Kapitel 2

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"Sind wir bald da Mama?"

"Schatz, wir sind erst vor zehn Minuten losgefahren, beruhige dich!"

Ich hampelte auf meinem Sitz auf der Rückbank herum. Mama sagte es waren erst zehn Minuten Fahrt, aber wenn es nach mir ging fuhren wir schon viel zu lange. "Mach schneller! Sonst kommen wir zu spät!"

Mama drehte nicht einmal ihren Kopf in meine Richtung als sie mich ermahnte: "Wir können nicht viel schneller fahren Erik. Und wir haben noch genug Zeit, also beruhige dich und heb deine Energie für nachher auf! Hast du auch an eine Jacke und Schal für die Bank gedacht?"

"Jaahaa, hab ich. Wie lange müssen wir denn noch fahren?"

Mama seufzte und warf dann doch einen kurzen Blick zu mir. Sie lächelte ein wenig. "Ach Schatz. Wie wärs, zählst du in der Zwischenzeit Autos für mich und sagst mir wie viele uns entgegen kommen?"

Das war ihre liebste Aufgabe für mich, wenn wir zu einem Spiel fuhren und mir langweilig war. Manchmal waren es nur rote Autos und manchmal Autos die lustig aussahen, aber bei dem Wetter konnte ich sowieso kaum Farben erkennen. Ich stützte meinen Ellbogen vor dem Fenster auf und begann leise zu zählen. Nach drei Autos wurde die Scheibe neblig und ich wollte sie gerade wieder sauber wischen, als Mama schärfer als gewöhnlich bremste. Ich schwang nach vorne in den Gurt, meine flache Hand zog einen Streifen über das verschwommene Glas und ich blinzelte überrascht nach draußen. "Mama? Da-!"


"Erik?"

Ich schreckte auf und verkniff mir einen panischen Aufschrei. Es war zu dunkel, um etwas zu sehen, aber ich hatte Jannis Stimme neben mir erkannt. Er klang besorgt, obwohl er sich alle Mühe gab um mich zu beruhigen. "Alles gut Babe, es war nur ein Traum..."

"Sorry", nuschelte ich nachdem ich es geschafft hatte, die kriechende Angst in meinem Inneren zurückzukämpfen. Es war nicht echt. Nicht mehr. Nur ein Alptraum. Mein Winden im Schlaf musste Jannis wohl aufgeweckt haben, denn es war noch viel zu früh, um unsere Sachen zu packen und weiterzuziehen. Mein Partner drehte sich in meiner Umklammerung zu mir um, sehr vorsichtig um mein Bein nicht mehr als nötig zu belasten, und schmiegte sich dann an meine Brust. "Schon gut. Ich war schon wach, dachte ich hätte etwas gehört."

Sofort war ich wieder in Alarmbereitschaft. Geräusche von draußen, Rumtreiber? Zwar war es unglaublich gefährlich bei Nacht zu reisen, doch nicht unmöglich und wenn sie leise genug waren, hatten sie bei Überfällen leichtes Spiel. Wir waren hier draußen noch nicht an solche Menschen geraten, aber wir wussten dass es sie gab. Wir hatten oft genug von ihnen gehört. Jannis wirkte jedoch nicht annähernd aufgeregt genug. "Nichts schlimmes Erik. Vielleicht ein kleines Tier oder sowas", fügte er nach einer kurzen Pause hinzu und ich atmete auf und ein paar Mal tief durch. Okay... hoffentlich war es so. "Soll ichs fangen?", versuchte ich mit schwacher Stimme vor allem mich selbst zu entspannen, „So als Mitternachts-Snack?"

Jannis kicherte, sein warmer Atem und das Beben seines Körpers gegen meinen waren eine Wohltat für mich. Vergleichbar mit einer heißen Tasse Tee an einem Regentag Zuhause. "Bleib bloß liegen, jetzt gehst du nirgendwo hin!"

"Nagut. Dann versuchen wir wieder zu schlafen", schlug ich vor und spürte das bestätigende Nicken meines Partners. In ein paar Stunden würde es hell werden und sobald es wieder schwülwarm war durch die Sonne, war es auch sicher genug um zu Reisen. Dann würden wir die nächste Stadt anpeilen und schauen, wie es von dort aus weiter ging...


Die Sonne stand erst knapp über dem Horizont, aber es war bereits drückend heiß, als wir losgingen. Laut unserer Karte würden wir heute am späten Nachmittag die nächste Stadt erreichen. Bamberg. Eine digitale Karte hätte uns die genaue Zeit und unseren Standort sagen können, aber ohne Strom waren technische Geräte wie Handys schon lange unnützer Ballast. So mussten wir uns auf einen Kompass und unseren Wanderführer von vor der Apokalypse verlassen, ein Geschenk von mir zu Jannis' Geburtstag. Ich hatte mich damals während Corona so sehr gehen lassen, dass ich meinem Partner versprochen hatte, mir im Herbst drei Wochen Urlaub mit ihm zu nehmen und bis dahin eine Bucketliste von Sehenswürdigkeiten in Deutschland zu erstellen, die wir dann mit einem Wohnmobil und täglichen Wanderungen abklappern konnten. Dazu war es dann drei Jahre lang leider nie gekommen und die Kartensammlung beinahe in Vergessenheit geraten.

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