedoch war heute Morgen noch vor Beginn der Öffnungszeiten vor den Geschäften aufgeschlagen, die nun über leere Lager und dringenden Lieferbedarf klagen.

„Wenn demnächst auch noch ganz überraschend Lichterketten und Weihnachtskugeln bestellt werden, weil in zwei Wochen vollkommen unerwartet Weihnachten ist, kann jemand anderes diesen Job machen", knurrt Silas vor sich hin.

Bevor er zurück ins Arbeitszimmer geht, nimmt er sich eine Minute Zeit, um sich ans Wohnzimmerfenster zu stellen und nach draußen zu blicken.

Inzwischen ist es hell und der Himmel hat diese weiß-graue Farbe, die einen nicht einmal ahnen lässt, an welchem Punkt die Sonne sich verstecken könnte. Weiterhin fallen weiße Fussel vom Himmel, doch nun nicht mehr diese trägen, dicken Wattefetzen, sondern unzählige, kleine, schnelle Flöckchen, die dafür sorgen, dass wirklich jede Oberfläche draußen in dämpfendes Weiß gehüllt wird.

Silas seufzt, denn er weiß, dass er von der weißen Pracht nichts mehr sehen wird, wenn er das nächste Mal nach draußen schaut.

Sobald er sich zurück an den Schreibtisch begibt und das Headset aufsetzt, werden die Stunden wie im Flug vergehen und ehe er sich versieht, wird es Abend sein.

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