Inflowing Memories

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Dereks Sicht

In der letzten Zeit war wirklich viel passiert. Mittlerweile war ich nur mehr verwirrt. Zum einen war da Renee, die alles für mich gemacht hat und zum anderen war da Meredith, meine angebliche Frau mit den drei, kleinen Kindern. Ich wusste nicht mehr was ich glauben sollte. Ich hatte keine Ahnung was war wahr und was eine Lüge war.

Langsam drehte ich mich um und blickte auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht. Ich sollte schon längst schlafen, aber ich konnte einfach nicht. Zu viele Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Zu viele offene Fragen, zu viele Rätsel warteten darauf beantwortet oder gelöst zu werden. Ich versuchte meine Gedanken beiseite zu schieben, mich auch Renees flachen Atem zu konzentrieren, um endlich einzuschlafen.

Irgendwann war ich dann doch eingeschlafen. Zumindest nahm ich es an, da ich etwas ganz komisches vor meinen Augen sah, was eindeutig nur ein Traum war. Ich folgte einer Stimme durch einen Wald. Ich war klatschnass und mir war eiskalt. Immer und immer wieder hörte ich eine Stimme sagen: „Folge mir.". Jedes Mal bekam ich wieder eine Gänsehaut. Ich kannte diese Stimme irgendwoher, aber ich wusste einfach nicht woher. Ich war mir jedoch definitiv sicher, dass es mehrere Stimmen waren. Wieder hörte ich die Stimme „Folge mir.", sagen. Nein, dieses Mal war es eine andere Stimme, es war eine Männerstimme. Und es wurden immer mehr und mehr Stimmen. Es war ein ganzer Stimmenchor. Sie sangen schon fast „Folge mir." und „Komm zu mir.". Ich kannte all diese Stimmen von irgendwoher, aber ich wusste nicht woher. Die Antwort war zum Greifen nah, aber doch so weit entfernt.

Ich folgte den Stimmen immer tiefer und tiefer in den Wald hinein. Es sah alles so echt aus. Es war so, als würde ich durch die Augen einer anderen Person sehen. Als würde ich hier sein, aber irgendwie auch wieder nicht. Es war alles so verwirrend.

Plötzlich wurde es dunkel und ich erkannte gar nichts mehr. Ich bekam Panik und stoppte. Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Ich war in diesem Wald noch nie gewesen und selbst wenn, dann würde ich ihn nicht wiedererkennen. Ich legte mich nieder und ruhte mich aus.

Auf einmal wurde es laut über mir. Es war so, als würde jemand ganz fest auf ein Wellblech schlagen. Und dann hörte es sich so an, als würden ganze Herden über meine Ohren trampeln. Dann sah ich kurz ein Bild von einer Straße aufblitzen und dann schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Ich war schweißgebadet und atmete schwer. Neben mir meinte Renee verschlafen: „Alles ok?". „Alles bestens. Ich habe nur schlecht geträumt. Ich gehe mir etwas die Beine vertreten.", antwortete ich Renee. Diese meinte nur: „Mhmh.". Ich stand mittlerweile hellwach auf, nahm mir meine Schuhe, meine Jacke und meinen Autoschlüssel und ging auf den weitläufigen Hotelflur raus. Ich wusste plötzlich genau, wo ich hinwollte. Es war so, als würde mich eine Stimme in meinem Unterbewusstsein leiten.

Im Flur zog ich mir meine Schuhe und meine Jacke an und ging runter zum Parkplatz. Ich öffnete das Auto und fuhr los.

Ich fuhr schon eine Weile durch die zu dieser späten Stunde menschenleeren Straßen von Seattle, bis ich auf die Autobahn abbog. Ich fuhr Richtung Flughafen. Irgendwann gewann mein Instinkt überhand und ich bog auf eine mitten durch die Pampa verlaufende Straße ab. Ich hatte keine Ahnung wo ich war und ob ich diese Straße schon einmal entlanggefahren war, aber ich wusste, dass ich hier lang fahren musste. Eine Gefühl, nein eher ein Stimmenchor in mir drinnen sagte es mir.

Mittlerweile war es schon halb fünf Uhr in der Früh und die Nacht wich schön langsam dem Tag. Ich fuhr schon sicher eine halbe Stunde die Straße entlang. Irgendwann kam ich zu einer unübersichtlichen Kurve. Instinktiv drosselte ich die Geschwindigkeit, bevor ich um die Kurve bog. Und dann bog ich um die Kurve. Hinter der Kurve sah ich plötzlich eine Person. Ich erschrak und stieg sofort auf die Bremse. Und dann geschah es. Ein Film spielte sich in meinem Kopf ab. Aber es war nicht irgendein Film, es war die Geschichte meines Lebens. Zuerst sah ich mich mit meiner Mutter, meinem Vater und meinen Schwestern. Wir waren eine glückliche Familie. Im nächsten Moment wechselte das Bild und ich fand mich in einem Laden wieder. Amelia war da und mein Vater. Zwei weitere Männer waren auch noch da. Plötzlich hörte ich einen Schuss und dann hörte ich ein kleines Mädchen wimmern. Dann wechselte das Bild abermals. Dieses Mal sah ich mich und einen Jungen, der ungefähr in meinem Alter war. Wir spielten miteinander, bis meine Mutter „Mark, Derek, kommt rein! Es ist schon spät!", rief. Und dann ging es weiter. Ich sah mich, bei meinem Collegeabschluss und dann sah ich mich, wie ich eine wunderschöne, junge, rothaarige Frau heiratete. Im nächsten Moment sah ich mich bei meiner Studienabschlussfeier. Dann wechselte das Bild und ich fand mich in einem großen, teuren Haus wieder. Überall lagen Klamotten rum. Ich ging die Treppe hoch ins Schlafzimmer und was ich dort sah veränderte mein Leben für immer.

Das Bild wechselte wieder. Dieses Mal fand ich mich in einer Bar wieder. Ich beobachtete eine junge, blondhaarige Frau an der Bar. Beim genaueren Hinsehen merkte ich, dass es Meredith war. „Tequila pur? Wirklich, das wird ihnen morgen leidtun.", sagte der Kellner zu Meredith. „Es tut mir morgens immer leid, aber morgen habe ich meinen ersten Arbeitstag, also geb ich mir die Kante.", antwortete diese, während ich zur Bar ging. „Was darf's sein?", fragte mich der Kellner. „Einen doppelten Single Malt, bitte.", antwortete ich. „Also, ist das ein guter Laden zum Relaxen?", fragte ich Meredith dann. „Ich weiß nicht. Ich bin hier zum ersten Mal.", antwortete Meredith mir schulterzuckend. „Wissen Sie was? Ich auch das erste Mal. Ich bin neu in der Stadt. War noch nie in Seattle. Ich hab hier einen Job, also...", fing ich ein Gespräch an. Meredith reagierte jedoch nicht. „Ah. Sie ignorieren mich.", meinte ich zu ihr. „Ahm. Ich versuchs.", meinte sie. „Ah, das sollten Sie nicht tun.", antwortete ich selbstbewusst. „Wieso nicht?", fragte Meredith. „Ich bin von der Sorte, die man kennen muss um zu lieben.", antwortete ich sehr von mir selbst überzeugt. „Wirklich?", fragte Meredith etwas genervt. „Oh, ja.", antwortete ich weiterhin flirtend. „Also, wenn ich Sie kenne, werde ich Sie lieben.", meinte Meredith dann wenig überzeugt. „So ist es.", antwortete ich weiterhin sehr von mir selbst überzeugt. „Sie mögen sich wirklich gern, hm?", stieg sie auf meine Anmache ein. „Das ist, das ist alles bloß Fassade.", antwortete ich mittlerweile ehrlich. Wir begannen beide zu lachen. Nach einer Weile fragte ich: „Und was ist mit Ihnen?". Sie antwortete: „Was soll denn mit mir sein? Ich bin nur ein Mädchen in einer Bar.".

Und dann wechselte das Bild abermals. Dieses Mal fand ich mich mit Meredith in einer Umkleide wieder. Ich hatte einen blauen Post-it Block in der einen und einen ebenfalls blauen Kugelschreibern in der anderen Hand. „Was wollen wir einander versprechen?", fragte ich sie.

Im nächsten Moment fand ich mich in einem Krankenzimmer wieder. Neben mir stand eine dunkelhäutige Frau mit einem süßen, kleinen dunkelhäutigem Baby auf dem Arm. Das kleine Mädchen erinnerte mich wirklich sehr an das Mädchen, welches vor ein paar Wochen in meinem Krankenzimmer war.

Das Bild wechselte abermals und ich befand mich dieses Mal zusammen mit Meredith in meinem Bett. Ich hatte die eine Hand auf ihren sichtlich schwangeren Bauch gelegt. Ich blickte sie einfach nur an. Wir waren so glücklich. Im nächsten Moment blickte ich in die wunderschönen Augen eines gerade geborenen Jungen.

Doch dann wurde es dunkel. Überall donnerte und blitzte es. Ich befand mich in dem Haus auf der Lichtung und stritt mich heftig mit Meredith. Dann wechselte das Bild und ich befand mich vor dem Krankenhaus und stritt mich abermals mit Meredith.

Und dann war ich in D.C., in dem mir allzu bekannten Büro. Draußen war es dunkel. Renee und ich waren die einzigen, die noch da waren. Renee kam näher und küsste mich. Zuerst war ich vollkommen überwältigt und ließ es zu, doch dann stieß ich sie weg. Im nächsten Moment war ich wieder in unserem Haus in Seattle. Ich lag neben Meredith im Bett und erzählte ihr von dem Autowunsch unserer Tochter.

Dann wechselte das Bild ein allerletztes Mal und ich befand mich in meinem Auto auf eben dieser Straße, auf der ich gerade fuhr. Ich hatte gerade mehreren Menschen das Leben gerettet. Ich stand gerade quer über der ganzen Straße hinter eben jener Kurve hinter der Meredith auch stand. Jedoch saß ich im Auto und telefonierte. Plötzlich kam ein LKW und raste in mich hinein.

Auf einmal war es ganz leise. Meine Gedanken waren so klar wie nie. Ich wusste alles wieder. Ich öffnete die Augen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich sie geschossen hatte.

Mit klarem Blick schaute ich geradeaus. Das Auto hatte direkt vor Meredith angehalten. Sie blickte mir in die Augen und brach dann zusammen. Ich zog die Handbremse an, schnallte mich ab, öffnete die Türe und stürmte aus dem Auto und auf Meredith zu. „Meredith!", rief ich. Sie lag reglos am Boden. Ich fühlte ihren Puls. Er war kräftig, zum Glück. Ich checkte mein Handy. Ich hatte hier keinen Empfang. „Verdammter Mist!", fluchte ich.

Dann hob ich Meredith hoch und trug sie in mein Auto. Ich legte sie auf die Rückbank und stieg vorne ein. Ich schnallte mich an, löste die Handbremse wieder und fuhr so schnell wie möglich ins nächste Krankenhaus.

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