Gerade als ich Miss Bain weiter über ihre Erfahrungen und Erlebnisse ausfragen möchte, hält die Kutsche unversehens mit einem kräftigen Ruck an und unsere Körper werden nach vorne gestoßen. Reflexartig halten wir unsere Hüte fest und Miss Bain beugt ihren Kopf weit aus dem Fenster, um sich zu erkundigen.
"Wir sind da meine Damen!"
Ruft der Fuhrmann lauthals zu unserer Kabine und zieht mit Kraft die Zügel an sich heran, um die Pferde ruhig zu halten. Anschließend begibt er sich zu uns und öffnet mit abgenommener Kappe die Tür, um uns beim Abstieg aus der Kutsche zu helfen.
"Danke Jacob."
"Vielen Dank."
Miss Bain dreht sich zu mir um und hebt anschließend ihren Hut, um das Gebäude in all seiner Pracht wahrzunehmen. Verblüfft und mit weit geöffneten Augen fragt sie mich:
"Ihr Haus?"
Ich nicke und schreite voran, um die Tür für uns beide zu öffnen.
"Sie haben nie erwähnt, dass sie einer angesehenen Adelsfamilie abstammen!"
"Hätte ich das tun sollen? Wenn sie es wegen der Anredeform ansprechen, sie müssen mich nicht mit Titel anreden. Ich habe noch nie Wert darauf gelegt um ehrlich mit ihnen zu sein."
Ich wende mich von der Eingangstür ab und bitte sie herein.
"Das..."
Grübelnd führt sie ihren kleinen Finger an ihren Mund heran.
"Das macht die Sache natürlich noch viel leichter."
Aufschreiend dreht sie sich hektisch zu mir.
"Nein, viel schwerer!"
Aufgeregt packt Miss Bain mich an den Schultern.
"Miss Chebbert, wenn irgendein Skandal aus dieser Geschichte entsteht, könnte dies den Ruf ihrer Familie zerstören, ist ihnen das bewusst?"
"Warum sollte denn so etwas passieren? Ich habe schließlich doch nur geholfen."
"Miss Chebbert sie sind wahrhaftig ein Unschuldslamm..."
Wir setzen uns gemeinsam an den Mahagoniesstisch des großen Saals, als uns eine Bedienstete auch schon mit einer Tasse Tee empfängt. Es herrscht Stille im Raum und Miss Bain rührt sachte den Zucker in ihren Tee hinein, während sie in ihren Gedanken versunken ist. Ich nutze die Zeit um ihr pompöses Auftreten zu begutachten. Ich würde lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass sie sogar luxuriöser als ich gekleidet ist. Eine glänzende Perlenkette, Silberarmbänder und teure Stoffe umschmeicheln ihr Äußeres. Nach kurzer zeit stellt sie nervös die Tasse ab.
"Können sie sich noch daran erinnern, was ich vorhin zu ihnen gesagt habe, bezüglich des Zitats?"
Ich denke kurz über ihre Aussage nach und nicke anschließend wissend, was sie mir damit sagen möchte.
"Beamte haben einen hohen Status. Selbstverständlich sind sie als Adel hochrangiger, aber dennoch eine Frau. Wenn wir nicht alsbaldig schriftliche Beweise finden, geschweige denn diesen Mann finden, könnte er einen Racheplan schmieden und die ganze Sache zu ihrem Nachteil umdrehen."
Schockiert verschlucke ich mich an meinem Tee und hinterfrage hustend ihre Aussage.
"Sie meinen, dass er sich als Opfer ausgibt und der Dame und mir eins Auswischen möchte?"
"So ist es."
Ich atme behutsam aus und nehme noch einen Schluck, um meinen Hals wieder frei zu bekommen.
"Miss Bain, nehmen sie es mir nicht böse, aber ich denke, sie machen sich da viel zu viele Gedanken."
Ich drücke meine Hände fest an die Tasse.
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Great Misfortune - Lebe deinen Traum
Historical FictionIm viktorianischen England wächst das junge Mädchen Grace auf, die sich schon immer der gesellschaftlichen Normen widersetzte und sich nach Unabhängigkeit und Freiheit sehnt. Etwas, das in dieser Zeit undenkbar ist. Als junge Frau merkt sie schnell...