Kapitel 16

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Wir hatten uns keine Zeit ausgemacht. Also machte ich mich um kurz nach 11 auf den Weg zu ihr. Auf keinen Fall wollte ich erkannt werden oder mit irgendwem ins Gespräch kommen. Bestimmt lästerte die ganze Schule sich über mich ab. Ich schnaubte verächtlich. Sollten sie doch, ich hatte nicht vor nochmals Fuß auf das Gelände zu setzen. Mit hochgezogener Kapuze und dem Kopf gesenkt lief ich durch die Straßen, die ich zu meinem Grauen, mittlerweile auch immer besser kannte. Mein Herz schlug mir heftig gegen die Brust und mein Magen fühlte sich ganz flau an. Endlich bog ich in Tonis Straße ein. Ihr Haus war mittig platziert und ich lief schnell hin. Dann klingelte ich. Das summen, das mir signalisierte, dass ich eintreten solle, ließ mein Herz nochmal höher schlagen. Was tat ich hier überhaupt? Nochmal tief durchatmen - dann drückte ich die Tür auf und trat in den Gemeinschaftsflur. Tonis Wohnung lag im zweiten Stock. Ich beschloss den Aufzug zu nehmen, ich wollte ja niemanden wecken. Mein Körper versteifte sich schlagartig, als die Türen sich öffneten und die elektrische Stimme sagte: Zweiter Stock. Leise verließ ich den Aufzug, Tonis Wohnungstür stand bereits offen. „Da bist du ja. Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest", lächelte sie mich an. Ich nickte nur und ging in ihre Wohnung. Sie roch so gut schoss es mir durch den Kopf und schlagartig zog sich mein Magen zusammen. „Willst du etwas trinken", fragte Toni. Ich nickte, zu mehr war ich nicht fähig. Toni fragte gar nicht erst was ich haben wollte, sondern schenkte mir eine Cola ein. Ich versuchte nach außen hin nichts preiszugeben, aber mein innerstes erwärmte sich. Sie wusste noch, was ich am liebsten trank! Toni überreichte mir das Glas, dann setzte sie sich aufs Sofa. „Was ist jetzt dieses Geschenk?", wollte ich wissen. Sie schmunzelte und sah mir direkt in die Augen. Mir wurde unbehaglich. Was bitteschön sollte das hier werden? „Ich hab keinen rechtlichen Ärger mehr am Hals", sagte Toni leise. „Hä? Wie das denn? Und was hat das mit Maja zu tun", gab ich gereizt von mir. So langsam ging mir diese Geheimniskrämerei wirklich auf die Nerven. Toni stand auf und nahm meine Hände. Ich war unfähig mich zu bewegen. Wie sehr mir ihre Berührungen doch gefehlt hatten. Mein Atem wurde unregelmäßig und flach. „Sie hat ein gutes Wort bei der Direktorin eingelegt. Für uns!", sagte Toni. Dann küsste sie mich. Mir flogen tausend Schmetterlinge im Bauch herum, so fühlte es sich zumindest an. Erst jetzt merkte ich wie sehr sie mir gefehlt hatte. Liebevoll erwiderte ich den Kuss, dachte über nichts anderes mehr nach. Letzlich unterbrach ich ihn aber doch. „Soll das heißen, du wirst nicht dafür bestraft?" Toni schüttelte nur den Kopf und grinste mich überglücklich an. „Und in Zukunft auch nicht?", fragte ich. „Nein, in Zukunft auch nicht. Der Beziehung steht nichts mehr im Wege. Die Direktorin glaubt zwar nicht dran, aber Maja konnte sie immerhin überzeugen, das Rechtliche außen vor zu lassen." Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. Sollte das heißen, wir beide konnten tatsächlich zusammen sein? Überglücklich schlang ich meine Arme um sie und begann sie zu küssen. Toni und ich stolperten zum Sofa und irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein. Die Sonnenstrahlen weckten mich. Toni lag nicht mehr neben mir und ich konnte sie auch nirgends entdecken. Noch immer hielt ich es für einen Traum. Deshalb kniff ich mich. Aber kein Traum. Das hier war Realität. Mein Magen knurrte lautstark und ich beschloss zu gucken, was Toni vorrätig hatte. Im Kühlschrank fand ich fertige Tiefkühlpizza. Gut sie war kalt, aber ich hatte Hunger und so war es mir herzlich egal. Plötzlich spürte ich Hände an meiner Hüfte. „Du hättest mir ruhig bescheidgeben können, dann hätten wir zusammen essen können", hauchte Toni mir von hinten an mein Ohr. Grinsend drehte ich mich um. „Ich weiß, ich hatte aber Hunger." Toni hob nur die Augenbrauen und gab sich gespielt beleidigt. „Kannst dir ja auch noch was machen", verteidigte ich mich.

Ihr Gesichtsausdruck wurde auf einmal ernst. „Du musst mit deinen Eltern sprechen", sagte sie. Das Hochgefühl war wie weggeblasen. Schließlich war ich von zuhause weggerannt und hatte mich nie gemeldet. Und ich hatte ihnen mehr oder weniger eine Beziehung offenbart. Toni merkte, dass es mir nicht behagte und nickte mir aufmunternd zu. „Du schaffst das", lächelte sie mich an. „Dann sollte ich wohl besser los was?", erwiderte ich und straffte die Schultern. „Wenn du wiederkommst bring ein paar Sachen mit. Ich will, dass du ein paar Tage hier wohnst." Ich lächelte kurz, dann verfiel mein Gesicht wieder in eine ernste Miene.

Ich stand vor dem Haus meiner Eltern. Nochmal sammeln, Gott war ich nervös. Dann klingelte ich. „Oh mein Gott, da bist du, wir haben uns solche Sorgen gemacht!", rief meine Mutter aus und fiel mir um den Hals. Sie zog mich rein und wollte mich gar nicht mehr loslassen. Auch mein Vater hatte sich sichtlich Sorgen gemacht. Es folgte ein langes Gespräch, in dem ich zurechtgewiesen wurde und wir uns über die Zukunft unterhielten. Zugegeben ein bisschen Ärger hatte ich auch verdient. Meine Eltern akzeptierten Toni und mich voll und ganz und boten auch an, mir ein paar Sachen rüberzufahren. Sie hätten auch nichts dagegen, wenn ich permanent bei ihr einziehen würde. Für mich war es wie Geburtstag und Weihnachten in einem Paket. Ich konnte mit meiner Freundin zusammen sein! Ohne Geheimniskrämerei, ohne Verbote. In diesem Moment war ich wohl der glücklichste Mensch auf Erden.


The End :)

Spiel mit dem FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt