Kapitel 15

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Ich schlug die Augen auf und blinzelte. Mein Rücken tat verdammt weh, und ich war eingepfercht zwischen zwei Hauswänden. Was machte ich eigentlich hier? Wie spät war es? Welcher Wochentag war es? Mit einem Schlag war alles wieder da: Toni hatte sich von mir getrennt, ich war in einem mir unbekannten Stadtteil. Als ich auf mein Handy guckte sah ich unglaublich viele Benachrichtigungen von allen: Meinen Eltern, Maja, sogar Toni hatte angerufen. Hatte ich es vielleicht doch übertrieben? Ich guckte auf mein Handydisplay. Mittwoch, 09:18 Uhr. Eigentlich müsste ich in der Schule sitzen. Eigentlich. Ich war immer noch viel zu aufgewühlt, um auch nur daran zu denken, nach Hause zu gehen. Plötzlich vibrierte mein Handy. Toni rief an?! Mein Herz schlug schneller. Sollte ich drangehen? Immerhin hatte sie mit mir Schluss gemacht. Meine Hand setzte sich in Bewegung und wischte nach rechts. „Toni?", krächzte ich heißer, „was willst du?" „Oh mein Gott, endlich gehst du dran. Wir machen uns alle tierische Sorgen! Wo steckst du?!" „Das spielt keine Rolle, du hast mit mir Schluss gemacht. Du brauchst also gar keine Fürsorge vorzuspielen", erwiderte ich kalt. „Ina, bitte", begann sie doch ich schnitt ihr das Wort ab. „Du wolltest es so, also heul jetzt nicht rum. Meine Eltern hassen mich bestimmt auch und verurteilen mich, weil ich mit dir zusammen war. Lass mich jetzt einfach", sagte ich und war im Begriff aufzulegen, da hörte ich Toni leise sagen: „Deine Eltern finden es gar nicht mehr so schlimm." „Was soll das heißen, nicht mehr", fragte ich misstrauisch. „Nun ja, als ich es ihnen erzählt hab, waren sie ganz schön sauer. Aber dann, als sie gemerkt haben wie weh es dir tat, dass wir uns getrennt haben, sind sie einsichtig geworden." „Du hast Schluss gemacht und mir damit mein Glück genommen. Also lass es." Damit legte ich auf und atmete tief durch. Tonis Worte geisterten mir immer wieder durch den Kopf. Würden meine Eltern uns beide auch unterstützen? Konnte das alles doch noch was werden? Aber sobald ich darüber nachdachte, schlichen sich die Zweifel wieder ein. Diese Beziehung hatte keine Zukunft, konnte nicht klappen. Ich stöhnte laut auf. Warum musste alles immer so kompliziert sein? Während ich ins grübeln geriet, knurrte mein Magen. Ich hatte verdammt großen Hunger, das fiel mir erst jetzt auf. Zu viel Aufregung... Murrend stand ich auf, klopfte mir die Erde von der Hose und suchte den nächstbesten Bäcker. Zum Glück hatte ich mir gestern morgen noch einen zwanziger eingesteckt. Mein Handy summte leise vor sich hin. Genervt zog ich es hervor. Meine Mutter. Nein danke dachte ich nur und steckte es in die Hosentasche zurück. Ich schenkte Tonis Worten keinen Glauben, meine Eltern redeten bestimmt die ganze Zeit nur über Missbrauch. So waren Erwachsene doch meistens. Zu prüde, zu verklemmt, um irgendetwas außerhalb der „Norm" zu akzeptieren. Eine Nachricht ging gerade ein: Geh doch bitte ran Ina! Wir müssen über deine Beziehung reden. Lustig, meine Beziehung. Ich schnaubte nur. Die hab ich ja nicht mehr, dank Erwachsenen. Und überhaupt glaubte ich dieser Freundlichkeit nicht - sie wollte mich einfach nur ans Telefon kriegen. Inzwischen dürfte Pause sein, in der Schule. Ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken dorthin wieder Fuß zu setzen. Jetzt war eh alles bald vorbei, ich musste noch die Woche aussitzen, dann war ich ein freier Mensch. Sozusagen. Plötzlich kamen unzählige Nachrichten und Anrufe von Maja. Klar sie hatte Pause. Ich atmete tief durch und nahm den Anruf an. „Hey", sagte ich nur, mir fiel nichts anderes ein. „Sag mal spinnst du? Einfach so schwänzen und Abends nicht nach Hause kommen? Du hast dir so viel Ärger eigehandelt. Und überhaupt: Was ist los?", überfiel sie mich mit Fragen. Scheinbar hatten meine Eltern dichtgehalten und es ihr nicht erzählt. In diesem Moment war ich den Beiden unendlich dankbar dafür. „Meine Freundin und ich, wir- wir- wir haben uns getrennt", flüsterte ich den Tränen nahe. „Was?! Wieso?! Ihr wart doch so glücklich", rief Maja erschrocken aus. „Waren wir auch, es ist nur so, dass sie...", ich stockte. Konnte ich es ihr wirklich erzählen? Mich verließ der Mut. „Sie was?", hakte Maja skeptisch nach. „Sie heißt Antonia Rose", beendete ich meinen Satz. Maja zog am anderen Ende der Leitung scharf die Luft ein. „Doch nicht etwa...", setzte sie zur Frage an, da schnitt ich ihr das Wort ab. „Ja unsere Klassenlehrerin verdammt!" Stille am anderen Ende der Leitung. Sie war sichtlich geschockt. „Warum ist sie heute nicht in der Schule?", wollte Maja plötzlich wissen. Diese Frage versetzte meinem Herz einen Stich. Es war für mich so schmerzhaft das Ereignis Revue passieren zu lassen. Ich atmete tief durch, dann sagte ich: „Weil wir beide erwischt wurden, von der Schleising." Maja zog nur scharf die Luft ein. Dann hörte ich im Hintergrund das Pausenklingeln. „Du musst los", sagte ich, „Bye!" Dann legte ich auf. Was ich nicht wusste war, dass Maja sich gerade zum Direktorin Zimmer begab. Und für mich und Frau Rose ein gutes Wort einlegte. Ein sehr gutes sogar.

Meinem Rücken erging es an diesem Morgen nicht besser - ich hatte auf einer Bank geschlafen. Ich schaute auf mein Handydisplay. 12 verpasste Anrufe von Toni. Hä?! Hatte ich was verpasst? Ich rief zurück. Man war ich nervös. „Hey, na endlich", hörte ich Toni zärtlich sagen und sofort begann mein Herz kräftig zu schlagen. „Was willst du?" Die Frage klang härter als ich beabsichtigt hatte. „Sorry", setzte ich noch nach. „Sag mir bitte endlich wo du bist", sagte sie genauso leise und zärtlich. „Ich wüsste nicht was das zur Sache tut. Du hast es beendet. Du wolltest nichts mehr von mir wissen." „Ina hör doch mal zu. Ich wollte es nicht beenden, ich musste, um mein Leben nicht komplett zu ruinieren. Willst du, dass ich im Knast lande?" „Nein", murmelte ich nur. „Kannst du bitte zu mir kommen? Ich will nicht mit dir am Telefon reden." Ihre Worte trafen mich unerwartet. Was sollte ich bei ihr in der Wohnung? Ich wollte nicht mit ihr in einem Raum sein müssen, zu sehr hatte mich noch die Trauer und die Wut des plötzlichen Endes gepackt. „Nein", antwortete ich bestimmt. Ich konnte das einfach nicht. „Du willst echt zu mir kommen, glaub mir", sagte Toni und ich glaubte ein Schmunzeln in ihrer Stimme zu hören. Ich verstand nur Bahnhof. „Nein will ich nicht", sagte ich und blieb stur. „Es hat was mit Maja zu tun", sagte Toni und weckte damit schlagartig mein Interesse. „Ist ihr was passiert?", fragte ich. „Nein, nein", versicherte Toni mir schnell, „sie hat ein Geschenk für dich bei mir abgegeben." Hä? Wieso ausgerechnet bei Toni? Obwohl ich es nicht gern zugab war meine Neugier geweckt. Ich rang mit mir selbst: Ich wollte keinen Kontakt mit meinen Eltern oder sonst irgendwem aus der Schule. Wenn ich zu Toni gehen würde, würde ich mich gerade zu in dieses Umfeld begeben. „Na, was ist jetzt?", hörte ich Tonis Stimme. Scheiße! Ich hatte ja ganz vergessen, dass sie noch am Hörer war. „Doofe Frage aber kann ich auch nachts kommen?", rutschte es mir heraus. Super Ina! Ich hätte mich selbst ohrfeigen können. Warum konnte ich auch nie den Mund halten? „Ja klar", sagte Toni nur, „ klingel einfach." Damit legte sie auf. Und ließ mich vollkommen verwirrt zurück. In meinem Kopf überschlug sich alles.

Spiel mit dem FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt