Wen willst denn du nun?

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Seit diesem Tag holt mich der Prinz jeden Tag ab und führt mich aus. In Cafés, zum Diner und auch Mal nur zu einem Spaziergang.

Heute war es etwas früh für seinen Besuch. Ich öffne die Tür. Doch statt des erwartenden Prinzen steht dort, ganz stattlich und gut gekleidet, Benedict Bridgerton "können wir reden?"
"Natürlich" bejahe ich.
Die Anstandsdame läuft uns mit etwas Abstand hinterher und wir gehen etwas Richtung Stadtstraße hinüber.
Er dreht sich zu mir "ich sehe du möchtest lieber den Prinzen heiraten. Also sag mir, hilfst du mir die richtige Partie für mich zu finden?"
Also hat der Plan mit der Eifersucht anscheinend nicht geklappt.
"Natürlich kann ich." Biete ich ihm an," Aber der Prinz wird mich nicht heiraten. "
Er bleibt stehen"er schickt doch eindeutige Signale "
Ich nicke"ja aber er möchte nur, dass ich ihn abserviere, damit niemand etwas sagt, dass er wieder zurück nach Spanien geht "
Geschockt reißt er die Augen auf "nicht wahr, oder?" Er lässt es kurz sacken.
"Also könnten wir trotzdem heiraten?" Fragt er hoffnungsvoll.
"Theoretisch schon. Aber wir können uns trotzdem nach jemanden für dich umschauen. Vielleicht findet sich ja eine Dame, die du auch wirklich liebst." Lächel ich gezwungenermaßen.
"Und wir suchen dem richtigen für dich und wenn nicht, dann gibt's immer noch mich." Lächelt er zurück.
"Oh nein! Das machen wir nicht. Ich heirate dich, oder niemanden."
Er schluckt "gar kein Druck, Alicia." Und lacht dann auf.
"So war das nicht gemeint" nun muss ich auch lachen "ich meine nur... Eigentlich möchte ich niemanden heiraten momentan. Nach alledem was passiert ist. Aber nun?"
Er nickt verständnisvoll.
"Der Prinz wird wohl gleich kommen. Ich werde ihm berichten, dass du nun davon weißt und wir unseren Plan etwas verschnellern. " Ich will gerade los zurück zum Haus, als Benedict die Augen zusammen kneift "was für ein Plan? Was hast du für eure Abmachung bekommen?"
Ich lächel ihn an, antworte jedoch nicht und laufe schnell zurück und er bleibt ratlos dort stehen.

Die nächste Woche turtel ich noch mit dem Prinzen Rum, bevor ich ihn scheinbar ganz unerwartet in den Wind schieße.
Benedict ließ mich in dieser Zeit weitest gehend in Ruhe und Sir Anthony sah ich überhaupt nicht mehr. Er ging mir kontinuierlich aus dem Weg, hatte ich zumindest das Gefühl.
Gleich am Tag der Abreise des Prinzen merke ich, wie plötzlich die Junggesellen schnell wieder zurück sind und mich umwerben. Eine Situation, die ich nie erwartet hätte. Hätte mir das einer vor einem halben Jahr gesagt, dann hätte ich nur laut gelacht. Doch jetzt ist es mein Leben.
Am nächsten Morgen holt mich Benedict ab und unsere Familien laufen uns hinterher und verbringen etwas Zeit miteinander. Ich merke, dass wir in Richtung des Reitstalls gehen.
Dort angekommen öffnet Benedict das Eingangstor "ich bin nicht der ambitionierteste Reiter, deshalb möchte ich dir mein Pferd leihen. Du hast es nun zur freien Verfügung. Du kannst nun, wann immer du willst, reiten gehen. "
Ich will ihm fast um den Hals fallen. Doch halte mich zurück und verneige mich lieber anerkennend "wie lieb von dir! Vielen vielen Dank. So aufmerksam!"
Ich laufe gleich zu ihr hin.
"Sie heißt Fallada" ruft er mir hinterher .
Das erste Mal seit Wochen, dass Anthony Mal wieder etwas sagt und er ruft mir auch hinterher "bevor du es vor Pferdewahn vergisst...sein Name ist Benedict!"
Ich will nicht lachen, doch kann es mir nicht zurückhalten. Seine Mutter schlägt ihm mit ihrem Handschuh gehen den Oberarm, um ihn ruhig zu stellen.
"Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich eine Runde reiten." Rufe ich den anderen zu.
Lady Bridgerton, ganz aufgeregt "Du kannst doch nicht alleine draußen reiten. Anthony! Begleite sie doch!"
Er schüttelt auffällig angestrengt den Kopf "nein, ich bin mir sicher, dass Miss Carlisleham das auch alleine..."
Lady Bridgerton schaut ihn böse an "du weißt was letztes Jahr einer Dame allein draußen passiert ist."
Er schluckt und nickt wiederwillig "in Ordnung"
Unsere Familien verabschieden sich und kehren zurück zu unserem Anwesen, bei denen wir heute Abend die Bridgertons zum Diner eingeladen haben.

Aufgewühlt von diesem Kommentar von Anthony, sattle ich Fallada.
Zunächst schweigen wir uns an, genau wie beim letzten Mal. Dann sage ich bestimmt "also ich galloppiere jetzt. Sonst komme ich nie dahin, wo ich hin möchte, bevor es Abendessen gibt. "
"Hör auf, nein!" ruft er noch, doch ich mache mich schon los. Im Augenwinkel sehe ich, wie er mich verfolgt "na kann der Lord nicht mithalten?" Spotte ich. Wir sind schon fast da und die Anstandsdame, die uns auf dem lahmen Ackergaul verfolgte, war schon kaum mehr in Sichtweite. Jetzt ist sie im Horizont verschwunden.

"Sei sie doch vernünftig! Verrückt ist sie, die künftige Miss Bridgerton."
Augenblicklich reiße ich Fallada - etwas zu grob - herum und sie steigt, doch ich kann mich gerade noch halten. Der Lord bremst sein Pferd ebenfalls ab und springt sofort ab und rennt zu mir "Geht es Ihnen gut?"
Ich nicke und erhole mich kurz von dem Miss Bridgerton und steige dann auch von Fallada. Sir Anthony begutachtet mich von oben bis unten. Fasst mir ins Gesicht und schaut mir in die Augen.
Ich Frage total aus der Puste, aber trotzdem noch spöttisch "Herr Lord, sagen Sie ehrlich, sehen Sie den Tod in meinen Augen." Er packt nun fester zu und ich muss ihm nun auch in die Augen sehen. Und das war ein riesiger Fehler. Meine Armenfrequenz steigt rapide und mein Herzschlag schlägt schneller, als  die Hufe aller Pferde auf der Rennbahn zusammen. Er hält meinen Nacken fest und ich bin hypnotisiert von seinen braunen Augen. Ist er auch so vertieft in meine Augen?
Unsere Körper kommen sich immer näher und seine Hand krallt sich, wie die eines Raubtiers, fest in meine Haare. Meine eine Hand ruht angespannt an seiner Brust und die andere Hand streift bei jedem Atemzug vorsichtig seine Hand und es gibt einen Schlag zwischen uns. Genau wie beim ersten Mal als er mich berührt hat und die Spannung auf uns überging. Dieser Moment kommt mir schon so unendlich lang vor. Stehen wir wirklich schon seit mehreren Minuten hier? Nein dann hätte ich nicht jetzt erst einen Elektrischen Schlag bekommen. Vielleicht ist meine Wahrnehmung auch nur verzögert. Meine Gedanken spielen verrückt. Beruhig dich. Er musste lächeln, als es den Schlag gibt. Denkt er auch gerade an unsere erste Begegnung. Ich will ihm gerade am liebsten noch näher sein. Wäre das überhaupt möglich. Er steht so nah vor mir, dass ich seinen Atem auf meiner Nasenspitze spüre und ich sehe sogar den leicht orangenen Kranz um seine Pupille.
Wir schrecken beide zusammen, als wir ein knistern hören und er fährt weg von mir "geht es Ihnen gut, Miss Carlisleham? "
Lavina schaut uns misstrauisch an "was geht hier vor?"
Er ging ein paar Schritte weiter von mir weg "Könnten Sie sie untersuchen? Sie hatte einen kleinen Unfall."
"Was?" Schreit sie schon fast "was ist passiert, zeigen Sie Mal her."
Sie begutachtet mich gründlich, doch ich kann weiter nur zu Anthony schauen, doch dieser würdigt mich nun keines Blickes mehr.
Habe ich vielleicht einfach nur gesponnen? Ein Netz aus Träumerein und niemals erfüllbaren Wünschen? Kam nur mir dieser Moment eben so besonders vor, oder ging es ihm auch so?
"Mir geht es bestens. Ich wollte nur runterspringen und bin ausgerutscht" wimmel ich Lavina ab.
"Könntest du die Pferde hüten? Ich möchte gerne ein paar Pilze sammeln."
Lavina nimmt ohne ein weiteres Wort, aber weiterhin mit misterndem Blick, die Pferde und setzt sich auf einen Baumstamm.

"Was für Pilze suchen Sie genau? Kann ich Ihnen bei der Suche helfen?" Anthony kommt nun doch wieder auf mich zu.
Mir ist es unangenehm mit ihm nun zusprechen.
Er läuft mir weiter nach "wen wollen Sie denn jetzt heiraten? Wen willst denn du nun?"
Ich bleibe stehen. Hat er also doch auch was gefühlt?
"Möchtest du meinen Bruder oder spielst du nur mit ihm?"
Rückzug!! Anscheinend doch nicht.
"Ich werde ihren Bruder heiraten, außer er findet eine bessere Partie als mich" erkläre ich mit voller Überzeugung. Entweder Benedict oder niemand.
"Eine bessere als Sie?" Prustet er los "Sie sind witzig. Wer kann besser sein, als jemand, den man von vollem Herzen liebt?"
"Waren Sie schon einmal verliebt? Ich meine so richtig verliebt? Von ganzem Herzen?" Ist die Frage nun zu persönlich?
Er zögert"Gegenfrage. Glauben Sie an Liebe auf den ersten Blick?"
Ich muss kurz überlegen "verliebt sein ja vielleicht, aber die Liebe erkennt man denke ich erst mit der Zeit, oder ?"
Er beäugt einen gerade gepflückten Pilz gründlich und antwortet dabei, fast als ob es nebenbei erwähnt worden wäre, "was ist, wenn man sich sicher ist, dass man liebt. Gleich auf den ersten Blick. Man versucht sich freizulaufen von den Gedanken, aber es verfolgt einen, den ganzen Tag, die ganze Nacht. Man kann nicht mehr klar denken in der Umgebung dieser Person. Ihr könnt zusammen lachen und auch ernst reden. Ist das nicht Grund genug der Annahme, dass es wahre Liebe ist?"
Wir kommen uns vorsichtig wieder etwas näher "wenn sie wie Ihr bester Freund ist und Sie sie gleichzeitig auch noch verführen wollen, dann ja, vermutlich." Mein Atem wird schwer. Ich wünschte er würde so über mich denken.
"Zum Glück ist sie nicht exakt so wie mein bester Freund. Ich meine, stellen Sie sich den Herzog als Frau vor."lacht er mit einem niedlichen grinsen auf der rechten Wangenseite.
Ich kicher auch "Also eine sehr spießige und attraktive Frau?"
Er kommt noch ein stück näher "attraktiv ist sie auf jeden Fall. Sie ist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe."
Ich schaukel vorsichtig von meinem einen Bein zum anderen "jetzt muss sie ja nur noch humorvoll und spießig sein, so wie der Herzog, dann ist sie wohl perfekt für Sie."
Er will mir wieder einen Schritt näher kommen, doch Lavina ruft nun "kommen Sie endlich! Es wird sonst Ärger geben, wenn Sie beide nicht pünktlich zum Diner zurück sind!"

Also spielen wir weiter unser Spiel, ignorieren uns und beim Abendessen würdigt er mich wieder keines Blickes.

Der Vizegraf und das Gänslein (Anthony Bridgerton FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt