Kapitel 8

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Zu unserer Rückfahrt gibt es nicht besonders viel zu sagen. Wir nahmen die erste Fähre um 7:15 Uhr und dann lief alles so ab wie auf der Hinfahrt. Ankunft im Hauptbahnhof war ungefähr um 6. Eltern hatten sich versammelt, um ihre Kinder abzuholen. Ich verabschiedete mich von Maja, sie gehörte zu denen, die abgeholt wurden, und machte mich dann auf den Weg nach Hause. Etwa 20 Minuten zu Fuß. Ein Bus wäre Schwachsinn gewesen. Er dauerte viel länger. Außerdem kam mir der Fußmarsch gelegen, denn so konnte ich das Ganze nochmal Revue passieren. „Da ist ja unsere große Maus", rief Mama aus, sobald ich die Tür geöffnet hatte. „Komm her, lass dich drücken", sagte sie und gab mir erstmal eine Umarmung. „Und wie wars, du wirkst so nachdenklich." „Doch es war sehr gut. Liegt bestimmt nur daran, dass ich müde bin", sagte ich. „Ist ja auch anstrengend, so eine Fahrt. Komm rein ich hab Spaghetti gemacht", sagte sie, „dein Vater kommt in ca. einer halben Stunde." Es roch auch gut, aber ich hatte nicht wirklich Appetit. Ich entschloß mich für eine kleine Portion. „Du kannst schon mal den Koffer nach oben bringen, Essen gibts erst, wenn dein Vater da ist", sagte meine Mutter. „Ok, dann mach ich das", antwortete ich und ging zu meinem Koffer. Er war schon relativ schwer, ich musste mich anstrengen, um ihn die Treppen raufzubekommen. Die restliche Zeit war ich auf Tiktok. Mein Vater war weniger auf große Begrüßung getrimmt, für mich war das in diesem Moment goldwert. Ich sollte halt nur erzählen wie es war. Das war der Gesprächsstoff beim Abendessen. Ich sprang noch schnell unter die Dusche und packte flüchtig meinen Koffer aus. Dann fiel ich ins Bett und schlief wie ein Baby. Zum Glück hatte ich das Wochenende. Das nutzte ich nochmal zur Entspannung. Denn ab dann wollte ich hundertprozentig für die Schule da sein, Liebeskummer hin oder her.

Montagvormittag. Ich saß in Physik und versuchte den ganzen Kram an der Tafel zu verstehen. Englisch und Deutsch hatte ich bereits hinter mir. Oh je, das Zeug musste ich mir heute Nachmittag aber noch irgendwie angucken. Und heute hatte ich ja auch noch meine Schicht im Café. Ich seufzte.

Ich hatte nach der Schule nicht wirklich Lust auf etwas Warmes, deswegen holte ich mir stattdessen eine Brezel und Quarkbällchen vom Bäcker. Heute waren nette Kunden im Café. Gut so, denn meine Laune war heute sehr kurz gespannt und der Faden konnte jeden Moment reißen. Als die Schicht vorbei war, war ich total fertig. Der Tag heute hatte es mir wirklich gegeben. Vielleicht lag es auch daran, dass ich Frau Rose im Unterricht gehabt hatte. Ich beschloss jedenfalls, mich zuhause nicht an die Physik Hausaufgaben zu setzen, sondern an die Englisch Hausaufgabe. Die fiel mir deutlich leichter: Text übersetzen. Ich wollte ja erfolgreich sein. Für mich war das Ziel der Prüfungen: Ein guter Schnitt. Das war mir vor allem wichtig, weil ich noch nicht wusste was ich später mal werden möchte. Und so wollte ich mir die Möglichkeiten offen halten. In zwei Monaten sind die mündlichen Prüfungen und drei Wochen später die schriftlichen. Oh Gott. Mein Magen zieht sich jetzt schon zusammen. Deutsch Hausaufgaben schaffte ich an diesem Abend auch noch, dann ging aber wirklich gar nichts mehr. Ich setzte mich vor den Fernseher und zappte durch die Programme. Nichts interessantes. Ich wollte gerade wieder auf mein Zimmer gehen, da kam mein Vater nach Hause, keine 5 Minuten später auch meine Mutter. Wir aßen zusammen Abendbrot und ich ging dann auch, für meine Verhältnisse, früh schlafen.

Der Dienstag bescherte mir einen tollen Start in den Tag. Geschichte. Es war für mich ein absolutes Hassfach. Aber es war verpflichtend. Kann man eben nichts machen. Weiter ging es danach mit Latein, ich hatte es wegen einem möglichen Medizinstudium gewählt, und dann zum krönenden Abschluss noch Deutsch. In den Pausen stand ich mit Maja allein, Marvin war nicht da. Er war erkältet oder so. Nach der Schule, es war wie immer niemand da, machte ich mir Pfannkuchen und setzte mich dann an die Physikaufgaben. Beziehungsweise ich versuchte erstmal überhaupt die Technik zu verstehen, die ich dann brauchte um die Aufgabe zu lösen. Mit viel Mühe und Zeit und Erklärvideos schaffte ich es und mein Gehirn fühlte sich absolut leer an. Ich beschloss, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Glas O-Saft wäre und ging in die Küche, um mir eins einzuschenken. Gerade als ich oben in meinem Zimmer angekommen war, klingelte es. Warum nicht als ich unten war? Man weiß es nicht. Ich ging also genervt wieder die Treppe runter, in der Erwartung ein Paket anzunehmen und öffnete die Tür. Doch draußen stand kein Paketbote. Draußen stand Antonia. „Bist du allein", fragte sie. Ihre Stimme war leicht heißer, so wie eine Stimme klingt wenn man geweint hat oder kurz vorm Weinen ist. Ich nickte nur verwundert. „Darf ich?", fragte sie und wieder nickte ich nur. Was wollte sie? Mir erklären warum sie nichts von mir wollte? „Hör zu, ich... ich... ich hab unfassbar starke Gefühle für dich entwickelt, zu starke, als das ich sie zur Seite schieben kann. Ich will dich, egal was die Gesellschaft sagt, das ist mir klargeworden. Möchtest du mit mir in einer Beziehung sein?", fragte sie zärtlich. Ich spürte wie meine Augen feucht wurden, wie sich ein ungeheures Glücksgefühl in mir ausbreitete und wie die Schmetterlinge in meinem Bauch zu tanzen begannen. Kann ein Mensch glücklicher sein? In diesem Moment hätte ich die Frage mit nein beantwortet. „Komm her", flüsterte ich nur und begann sie zu küssen. Wir standen immer noch im Flur. „Wann kommen deine Eltern nach Hause?", unterbrach sie den Kuss. „So gegen um 6 wahrscheinlich", antwortete ich. „Also in guten zwei Stunden", stellte Antonia beruhigt fest. „Wir können auf mein Zimmer gehen", schlug ich vor und nahm ihre Hand, um sie auf mein Zimmer zu führen. „So hab ichs mir vorgestellt", sagte Toni nur. „Es ist für uns beide auf Dauer nicht sicher uns hier zu treffen. Wenn meine Eltern früher kommen, haben wir ein Problem", sagte ich. „Wir treffen uns in Zukunft bei mir", sagte Toni und schrieb mir ihre Adresse auf. Dann setzte sie sich zu mir auf Bett. Ich legte einen Arm um sie. Ihre Haare rochen gut, sie roch gut. „Hast du morgen Zeit?", fragte sie plötzlich und schaute mich an. „Morgen wollte ich eigentlich joggen gehen, aber ja ich könnte auch vorbeikommen", erwiderte ich. „Schön", sagte sie. Ihr lag ein Lächeln auf den Lippen und auch ich fühlte mich nach langer Zeit wieder glücklich. „Ich sollte aber wirklich los. Nicht das deine Eltern uns hier erwischen", sagte sie mit Blick auf die Uhr. Ich brachte sie zur Tür, gab ihr einen Abschiedskuss und sah ihr nach. Wie sie ins Auto stieg und davonfuhr. Gleich nachdem ich zurück in meinem Zimmer war schaute ich die Adresse nach. 5 km Entfenung. Das konnte ich ja joggen und so blieb ich meinen Eltern keine Erklärung schuldig. Perfekt. Ich freute mich unfassbar auf den morgigen Nachmittag. Ich war total aufgeregt und konnte auch noch gar nicht fassen was passiert war. Ich war ab heute in einer Beziehung mit meiner Geliebten. Ich versuchte noch die Lateinaufgabe zu machen, schaffte es aber nicht. Meine Gedanken und mein Hirn waren ganz woanders, nämlich auf Wolke sieben.

Spiel mit dem FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt