Als ich die Hügelkuppe überwunden hatte, war Jannis gerade dabei, ein Feuer zu entfachen. Unser notdürftiges Zelt hatte er bereits in einiger Entfernung aufgebaut und unsere Wechselklamotten schien er auch schon gereinigt zu haben. Nicht gewaschen natürlich, dafür war Wasser einfach zu kostbar. Trocknen lassen konnten wir auch nichts ohne das Risiko, nach einer leichten Brise sofort überall neue Sporen anheften zu haben.
Ich wollte auf mich aufmerksam machen, als Jannis im selben Moment zu mir hoch sah und sich alarmiert aufrappelte. Erst nachdem ich meinen freien Arm zum Winken hob und er mich erkannte, entspannte er sich deutlich. Solche Verwechslungen passierten immer wieder mal durch mein Hinken, besonders bei Fremden. Ein Mann hatte deswegen mal eine Glasflasche nach mir geworfen und mich am Kopf erwischt. Dass mich selbst Jannis manchmal nicht auf Anhieb erkannte, tat zwar weh, aber das musste ich tapfer herunterschlucken. Überleben war wichtiger als meine Gefühle und dafür war man lieber extra vorsichtig.
"Du hast etwas gefangen!", freute der junge Mann sich, als er das Kaninchen entdeckte. Ich nickte, kam näher und gab Jannis einen raschen Kuss durch das Halstuch, sobald ich vor ihm stand. "Na klar. Der scheint auch in Ordnung zu sein, aber ich prüfe ihn gleich nochmal genauer. Hast du etwas Wasser für mich? Ich verdurste gleich!"
Eine volle Flasche hatten wir noch übrig, danach mussten wir wieder welches zum Trinken aufbereiten. Ich unterdrückte den Instinkt, das Wasser in großen Schlucken herunter zu spülen und es stattdessen mit leicht aufgeplusterten Wangen im Mund zu behalten. So verschwand auch das staubtrockene Gefühl im Mund und ich fühlte mich nach zwei Malen schon viel besser. Jannis nahm die Flasche wieder entgegen und trank selbst ein wenig, während ich mir das Tuch zurück über mein Gesicht zog und den Hasen unter die Lupe nahm.
Am wichtigsten war, dass die Sporen nicht im Körper des Tieres gelandet waren. Auf dem Pelz waren sie zweitrangig, doch fanden wir auch nur ein sichtbares Anzeichen für eine Infektion, konnten wir den Fang nicht weiter verwerten und mussten ihn vergraben. Aber wir schienen echt Glück zu haben, meine erste schnelle Untersuchung bestätigte sich. Keine Sporen, kein Pilz. Der Hase war essbar. Jannis hatte in der Zwischenzeit den Zunder zum Brennen gebracht und hütete jetzt das startende Feuer wie ein Wachhund seine Schafe. Wir wollten schließlich nicht das trockene Gras ringsum in Brand stecken. Wenn ich mich beim Häuten beeilte, hatten wir in einer Stunde eine gute Mahlzeit bereit.
Die Jagd und das Zubereiten meiner Beute übernahm jedes Mal ich, denn mein Partner brachte es dann doch nicht über sich. Als Kind hatte er mehrere Kaninchen als Haustiere gehabt und deswegen eine noch tiefere Bindung zu ihnen als ich. Ansehen und essen konnte er sie mittlerweile wenn er sich keinen allzu großen Kopf darum machte, nur verletzen ging immer noch nicht. Tatsächlich freute mich diese Aufgabenteilung aber. Sie gab mir einen Sinn und machte mich nicht gänzlich überflüssig. Jannis war außerdem viel geschickter als ich im Feuer entfachen und Wasser filtern und so ergänzten wir beiden uns ganz gut. Ein eingespieltes Zweiergespann bei dem Versuch, in dieser Welt noch ein paar Tage länger zu überstehen.
"Erik? Wir müssen bald mal in eine Stadt", murmelte mein Freund irgendwann gedankenversunken, "Mir gehen die Feuerstarter aus. Und wir brauchen neue Filter. Das geht ganz schnell, am Abend sind wir schon wieder aus der Stadt raus!"
Ich hielt in meiner Arbeit inne. Wann immer Jannis verkündete, dass wir in eine Stadt mussten, wurde mir das Herz bleischwer in der Brust. Es gab schon gute Gründe, wieso wir das unsichere Leben als Reisende gewählt hatten und uns nicht auf Dauer innerhalb schützender Mauern aufhielten. "Ist das okay?", fragte er sanft nach und ich zwang mich zu einem Lächeln und einem Nicken. "Ja, ist okay." Es musste schließlich irgendwann mal sein. Jannis schleppte mich nicht aus Vergnügen an so gefährliche Orte, nur wenn es sich nicht länger vermeiden ließ.
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The Wasteland Within
Fiksi Remaja"Bei einem Zombie Überfall wäre ich sicher der Erste, der draufgeht." Doch entgegen seiner Überzeugung ist der gehbehinderte Erik auch Monate nach dem Ausbruch noch immer am Leben. Zusammen mit seinem Partner Jannis schlägt er sich jeden Tag tapfer...