Kapitel 10

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Ich konnte mich nicht länger zurück halten. Gleich nach dem Häuten biss ich gierig in den ungebratenen Kaninchenkadaver ohne darüber nachzudenken. Nicht einmal der Geruch des Blutes oder die Möglichkeit einer Lebensmittelvergiftung konnten mich stoppen. Ich war eh schon ein toter Mann, also was sollte es? Erst ab der Hälfte hatte ich meinen Hunger zumindest so weit gestillt, um das restliche Fleisch noch notdürftig weiter zu verarbeiten. Nicht so professionell anmutend wie Jannis, doch was konnte ich schon so problemlos wie er? Ich tat einfach was mir in den Sinn kam und kauerte schließlich vor einem winzigen Feuer, das ich eher durch ein Wunder mit einem Funken auf einen Grasbüschel erzeugt hatte. Darüber hingen notdürftig befestigt ein paar halbwegs gereinigte Stücken des Hasen an einem primitiven Holzgestell. Keine Ahnung ob die so gebraten wurden oder einfach nur nutzlos im Rauch hingen. Sobald mein Hunger zurück kam, würde ich sie essen, egal ob roh oder nicht.

Meine Hände juckten unangenehm von den Wunden, die das Tier mir zugefügt hatte. Besonders der Biss am linken Handgelenk stach bei jeder Bewegung wie ein Dorn unter meiner Haut. Ich versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren, aber ich spürte, dass diese Verletzung mir die nächsten Tage noch viele Probleme bereiten würde.

Die nächsten Tage... Was sollte ich mit dieser Zeit anfangen? Das war die große Frage. Eigentlich hatte ich nicht mehr an die Oberfläche zurück gewollt, aber jetzt war ich einmal wieder hier und die Verwandlung schien sich noch ein wenig hinaus zu zögern. Was machte ich mit der restlichen Zeit?

In die Höhle wollte ich definitiv nicht mehr. Die Dunkelheit hatte einige Vorteile gehabt, aber mein Kopf war da unten genauso düster wie die Umgebung geworden. Mein Pessimismus würde jetzt sicher sagen, dass das so passte und ich nichts anderes verdient hatte, aber der Triumph von eben war noch zu präsent in meinem Gedächtnis und die fiese Stimme in mir seltsam still.

Was blieb waren ein paar letzte Tage an der Oberfläche. Umherstreifen, Rastplatz suchen, etwas fangen und die Nacht abwarten, genauso wie zuvor mit Jannis. Nur jetzt alleine und ohne Angst infiziert zu werden. Das Zelt hatte zum Glück Jannis dabei, er konnte es besser gebrauchen als ich. Dann rollte ich mich halt zum Schlafen irgendwo zusammen. Die Temperaturen, das Wetter oder wilde Tiere waren dabei meine geringsten Sorgen. Wenn schon eher Herumtreiber. Aber schlimm war vor allem die Abwesenheit meines Freundes in meiner Umarmung. In den letzten Nächten schon war ich immer wieder zwischendurch aufgewacht und hatte mich alarmiert umgeschaut ehe ich mich erinnert hatte, dass ich ja alleine war und Jannis so nicht finden würde. Aber das musste ich durchstehen. Irgendwie...

Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf das halbe Kaninchen vor mir und sah, dass das Fleisch bräunlich und an einigen Stellen rußbedeckt geworden war. Mein Magen begann wieder zu knurren bei dem Anblick und ich machte mich daran, ihn abzuhängen und alles feinsäuberlich von den Knochen zu nagen. Es schmeckte okay. Salz oder Gewürze hatten wir seit Monaten nicht mehr an unsere Mahlzeiten gemischt und daran hatte ich mich einigermaßen gewöhnt. Die Seiten, die dem Feuer am nächsten gewesen waren, waren leicht angekokelt. Doch es war besser als nichts und ich dankte dem Tier nachträglich, so wie ich es immer für unser Essen getan hatte. Auch wenn es sich gewehrt hatte. Mein Handgelenk juckte wieder und ich unterdrückte den Drang mich zu kratzen. War es angeschwollen? Ich betrachtete die Wunde, drehte meinen Arm leicht hin und her und berührte sie vorsichtig, bemüht dass kein Dreck hinein geriet. Es fühlte sich tatsächlich etwas geschwollen an... Das war nicht gut. Bisher hatte ich Infektionen vermeiden können, aber Leute hatten wegen kleinen Schnitten und Kratzern auch schon Körperteile verloren. Nach meinem Krüppelbein wollte ich nicht auch noch eine Krüppelhand haben, aber bei meinem Glück würde genau das passieren. Tiere trugen - mal abgesehen von den Sporen - alle möglichen Arten von Bakterien und Keimen mit sich herum, besonders im Maul und an den Pfoten. Hoffentlich verlor ich mein Schmerzgefühl rechtzeitig oder verreckte an etwas anderem, bevor es sich schlimm entzündete. Die widerliche matschige Wunde der Bomberleiche in der Höhle kam mir wieder in den Sinn.

The Wasteland WithinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt