Das Geheimnis des Lords

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"Haben Sie noch die Zeit, dass ich meinen Kaffee austrinke?" Fragt der Lord mich höflich und dreht sich dann, nach meiner Zustimmung wieder zum Tresen.
Ich möchte ihn bitten sich zu mir zu setzen.
Allein an einem Tisch sitzen gelassen werden, ist doch etwas merkwürdig "Lord..." Doch auch er schien zu mir sprechen zu wollen und sagte ich gleichen Moment "Miss..." Wir mussten beide verlegen lächeln. Das war immerhin nicht das erste Mal, dass so etwas geschieht.
Er lässt mir den Vortritt "Wertester Herr, gesellen Sie sich doch zu mir. Der Tisch ist wohl groß genug für uns beide."
Er lässt sich auf dem Stuhl, auf dem eben noch Benedict saß, nieder "ich denke bei uns zuhaus' wird sicher nur eine unserer Cousinen warten, also bitte glauben Sie nicht, dann mein Bruder, Sir Benedict, Sie ..."
"Ach Lord Bridgerton," beginne ich," Ihr Bruder und ich sind ja noch nicht vermählt. Wenn es eine Lustdirne ist, dann ist es eben so. "
Der Lord schaut sich hektisch um, ob mein Wort irgendjemand gehört hatte "Wenn ich bitten darf" erzürnt er," ich bezweifle, dass mein Bruder..."
"Und Sie sicher auch nicht" erinnere ich ihn an den Abend, als ich ihn und Benedict in der Bar mit einigen Damen vergnügt sitzen sah.
Er räuspert sich und schaut beschämt in seine geballten Hände "Vielleicht ist es besser, wenn ich Sie nun nach Hause geleite. Ich werde einem Kutscher bescheid geben, dass wir eine Fahrt benötigen."
"Nein" haste ich panisch. "Können wir nicht lieber laufen?"
Meine Anstandsdame ekelt sich nun "Ihr schönes Kleid! Miss Carlisleham, Es hat eben noch geregnet, der Weg wird ganz dreckig und matschig sein!"
"Das denke ich auch" bestätigt Sir Bridgerton, während er aus dem großen Fenster des Cafés heraus starrt"es macht keine Umstände eine Kutsche zu rufen..."
"Dann laufe ich eben alleine." Sage ich bestimmt. Knicke kurz einmal meine Beinchen zur Verabschiedung "schönen Abend noch" und stolziere aus dem Laden hinaus. Draußen war es wirklich schmuddelig, aber die Abendsonne erstrahlte den langen Weg hinüber zu den Wohnbauten und Anwesen der Familien, höchstene eine halbe Stunde an Weg.
Sicher mit der Kutsche wären wir in 5 Minuten dort gewesen, aber die armen Pferde müssen ja auch nicht ständig für uns laufen, nicht?
"Miss Carlisleham! Miss Carlisleham!" Rief eine männliche, mir allzu bekannte Stimme hinterher. Ich drehe mich ein wenig und sehe, dass Sir Bridgerton mir hinterher rennt und Lavina sich durch den Matsch kämpft ohne zu dreckige Füße zu bekommen, wobei sie nicht wirklich schnell ist.
Ich drehe mich nach vorne und stolziere weiter. Warum sollte ich auf ihn warten "Miss Carlisleham, nun warten Sie doch!" Der Lord schien fast bei mir zu sein.
"Der Weg ist wirklich etwas nass und schmuddelig, aber das Wetter ist umso schöner. Lord, schauen Sie sich bloß den wunderschönen Himmel an "
"Sie haben ja Recht, aber lassen Sie mich wenigstens helfen, damit ihr Kleid nicht dreckig wird." Bot er an
"Ach " winke ich ab "Sie wissen doch genau so gut wie ich, dass ich das Kleid Zuhause gleich ausziehe und dann NIE wieder anziehen werde"
Er wird etwas langsamer "natürlich, aber ..."
"Schauen Sie, dort wird der Weg wieder etwas fester und begehbarer" tänzel ich vor mich hin und tappe schnell zum trockeneren Wegabschnitt.
Auch er folgt mir schnell.
Ein paar Minuten schweigen wir uns an, als er die Stille unterbricht "Haben Sie denn ersthafte Absichten mit meinem Bruder? Er scheint Sie wirklich zu mögen. Ob es Liebe ist, kann ich natürlich nicht sagen."
"Ich werde sehen. Ich mag Ihren Bruder auch. Aber der Prinz hat noch Interesse gezeigt" Zweifel ich es an.
Er hält kurz inne "Der Prinz von Spanien? Ja da kann mein Bruder sicher nicht mithalten."
Ich lache und drehe mich nocheinmal halb und sehe, dass Lavina weit hinter uns ist" vielleicht sollten wir kurz auf sie warten" und deute dabei mit meinem Blick zu Lavina, die immernoch angeekelt des weg lang stapft.
Ein rascheln im Gebüsch lässt uns beide herum fahren "was war das?" Frage ich Sir Bridgerton. Er zückt einen Dolch den er dabei hat "Ist da jemand?"
Ich dränge ihn bei Seite, hole mein Taschenmesser heraus und gehe auf den Busch zu "wahrscheinlich würde uns ein Angreifer gleich freudig begrüßen, nachdem Sie so etwas fragen." Schüttele ich den Kopf.
"Miss Carlisleham! Das ist viel zu gefährlich für Sie!" Er will mich zurück halten, doch ich sehe schon was sich dort versteckt und bücke mich dazu runter. Nun schaut auch Sir Bridgerton herab und geht, ebenso wie ich, in die Knie. Ich hole ihn näher zu mir "Schau er nur einmal an. Davor solle ich Angst haben, hat er, der Vizegraf, behauptet. " Spotte ich.
"Sie haben doch ebenfalls ein Messer rausgeholt, Miss Carlisleham." Versucht er sich rauszureden.
Ein großer Hase sitzt dort mit seinen Jungen und schützt sich vor Feinden und dem Wetter.
Ich muss mir das Lachen verkneifen und gehe weiter, wobei mir der Lord wieder dicht an den Fersen hängt.
Es dauert anscheind doch länger als gedacht und die Dunkelheit begann rasend schnell einzubrechen über uns.
Ich beginne zu frösteln und ohne auch nur die kleinste Aufforderung, streift sich Sir Bridgerton seine lange Anzugjacke ab und legt sie mir über meine Schultern "Sie scheinen zwar zu frieren, aber haben Sie wirklich vor nichts Angst? Immerhin ist hier die Dunkelheit, die Geräusche gerade im Gebüsch... Sie sind nicht aus der Ruhe zu bekommen." Lächelt er mir anerkennend zu.
"Es gibt da schon eine Sache" gebe ich zu und hasse mich im gleichen Moment, wo ich es gesagt habe. Doch der Lord gibt mir irgendwie eine Vertrautheit, die meinem Herzen sagt, ich könne ihm alles erzählen. Vielleicht weil ich Benedict nun schon so gut kenne?
Er scheint nicht aufdringlich sein zu wollen und nickt nur einmal, damit ich sehe, dass er mir gespannt zuhört.
Doch mein Mund hört nicht auf meinen Kopf und fährt fort "ich bin seit dem Unfall meiner Familie keine Kutsche mehr gefahren. Ich traue mich einfach nicht. Ein Pferd reiten. Ja das scheint in Ordnung. Aber eine Kutsche. Einfach das Steuer aus der Hand geben. Um Gottes Willen, wie soll ich das verantworten?"
Er atmet tief durch "ich habe auch Angst vor etwas. Nein sogar vor vielen Sachen. Aber eine ganz ähnlich, wie Ihre Angst."
"Dass Sie Angst haben, ist mir schon aufgefallen beim Gebüsch" kichere ich in mich hinein.
Er wird nun nervöser und schaut rüber zu den Feldern am Waldrand "ich kannte die Person, die letztes Jahr bei dem Reitunfall verunglückt ist. Seitdem..."
"Ich verstehe schon" nehme ich ihm die Qual ab, darüber sprechen zu müssen "woher kannten Sie die Person?"
Er schluckte merklich laut und überlegte was er antworten sollte "wenn ich ehrlich bin, habe ich einen Narren an ihr gefressen gehabt. Es ist eine etwas kompliziere Geschichte."
Ich schaue zu Lavina, die immernoch nicht bei uns ist "ein wenig Weg liegt noch vor uns..."
Und so begann er zu erzählen, über die fast Hochzeit mit der jüngeren Schwester und seiner Vernarrtheit in die ältere Schwester und natürlichem dem tragischen Tod der jungen Dame, die bei dem Reitunfall verstarb.
"Deshalb wolltest du bei unserem Ausritt nur langsam reiten?" Doch als ich es sagte, erstarre ich. Und er ebenfalls. Habe ich ihn eben ohne ein Angebot einfach mit du angesprochen "Entschuldigen Sie, ich wollte nur"beginne ich zu stammeln.
Er lächelt "das ist doch einerlei. Jetzt sind wir doch so intim geworden, haben über unsere Ängste geredet. Da ist doch ein du nicht der Rede wert." Er lächelt mich an "wir sind nun fast da. Soll ich dich noch rein bringen?"
Ich lehne ab "nein danke. Danke für das Heimbringen. Kannst du mir noch etwas versprechen? "
Er lächelt mich schräg an "ich nehme keine Kutsche für die letzten Meter."
Ich muss nun auch lächeln, dass er mich da so verstanden hat. Wir reden noch kurz bis die Anstandsdame bei uns angekommen ist und in dem Moment öffnet auch mein Vater die Tür "Lord Bridgerton, mit Ihnen hätte ich nicht gerechnet. Möchten Sie noch auf ein Bier oder einen Wein reinkommen?"
"Nein danke, Sir." Er dreht sich zu mir und verneigt sich "danke für das nette Gespräch Miss Carlisleham. Ich denke, mein Bruder wird sich morgen auf der Feier wieder bei Ihnen  melden. Ich wünsche Ihnen allen eine Gute Nacht." Er nimmt verabschiedend seinen Hut vom Kopf, den er erst eben als wir ankamen, wieder aufsetzte "bis morgen Abend."
Auch wir wünschen ihm eine gute Nacht und ich schaue ihm noch kurz nach, wie er zu Fuß zum Anwesen der Bridgertons läuft.
Mein Vater schaut mich von oben herab an "vielleicht wäre der Vizegraf  ja auch eine gute Partie für dich."
Ich winke ab "ich bin mir sicher, dass er kein Interesse an mir hat. Ich habe gehört, er sucht niemanden."
Mein Vater legt seine Hand auf meine Schulter "du hast ja noch Sir Benedict. Und laut Königin, werdet ihr ja eh einen höheren Rang bekommen. Außer natürlich der Prinz findet noch gefallen an dir."
Ich beschwichtige ihn "Vater, ich möchte einen Mann der mich wirklich mag. Nicht nur die beste Partie. Ich muss den Prinzen erst noch etwas kennenlernen."
"Du wirst schon das richtige tun" nickte er lächelnd.
So einen Kommentar kenne ich gar nicht von ihm und es überkommt mich einfach und ich umarme ihn.
Erst scheint er etwas verstört, doch dann legt er auch den Arm um mich "Schlaf gut, meine Kleine."

Der Vizegraf und das Gänslein (Anthony Bridgerton FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt