Kapitel 1

1.4K 28 2
                                    

Mein Kopf ist abwesend. Es sind 27 Grad, die Sonne ist unerbittlich. Dazu noch Mathe. Ich verstehe nichts. Der Lehrer kann nicht gut erklären und mir geht es gerade alles am Arsch vorbei. In vier Monaten ist die Abschlussprüfung, dann bin ich endlich raus aus diesem Affenhaus. Ich will ein Auslandsjahr machen und mir dabei überlegen, was ich studieren will. Zeit nehmen halt. In zwei Wochen ist die Abschlussfahrt. Darauf kann ich mich nur mäßig freuen. Klar man hat keine Schule und so, aber die Jungs werden wieder meinen, sie seien die tollsten und müssten sich beweisen. Und das gibt Ärger. Doof! Frau Rose und Herr Schäfer werden uns begleiten...

„Hallo? Ina??", höre ich plötzlich die Stimme von Herrn Beyer, unserem Mathelehrer. „Ja, wa- was ist denn?", stammel ich völlig überrascht. Mist! Ich hab mal wieder nicht zugehört, dabei läuft es jetzt schon nicht optimal. „Könntest du bitte die Aufgabe an der Tafel lösen", bittet mich Herr Beyer. „Ähm, nein?", erwidere ich, wohlwissend was das nach sich ziehen wird. „Du hast nicht zugehört oder Fräulein?", sagt Herr Beyer. Er ist schon von älterer Generation. „Nein", gebe ich resigniert zu. „Nun das muss besser werden! Es läuft ja nicht gerade optimal für dich!" Ein leises kichern geht von dem Zickentrio aus. Ich ärgere mich darüber. Als ob die die Aufgabe besser lösen könnten! „Nadja, was gibt es da zu lachen?", ertönt es von Herrn Beyer, „du kannst die Aufgabe für Ina lösen!" Die Schadenfreude macht sich schon in mir bemerkbar. Sie wird nur leider enttäuscht. Nadja kann die Aufgabe problemlos lösen. Maja sieht mitleidig zu mir herüber. Mein Hass auf Mathe und insbesondere Herrn Meyer haben sich grad verdreifacht. Auch weil ich mal neben Maja saß. Aber dann hatte Herr Beyer die grandiose Idee jede Woche eine neue Sitzordnung zu gestalten. Und Frau Rose hat dem ganzen Mist auch noch zugestimmt. Und so sitze ich jede Woche neben einem anderen Idioten. Gerade neben Ben. Er ist total begeistert, will immer jede Partnerarbeit mit mir machen. Meine Motivation hält sich in Grenzen. Endlich, das erlösende Klingeln. Jetzt noch eine dreiviertelstunde Kunst. Es gibt schlimmeres, aber wir kriegen einen Test zurück. Sozusagen als Vorprüfung für die Abschlussprüfung. Ich habs vermasselt, weiß ich jetzt schon. „Ich versteh den Mathekram auch nicht", reißt mich Maja aus meinen Gedanken. „Mmm", sage ich nur, „ich muss mal aufs Klo, Deo." „Ok, dann bis gleich!", sagt Maja noch, dann ist sie vom Schülerstrom verschluckt worden. Also einmal kurz aufs Klo, dort ist niemand. Puh, Glück gehabt! Danach geselle ich mich zu Maja, sie steht schon in der Ecke. Erstmal ist Stille, wir wissen nicht worüber wir reden sollen. Die wird auch erst durchbrochen als Majas Freund sich zu uns gesellt. „Na, hab dich vermisst", sagt er und gibt ihr einen Kuss. Dann sagt er: „Ich muss los, meine Kumpels warten!" und geht einfach. „Wegen der Klassenfahrt müssen wir aber noch ein bisschen planen", sagt Maja plötzlich. „Wieso?" „Ja was wir mitnehmen und so, immerhin gehts an die Nordsee." Die Abschlussfahrt geht nach Langeoog, für uns hier in Wiesbaden was komplett Neues. „Warum denn jetzt schon stressen deswegen?", murre ich, aber Maja lässt nicht mit sich reden. Sie will noch Bikinis anprobieren und und und. Ich bin momentan total abwesend und das liegt nicht nur an der Hitze. Mal wieder bin ich mit meinen Gedanken ganz woanders als Maja mich fragt: „Hörst du mir überhaupt zu?" „Sorry bin grad einfach nicht so fit." „Na schön, wer ist es?", fragt mich Maja sehr direkt. Mir ist klar was sie meint und mal wieder hat sie voll ins Schwarze getroffen. Frau Rose, unsere Klassenlehrerin, finde ich verdammt attraktiv. Natürlich sagte ich nichts und machte mir auch keine Gedanken drum. Aber ich versuchte halt irgendwie drauf klarzukommen, dass ich jemanden attraktiv fand, den ich nicht haben kann. Ich hätte mich wohler gefühlt wenn es einfach nur eine Schülerin gewesen wäre. „Ach niemand", redete ich um den heißen Brei. Maja öffnete gerade ihren Mund, um etwas zu erwiedern, da klingelte es. Ich machte mich schleunigst auf den Weg ins Klassenzimmer. Diese peinliche Unterhaltung konnte ganz schön schnell schief gehen.

Frau Schwartz knallte mir den Test vor die Nase. Alles auf der ersten Seite war mit rotem Korrekturstift versehen. Ich fragte mich warum ich verdammt nochmal Kunst nicht abgewählt hatte. Das hier könnte mir den Abschluss kosten. Ich guckte auf die letzte Seite - 5. Ich hatte es nicht anders erwartet. „Scheiße", fluchte ich innerlich. Maja hatte eine eins geschrieben. Sie hatte eine echte Begabung. Und wieder fragte ich mich warum ich in einem Kurs geblieben war, in dem ich nichts konnte. Kunst war einfach nicht meine Begabung. Ich war viel besser in Sprachen. 

Frau Schwartz erzählte an der Tafel von dieser Methode und von jener Methode und ich ließ mal wieder alles an mir vorbeischwirren. Zu sehr saß mir noch das Gespräch in der Pause mit Maja in den Knochen. Zum Glück wurde ich nicht drangenommen. Dann endlich die Klingel. Schulschluss. Ich verließ zwar das Schulgebäude, machte mich aber noch nicht auf den Weg zum Fahrradständer. Dort war es immer brechend voll und ich wollte in Ruhe mein Fahrrad holen. Ich stand also auf dem Schulhof, völlig in Gedanken versunken. Und so bemerkte ich Frau Rose nicht, die mich ansprach, wie denn mein Tag gewesen sei, ich würde so abwesend wirken. Ich schreckte hoch und sagte ich hätte eine fünf in Kunst zurückbekommen, ansonsten ganz gut. „Schönes Wochenende dir!", sagte Frau Rose und machte sich auf den Weg zum Lehrerparkplatz. Ich seufzte und machte mich auf den Weg zum Fahrrad. Das Wochenende benötigte ich jedenfalls dringend.

Zuhause angekommen machte ich mir Nudeln warm und setzte mich dann in den Garten. Meine Eltern waren arbeiten und Geschwister hatte ich nicht. Ich schaute auf die Uhr, es war um vier. Das gab mir die Challenge auf, was ich noch machen konnte. Zum surfen war es zu spät und lesen wollte ich auch nicht. Ich setzte mich vor den Fernseher und zappte durch die Programme. Hängen blieb ich an einer Dokumentation über die Weltmeere, Umweltverschmutzung etc.

Als sie fertig war, waren meine Eltern auch schon wieder da. „Und irgendetwas besonderes in der Schule?", fragte mein Vater. „Hab ne fünf im Kunsttest", erwiderte ich. „Das du auch Kunst nicht abgewählt hast", sagte meine Mutter kopfschüttelnt. Sie hielten sich meistens aus meinen Entscheidungen raus, vor allem was Schule betraf. Sie sagten immer es sei mein Leben und ich solle dafür entscheiden, das machen was mich glücklich macht.

Am Abend entschied ich mich dann doch dafür zu lesen. Ich suchte mir ein Buch und stöberte ein bisschen. 

Spiel mit dem FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt