Faint

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Dereks Sicht


Das war es also. Das war also mein Haus und das war also meine Familie. Meine Familie, die mich aufgegeben hatte, die mich nicht mehr haben wollte. Renee hatte so was von recht mit allem. Es schockte mich schon, dass sie sich jetzt nach ungefähr einem Jahr plötzlich wieder für mich interessierten. Vor allem wo sie es doch waren, die mich damals aufgeben hatten. Aber ich wusste all das nur aus Erzählungen von Renee. Sie war so gut zu mir gewesen. Sie hatte mich gepflegt und mir von meinem alten Leben erzählt. Sie war immer für mich da gewesen und das obwohl ich mich nicht einmal an sie erinnern konnte. Sie war mir so fremd. Seitdem verheerenden Unfall vor ungefähr einem Jahr war mein Gedächtnis einfach wie ausradiert und das machte mich fertig. Ich konnte niemandem vertrauen und schon gar nicht konnte ich irgendetwas Glauben was jemand sagte. Renee war die einzige Person, der ich Vertrauen konnte. Sie hatte es in dem letzten Jahr so oft bewiesen. Sie war es, die mehrere Millionen Dollar dafür bezahlt hatte, dass sie mich, obwohl sie die Geräte bereits abgestellt hatten, in die Spezialklinik nach Washington D.C. bringen ließ. Sie war es auch die den Aufenthalt und die aufwendige Behandlung bezahlte. Sie war es die all meine Launen ertragen hatte und die trotz, dass ich mich nicht mehr an sie erinnern konnte, bei mir geblieben war. Sie war es, di mir so oft bewiesen hatte, wie sehr sie mich liebte und die ich vor ein paar Wochen geheiratete hatte. Und trotz alledem fühlte sich alles irgendwie so falsch an. Ich fühlte nichts für sie, einfach nur gar nichts. Aber ich hatte sie dennoch geheiratet, weil ich hoffte, dass ich meine Erinnerungen eines Tages wiedererlangen würde und somit auch meine Gefühle für sie. Sie war eine wirklich gute Frau und sie hatte es verdient geliebt zu werden.

Doch als dann vorhin diese blonde Frau mit dem Baby kam, das war irgendwie anders. Ich wusste, dass ich sie von irgendwoher kannte und dann war da auch dieses komische Gefühl in meiner Brust. Mein ganzer Körper kribbelte, aber ich konnte einfach nicht sagen woran es lag. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gefühlt oder konnte mich zumindest nicht mehr daran erinnern so etwas schon einmal gefühlt zu haben. Ich konnte dieses Gefühl einfach nicht zuordnen. Ich wusste zwar, dass es kein negatives Gefühl war, sondern ein durchweg positives, aber dennoch wusste ich nicht wirklich ob es Freude, Liebe, Zuneigung oder Verwunderung war.

Diese Frau kam mir einfach so bekannt vor. Es kam mir so vor, als würde ich sie bereits mein Leben lang kennen, aber ich konnte sie einfach nicht zuordnen und das machte mich wütend, zornig und traurig zu gleich.


Aber das war noch nicht alles, denn da war noch diese andere Frau, die mir durchaus ähnelte, mir aber nicht wirklich bekannt vorkam. Mein Gedächtnis war einfach nur im A**** und ich wusste nicht, was ich dagegen tun sollte.


„Also, was ist hier los?", riss mich die braunhaarige Frau aus meinen Gedanken. Ich hatte ganz vergessen, dass wir gerade in dem Haus, meinem Haus waren und über den geplanten Verkauf sprachen oder zumindest sprechen wollten, da bis jetzt bis auf die braunhaarige Frau gerade eben noch keiner ein Wort gesagt hatte. Die Stille wollte auch trotz des Kommentars dieser Frau nicht aufhören. Renee, Paul, der Baugutachter wegen dem Haus und ich blickten uns nur an. Ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte. Ich wusste ja selbst nicht einmal, was hier wirklich los war. Deshalb war ich auch so froh, als Renee das Wort ergriffen und „Sie wohnen in dem Haus meines Mannes und das ohne Miete zu bezahlen, das ist hier los." Sagte und somit ein wenn auch sehr merkwürdiges Gespräch begann. „In dem Haus Ihres Mannes?", fragte die blonde Frau mit dem Baby in dem Arm sofort. Das Baby sah total süß aus. Es hatte wunderschöne blaue Augen und man konnte Ansätze von dunklen Haaren erkennen. Ich wollte auch Kinder haben. Ich wusste nicht woher dieser Gedanke so plötzlich kam, aber ich wusste einfach, dass ich Kinder, viele Kinder, haben wollte. „Ja. Ich bin Dr. Renee Collier-Shepherd und das ist mein Ehemann Dr. Derek Shepherd.", führte Renee das Gespräch dann fort. „Ihr Ehemann?", keuchte die Frau mit dem Baby dann. Sie klang traurig, überrascht und wirklich enttäuscht zugleich. Irgendwie tat es mir Leid sie so zu sehen. Ich hatte keine Ahnung woher das alles kam und ich fühlte mich total hilflos und unwohl. Diese Gefühle wurden dann auch noch verstärkt, als die braunhaarige Frau sagte: „Du bist nicht der Ehemann von dieser Frau. Du bist Merediths Ehemann.". Spätestens jetzt wusste ich wirklich nicht mehr, was ich denken sollte. Ich würde mich doch an meine Ehefrau erinnern können. Ich war total verzweifelt. Die Frau, die gerade gesprochen hatte, blickte mich direkt an, aber ich konnte sie einfach nicht ansehen. Ich war zu verwirrt. Ich blickte einfach nur auf den Boden. Und wieder einmal wurde es totenstill.


Schließlich durchbrach dieses Mal Steve, der Baugutachter, die Stille, indem „Ich gehe dann wohl besser. Sie bekommen in den nächsten Wochen das Gutachten per Post zugeschickt.", sagte. Er stand auf, verabschiedete sich von allen und ging. Man hörte die Haustüre zufallen. Nebenan spielten Kinder. Man hörte sie lachen. Sie hörten sich glücklich an. Ich fragte mich sofort, ob ich auch einmal so glücklich war, ob ich Geschwister hatte. Ob wir auch so glücklich miteinander gespielt hatten und wie es ihnen wohl ging. Gleichzeitig fragte ich mich aber, wie sie mich dann einfach aufgeben konnten. Wie diese Frau, die angeblich meine Frau war, einfach die Geräte abstellen hatte lassen ohne sich über irgendwelche Behandlungsmethoden zu erkundigen. Ich wusste ja, dass ich Hirntod war, aber ich wusste auch, dass ich in den letzten Monaten, in welchen ich in D.C. war, lange an einer Behandlungsform für Hirntode mitgearbeitet hatte. Renees Forschung über eine Heilungsmethode für Autisten hatte damals den Durchbruch in der Hirntodforschung gebracht. Durch ihre Forschung hatte man einen Weg gefunden Hirntote wieder ins Leben zurückzuholen.


„Renee sagte mir bereits, dass es hier wohl einige Probleme mit den Bewohnern dieses Hauses geben würde.", schaltete sich jetzt auch Paul mit seiner üblichen Redeart ein und riss mich abermals aus meinen Gedanken. „Mein Name ist Paul Walker und ich bin der Anwalt der Familie Collier. Dr. Collier hatte mich bereits vorgewarnt, dass alles machen und sagen würden um in dem Haus wohnen bleiben zu können.", fuhr er dann fort. Er war ein netter Mann, aber sein hochtrabendes Gerede ging mir manchmal schon auf die Nerven. Ich blickte mich etwas um. Die blonde Frau blickte auf das süße kleine Baby und die braunhaarige Frau blickte sich ebenfalls um.


„Ich bin es, deine Schwester Amelia.", wandte sie sich jetzt direkt an mich. Diese Frau sollte meine Schwester sein? Meine Schwester, die mich einfach aufgegeben hatte, die nicht einmal versuchte hatte mich zu retten. Renee hatte mich wegen meiner Familie ja bereits vorgewarnt, weshalb ich auch zugestimmt hatte, sie nicht oder zumindest noch nicht darüber zu informieren, dass ich noch am Leben war. Ich brauchte Zeit. Ich erholte mich immer noch von dem Unfall und ich wollte erst einmal mein Leben wieder auf die Reihe bekommen, bevor ich dazu bereit war meiner Familie zu begegnen. Aber wie es aussah, hatte das Schicksal wohl anderes mit mir geplant. „Ich kenne Sie nicht. Hören Sie auf irgendwelche Lügen zu verbreiten.", entschied ich mich zu sagen. Ich sah den Schmerz in ihren Augen und wollte sie mit der Tatsache meines Erinnerungsverlustes nicht noch mehr verletzten, weshalb ich mich dazu entschied sie zu leugnen. Ich wusste, dass das ihr gegenüber unfair war, aber ich konnte ihr einfach nichts anderes sagen. Ich wusste nicht mehr was ich fühlen oder denken sollte. All das, was ich geglaubt hatte zu wissen, wurde durch dieses Gespräch auf den Kopf gestellt. Verschiedenste Gefühle strömten auf mich ein und machten mich verrückt. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich hielt es in diesem Raum nicht mehr aus. Es war plötzlich alles so beengt und obwohl ich keine Platzangst hatte konnte ich nicht mehr atmen. Ich bekam Panik. „Tut mir leid, ich kann das nicht.", war alles was ich sagte, bevor ich nach draußen an die frische Luft rannte. Hinter mir hörte ich noch wie Renee mir offensichtlich hinterherlaufen wollte, Paul sie aber aufhielt. Dann wurde alles schwarz um mich herum. Das war einfach alles zu viel. Als ich dann wieder aufwachte, war ich in einem Krankenwagen und eine besorgte Renee saß neben mir.

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