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In den nächsten Tagen gab es trotz Bemühungen keine Möglichkeit für mich, mit Nika zu reden. In zwei Tagen steht unser erstes Spiel an und sie muss im Moment über jeden Spieler einmal drüber schauen. Außerdem haben wir teilweise zwei oder dreimal Training am Tag und dazwischen bleibt oft keine Zeit, weil da eben alle zur Physio gehen. Es ist verrückt, dass ausgerechnet sie - eigentlich am Anfang gar nicht interessant und jetzt habe ich das Gefühl, als würde ich in meinen Gedanken ständig ihr Gesicht vor Augen sehen. Jedes Mal wenn sie durch den Flur läuft kann ich gar nicht anders, als jede ihre Bewegungen zu verfolgen und ihre außerordentlich perfekt Figur zu bestaunen.
Was rede ich hier eigentlich? Ziemlich peinlich wenn man bedenkt, dass ich sie seit ungefähr einer Woche kenne - obwohl man wahrscheinlich nichtmal wirklich von kennen sprechen kann, da ich nichts außer ihren Namen über sie weiß.

„Was hat sie eigentlich mit dir angestellt?",lacht Schlotti und auch Jamal lacht, als er von seiner Physiorunde in den Raum spaziert kommt.
„Ich kann dir echt nicht glauben, dass beim einrenken nichts passiert ist, so wie du drauf bist.",zweifelt Nico und Musiala wirft ein:„So warst du ehrlich noch nie drauf."
„Hmm.",murre ich und weiß selber nicht, was ich tun soll, oder was mit mir los ist. Es ist bestimmt nur der Mangel an Damengesellschaft in diesem Trainingslager und sie sieht schließlich auch echt nicht schlecht aus.
„Konntest du denn wenigstens nochmal mit ihr reden?",will Nico wissen, aber ich schüttele meinen Kopf:„Bis jetzt nicht, aber ich weiß auch nie, wo ich sie finden kann. Irgendwie ist sie überall, aber auch nirgendwo."
„Ich komme grade von der Physio bei ihr, vielleicht ist sie gerade noch da.",fällt es Jamal gerade ein, der gerade in sein Handy vertieft ist. Wahrscheinlich sucht er gerade ein neues Bild zum Posten oder sortiert die Dm's seiner vielen Anbeterinnen aus - von denen hat er fraglicher Weise reichlich. 

Es bedarf noch ein wenig Überredungskunst von Nico, bis ich endlich zurück zur Sportanlage laufe, um mit Nika zu reden, das ist schon längst überfällig. Was ich überhaupt sagen will, das weiß ich noch gar nicht.
Zielstrebig laufe ich in Richtung ihres Arbeitszimmers und klopfe dann.
Doch auch nach mehrmaligem Klopfen öffnet mir keiner die Tür, sie muss also schon weg sein und ich habe sie schon wieder verpasst.
Auf dem Rückweg ist mein Elan deutlich verschwunden und ich schlendere langsam über den Weg, der zurück zum Hotel führt.
Irgendwann vernehme ein bekanntes Geräusch; Bälle, die auf ein Tor fliegen. Komisch, die Jungs müssten schon alle drinnen sein und im Moment ist keiner von uns wenig genug am trainieren, um extra Runden draufzulegen.

Und da war sie.
Ich weiß nicht, ob es das Licht ist, aber irgendwie wirkt sie heute ganz anders als sonst. Faszinierend, wie präzise sie den Ball spielt und einen Gedanken in meinem Kopf der sagt, dass Nika das gerade nicht zum ersten Mal macht.
Gerade das löst etwas in mir aus, dass sie geradezu mysteriös wirken lässt. So undurchschaubar, obwohl sie gleichzeitig so transparent ist. Nie hätte ich gedacht, dass solch eine Wandlung im Bereich des möglichen liegt und das gerade bei diesem Mädchen, die mir trotz aller Bemühungen sowieso nicht aus dem Kopf geht.

Nika:

Nachdem ich die letzte Behandlung bei Jamal beendet und mit ihm noch ein wenig über alles geredet habe, mache ich mich als es bereits dunkel ist auf den Weg zurück zum Hotel.
Als ich gerade am Platz vorbeigehe, verleitet mich irgendwas dazu, auf der Stelle stehen zu bleiben. Ich lasse meinen Blick über den hell beleuchteten Platz schweifen und mein Blick bleibt an dem Korb mit Bällen hängen, der direkt neben einem der Tore steht.
Die Versuchung ist groß, aber sollte ich wirklich?
Bevor ich mich entsinnen kann, habe ich schon einen Fuß auf den Rasen gesetzt und mich durchfährt ein Elan, der mir zugleich bekannt aber mittlerweile auch total fremd vorkommt.
Das letzte mal, dass ich auf dem Platz stand, ist mindestens vier Jahre her, als ich noch in der U16 gespielt habe und ein Jahr bevor ich meine Ausbildung zur Physiotherapeutin angefangen habe. Aus Gewohnheit fasse ich mir an meinen Kinn und streiche einmal über ihn drüber.
Und dann ist es, als wäre ich in die Zeit vor fünf Jahren zurückversetzt, als ich noch mit Bällen umgehen konnte wie keine andere.
Ganz automatisch spielen mein Kopf und Fuß im Einklang und es wirkt auf mich ein wenig wie ein Befreiungsschlag.
Nach ein paar Minuten hochhalten lege ich mir den Ball auf den Elfmeterpunkt, nehme ein wenig Anlauf und befördere diesen dann mit Leichtigkeit in die rechte obere Ecke.
Dies wiederhole ich ein paar mal, bis mich irgendwann ein komisches Gefühl umgibt, als würde mich jemand beobachten. Ich drehe mich folglich einmal um meine eigene Achse und als ich ihn entdecke, kommt er langsam auf mich zu gelaufen.
„Wie lange stehst du schon da?",will ich wissen und lächle ihn seicht an. Karim zuckt mit seinen Schultern und lächelt mich dann ebenfalls an, was für leichtes Chaos in meiner Bauchgegend sorgt.
„Wie geht es deiner Schulter?",frage ich stattdessen, um dieser peinlichen Stille keine Chance zu geben, aber er winkt bloß ab:„Ich sollte dich eher fragen, wie es deiner Nase geht.."
„Achso das, geht schon wieder.",murmel ich und versuche davon abzulenken, da es mich nach wie vor mit Peinlichkeit erfüllt.
„Wie lange spielst du schon?",will er von mir nun wissen, schlendert zu einem der Bälle und schießt ihn gedankenverloren immer ein paar Zentimeter nach rechts und dann wieder ein paar nach links.
„Ich spiele gar nicht.",antworte ich wahrheitsgemäß, worauf er sofort eine Antwort parat hat:„Danach sah das hier eben aber nicht aus." und zieht seine Stirn in Falten.
Wieder einmal ziehe ich meine Schulter hoch und bemerke recht schnell, dass ich wohl aus dieser Situation nicht mehr rauskomme.
„Ich habe in der Nationalmannschaft U16 gespielt bei den Damen natürlich.",antworte ich und beiße mir leicht auf die Lippen, denn der geplatzte Traum vom Profifußball hängt mir immer noch ziemlich nach.
„Wieso hast du denn dann aufgehört?",fragt er weiter und ich werde das Gefühl nicht los, dass es ihn tatsächlich interessiert, was mein Herz ein wenig schneller schlagen lässt.
Nika, was ist bitte mit dir los?
Jetzt muss ich mich schon selber ermahnen, aber es ist einfach wie verflucht. Sobald Karim Adeyemi auftaucht, verändert sich die Atmosphäre und obwohl ich eine sehr selbstsichere Frau bin, schwindet mein Selbstbewusstsein immer, wenn er gerade in der Nähe ist.
„Ich habe mich verletzt und dann aufgehört zu spielen, es war zu riskant.",betone ich und möchte eigentlich nicht mehr weiter drüber reden. Es fällt mir ziemlich schwer zuzugeben, dass es nicht die Verletzung war, die mich aufgehalten hat, sondern ich selber.
Die Angst davor, dass so etwas wieder passiert ist einfach zu groß geworden und hat beim Spielen überhand genommen.
„Dann lass uns mal schauen, wer von uns beiden besser spielt.",fordert Karim mich heraus, woraufhin ich die Augen verdrehe. Als ob ich gegen einen Nationalspieler etwas ausrichten könnte - nichtmal im Traum würde mir das einfallen.
Trotzdem überfällt mich die Eifer des Gefechts und ich laufe in seine Richtung, um vielleicht den Ball zu nehmen.
Wie erwartet habe ich keine Chance und egal, wie sehr ich mich bemühe, ich kann ihm den Ball einfach nicht abnehmen. Irgendwann ist diese Situation so absurd, dass ich nicht anders kann, als jedes Mal zu lachen, wenn Karim mir den Ball wieder vor der Nase wegschnappt.
Trotzdem hat auch er einmal eine unaufmerksame Sekunde und diese nutze ich als sie da ist.
So schnell wie ich kann bringe ich den Ball in Bewegung, aber dieses Glück meinerseits hält nicht lange an, als ich zwei starke Arme im Lauf an meiner Taille spüre und im nächsten Moment den Kontakt zum Boden verliere.

Mit meinem Rücken liege ich auf dem Rasen und plötzlich erscheint auch Karim in meinem Blickfeld, der sich aber zum Glück schnell genug anfängt und nun über mich gebeugt ist.
Nachdem wir uns einen Moment lang angesehen haben, fallen mir seine Augen auf.
Sie sind braun, aber kein langweiliges, plattes braun, eher wie frisch gebrühter Kaffe, der dich für einen Moment lang still sein lässt. Aber hier im Licht wirken sie wie tiefer Honig.
Sie sind dunkel, strahlen dies aus, aber irgendwie auch mysteriös und zugleich romantisch.
Ich weiß nicht, was diese Situation hier gerade ist, ich weiß nur das wir uns nah sind - sehr nah. Und das dies das erste mal ist, dass zwischen uns keine unangenehme Stille herrscht, im Gegenteil. Wenn unsere Zeit unendlich wäre, könnte ich noch Tage in dieser Stille verbringen und jede Sekunde von ihr ausnutzen.
Mein Kopf versucht trotzdem, das alles immer noch zu verarbeiten; Was war das? Was bedeutet es? Und eventuell auch, kann es nochmal passieren?
Ich habe keine Ahnung was ich sagen soll. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt was tun soll, denn eigentlich habe ich das Gefühl, dass wir hiernach wieder für sehr lange Zeit nicht reden werden. Dabei will ich das gar nicht. Jetzt in diesem Moment möchte ich gerne alles über ihn, Karim Adeyemi, erfahren und ihn in meiner Nähe behalten, weil nur dann dieses leere Gefühl in mir mal Ruhe gibt.

„Das war ein Foul.",flüstere ich schließlich und schlucke einmal.
Wieder erscheint dieses unfassbar attraktive Grinsen auf seinem Gesicht.
„Das tut mir gerade gar nicht leid.",gibt er im selben Ton zurück.
Im nächsten Moment vernehme ich Schritte, die er auch hört und ich fange direkt an zu beten, dass uns so keiner sieht. Auch er verfolgt - wer auch immer das ist, mit den Augen und dort blitzt auch Erleichterung auf.
Nur geht eben fünf Sekunden später das Licht des ganzen Platzes aus und es wird dunkel um uns herum. Jetzt kann ich endlich auch durchatmen, denn das war der etwas ältere Platzwart und dies bedeutet wohl, dass er uns nicht gesehen hat.
Karim steht auf und hält mir schließlich seine Hand hin, die ich ergreife und hilft mir dann hoch. Wieder hängt eine Stille zwischen uns und keiner weiß, was er sagen soll.
So gehen wir ins Hotel, bis in die Lobby und im Foyer sitzen gerade noch Jamal und Nico, das sind jedenfalls die einzigen die ich erkenne , also bleibe ich vor der Tür zum Treppenhaus stehen.
„Ich sollte jetzt wohl schlafen gehen..",murmele ich. Morgen fliegen wir los nach England, zum ersten Freundschaftsspiel und ich sollte wohl fit sein „Danke fürs Fußballspielen und.. bis morgen." den letzten Satz brauche ich gar nicht zu Ende sagen, denn er weiß ganz genau was ich meine.
Schnell, bevor noch etwas passieren kann, drehe ich mich um und eile durchs Treppenhaus nach oben. Müde bin ich allerdings keineswegs, ich weiß nur, dass ich sofort Lia anrufen muss, um ihr alles zu erzählen. Obwohl diese mir wahrscheinlich den Kopf abreißen wird, denn Fußballer sind für sie die schrecklichsten Typen dieser Erde.

𝒔𝒕𝒊𝒍𝒍 𝒂𝒏𝒅 𝒆𝒗𝒆𝒓 𝒇𝒂𝒍𝒍𝒊𝒏𝒈 // 𝑲𝒂𝒓𝒊𝒎 𝑨𝒅𝒆𝒚𝒆𝒎𝒊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt