Majestätisch? 🏐

648 23 19
                                    

Solange ich mich erinnern konnte, spielte ich leidenschaftlich gern Volleyball. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich in diesen Sport quasi hineingeboren wurde. Mein Großvater trainierte seit vielen Jahren das Volleyballteam der Jungen an der Karasuno Oberschule, zu dem auch mein älterer Bruder während seiner Zeit dort gehörte. Gegen Ende der Mittelschule änderten sich jedoch meine Interessen und ich hörte mit Volleyball auf. Ganz zum Trotz meines Opas, der große Hoffnungen in mich gesetzt hatte. Doch zu seinem Bedauern, ließ ich mich auch durch seine vielen Versuche mich umzustimmen, nicht überzeugen weiter zu machen.

"Akira!" Die wütende Stimme meines Großvaters drang an mein Ohr. Leicht gereizt blickte ich über den Rand meiner Zeitschrift. Er hatte mich Mal wieder zu einem Schulturnier geschleppt, in der Hoffnung ich würde dadurch mein Interesse wiederfinden, doch zu dieser Zeit verfolgte ich bereits ein anderes Ziel. Der Artikel, den ich las, war über eine Agentur, die Mädchen in meinem Alter zu einem Casting einlud, ich hatte mir nämlich in den Kopf gesetzt, ein berühmtes Idol zu werden. "Wenn wir schon hier sind, solltest du den Spielern gegenüber wenigstens soviel Anstand haben, dir ihre Matches auch anzusehen." Tadelt er mich und konfiszierte, unter lautstarken Protest meinerseits, das Heft bis zum Ende des Turniers. Nachdem ich seufzend meinen Widerstand aufgegeben hatte, lehnte ich mich mit gelangweilter Miene über die Reling und warf einen Blick hinunter auf das Spielfeld. Augenblicklich stach mir das zusammengewürfelte Team der Yukigaoka Mittelschule ins Auge, „Pff, was ist das denn für ein lahmer Haufen?" Kicherte ich belustigt, doch ich verstummte, als ich hörte, gegen wen sie antreten würden. Jeder wusste, dass die Kitagwa Daiichi ein starkes Team hatte, was mich veranlasste, ein wenig Mitleid für sie zu empfinden. „Geht schnell nach Hause, die wischen mit euch den Boden." Flüsterte ich erneut vor mich hin, als die gegnerische Mannschaft auch schon die Halle betrat und die Luft schlagartig zu stehen schien. Gespannt hielt sogar ich den Atem an, denn die Jungs, die vor Selbstbewusstsein strotzend auf das Spielfeld zu hielten, waren kein Vergleich zu den zitternden würmchen die anscheinend ihr erstes Turnier bestritten. Als Kitagwa Daiichis Zuspieler durch die Tür schritt, weiteten sich meine Augen und ich lehnte mich unbewusst noch etwas weiter vor, um ihn besser sehen zu können. Der Junge war in meinem Alter, trotzdem war seine Präsenz atemberaubend. Vor Aufregung fing mein Herz an höher zu schlagen, er wirkte einschüchternd und zugleich würdevoll, wie ein Herrscher der seine Truppen voller Stolz aufs Schlachtfeld führte. Während des ganzen Spieles zog seine Ausstrahlung mich förmlich in ihren Bann und ich kam nicht umhin ihn dafür zu bewundern.

Nervös lief ich über das Schulgelände, es war mein erster Tag als Oberschülerin. Auch wenn mein Großvater krankheitsbedingt nicht mehr als Trainer für die Karasuno arbeitet, setzte er seinen Kopf durch und ließ mich dort einschreiben. Um mir einen langen Schulweg zu ersparen, stimmte mein Bruder sogar zu, mich bei sich wohnen zu lassen, im Gegenzug sollte ich für ein kleines Taschengeld ab und an im Laden unserer Familie, den er geerbt hatte, aushelfen und den Haushalt für uns schmeißen. Ich war bereits als kleines Mädchen unzählige Male mit meinem Opa an der Karasuno, aber als offizielle Schülerin war es ein komplett neues Gefühl. Ich war keineswegs Schüchtern, ganz im Gegenteil, trotzdem bereitete mir die Vorstellung, mich nun in einem komplett neuen Lebensabschnitt zu befinden, ein wenig Unbehagen. Mit einem langen Atemzug zog ich die frische Mittagsluft tief in meine Lunge und lief zielstrebig auf die Sporthalle zu. Dieser Ort hatte für mich etwas Nostalgisches und war mir sehr vertraut, er würde mich mit Sicherheit etwas beruhigen können und mir helfen mich an die neue Situation zu gewöhnen.

Die Tür zur Sporthalle stand weit offen, sodass das Streitgespräch aus dem Inneren schon von weitem zu hören war. Neugierig spähte ich um die Ecke, bedacht darauf nicht entdeckt zu werden. Drinnen stand, mit dem Rücken zu mir, ein ziemlich kurz geratener Schüler, der sich ohne Punkt und Komma, in schriller Tonlage aufregte. Vermutlich ebenfalls ein Erstklässler, ich schätzte, dass die beiden sich in der Mittelschule schon einmal als Gegner gegenüber gestanden hatten und jetzt nicht begeistert waren, bald dem selben Team anzugehören. Soewas kam tatsächlich ziemlich häufig vor. Als ich einen Blick auf seinen gegenüber erhaschen konnte, blieb mir für einen kurzen Moment die Luft weg, denn es war kein geringerer als Tobio Kageyama, der Junge dessen Ausstrahlung ich damals bei dem Mittelschulturnier so voller Begeisterung bewundert hatte. Wie ein Fangirl hatte ich mich nach diesem Spiel ein wenig über ihn informiert, was mir im Nachhinein ganz schön peinlich war. Allerdings fand ich ihn so von nahem betrachtet nicht halb so Majestätisch wie damals. Es enttäuschte mich schon ein wenig, dass er nach seiner Niederlage bei der Kitagwa Daiichi anscheinend seinen Reiz verloren hatte. Auch wenn er den anderen Jungen ziemlich herablassend anherrschte, konnte ich nichts königliches mehr an ihm erkennen und als aus seinem Mund, mit trotzigem Unterton der Satz fiel, dass er bei der Shiratorizawa durchgefallen war, prustete ich laut los. Hastig schlug ich mir die Hand vor den Mund und suchte fluchtartig das weite um aufgrund meines Lachanfalls nicht ertappt zu werden.

Auf dem Heimweg seufzte ich laut vor mich hin, da war der Junge, den ich seit damals insgeheim anhimmelte, tatsächlich auf der selben Oberschule wie ich und dann musste ich feststellen, dass er ganz und gar nicht so war wie ich ihn mir immer ausgemalt hatte. Abermals hörte ich seine Worte in meinem Kopf 'bei der besten Schule dieser Präfektur, bin ich ....durchgefallen' und wieder brachten sie mich zum kichern, doch mir blieb das Lachen im Hals stecken, als ich meinen Bruder, mit verschränkten armen und Zigarette im Mundwinkel, aufgebracht vor der Laden Tür stehen sah. Augenblicklich verlangsamte ich meinen Schritt, denn ich hatte nach der Schule getrödelt, wodurch es ziemlich spät geworden war. Nervös versuchte ich mich an ihm vorbeizuschleichen, „bin zu Hause" doch schon hatte er mich am schlawittchen gepackt, „hast du nicht was vergessen?" Fragte er mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen, denn er wusste genau, dass mir bewusst war, worauf er anspielte. Am Morgen hatten wir verabredet, dass ich nach der Schule rasch heim kommen sollte, um für ihn auf den Laden aufzupassen, da er einen wichtigen Termin hatte. Entschuldigend legte ich die Hände aneinander und versuchte mich herauszureden. Das ungezügelte Temperament lag bei uns in der Familie und so kam es oft zu heftigen Reibereien untereinander. Nachdem er mich lautstark zurechtgewiesen hatte, versetzte er mir zu guter Letzt noch einen Tritt in den Allerwertesten, bevor ich mich beleidigt, meinen Hintern reibend, in mein Zimmer verkroch um meinen ersten Tag als Oberschülerin ausklingen zu lassen. Zum Glück war Keishin nicht halb so unausstehlich wie er immer tat, denn er hatte mir das Abendessen, für das ich eigentlich ebenfalls zuständig gewesen wäre, mit Frischhaltefolie abgedeckt auf den Schreibtisch gestellt.

Be my King // Kageyama x Reader 🍋Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt