Es gibt einen weisen Spruch, der besagt – die Zeit heilt alle Wunden und irgendwann ist jede Enttäuschung überwunden, doch Kara weiß jetzt schon, es müsste erst eine neue Eiszeit kommen, dann wäre ihr Herz geheilt. Es tut so weh. Kara fliegt weit über den Fjord, wo der Sturm sich gelegt hat und die Wellen beruhigt, doch sind sie düster und schwarz wie die Nacht. Kara dachte immer, wenn sie fliegt, dann ist es über herrliche Landschaften, über blühende Wiesen und sie würde Loopings vor Freude in die Lüfte schlagen. Das Fliegen über den schaurigen Fjord ist wie ein seltsamer kalter Traum, aus dem es kein Erwachen gibt. Karas Herz schmerzt und die Geschehnisse laufen vor ihrem Augen ab und quälen sie.
Lena hat sie geküsst. Ihr erster Kuss und Kara ist nicht länger ungeküsst. Und noch ehe Kara die Wärme fühlen kann, die kleinen Flammen des Feuers, welches dieser Kuss in ihr entfachte, hört sie ein Bellen und dann folgt der Schmerz. Der Gedanke an den Kuss führt sie direkt zu ihrem Schmerz. Da ist Flori, der kleine unschuldige Welpe und Karas Herz verkrampft sich so sehr. Kara weint für Flori und weiß nicht, ob sie sich davon erholen kann.
Natürlich kehrt Kara an diesem schrecklichen Abend oder besser gesagt mitten in der Nacht, in das Hotelzimmer in Oslo zurück. Wo sollte sie auch sonst hin? Über den endlos kilometerweiten Atlantik nach Hause fliegen? Sich verkriechen? Die Besitzerin des Hundes um Verzeihung bitten, dass sie sich hat ablenken lassen und nicht in das Wasser gesprungen ist, um den kleinen Flori lebendig herauszuziehen? Nein, damit würde sie nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen und alles verkomplizieren und schlimmer, die Frau würde sie für verrückt erklären. Dennoch, Kara kommt nicht umhin sich zu fragen, für was sie überhaupt Kräfte hat, wenn sie nicht mal einen kleinen Welpen retten kann. Die Antwort kennt sie nicht und selbst ihre endlosen Gedanken helfen niemanden weiter, also hört sie auf zu denken und stellt sich dem Schmerz.
Als Kara die Türkarte zum Penthouse bedient und leise öffnet, sieht sie einen Schatten, der sich im Inneren bewegt und dann geht das Licht an. Lena steht vor ihr und sie sieht furchtbar aus. Ihre Haare sind zerzaust und ein paar Strähnen nass. Das Mascara ist verschmiert und noch immer trägt sie die Klamotten vom Abend, die mittlerweile vollständig verknittert und leicht verschmutzt sind.
„Kara."
Selbst ihre Stimme klingt brüchig. Lenas Augen sind tränennass und ihre Wangen voller roter Flecken.
„Kara, Gott sei dank, du bist zurück."
Lena zittert und sie sieht furchtbar aus, aber sie ist nicht verletzt und Kara wendet den Blick ab. Sie kann jetzt nicht mit Lena sprechen, sie kann es nicht und sie möchte es auch gar nicht. Sie möchte keine Entschuldigungen hören, wie leid Lena dieser Kuss tut. Hören, das sie es nur mit einem bestimmten Ziel vor Augen getan hat und nicht aus Leidenschaft. Unfair, unfair, unfair. Wortlos geht Kara an ihr vorbei zu ihrem Zimmer und schließt demonstrativ die Türe.
Lena hält das nicht ab.
„Kara?", sanft klopft sie an. „Können wir bitte reden? Es war ein schreckliches Erlebnis. Bitte lass uns nicht so auseinander gehen, Kara. Lass uns setzen und unsere Gedanken teilen."
Kara, die noch an der Türe lehnt, pustet Luft aus. Gedanken teilen? Kara hat genug gesagt und Lena hat das nur ausgenutzt. Ärgerlich dreht Kara den Schlüssel um, ein klares Zeichen, dass sie nicht reden möchte und allein gelassen werden. Mit angehaltenem Atem und mucksmäuschenstill wartet Kara. Es dauert eine Weile, aber dann gibt Lena auf und entfernt sich von der Türe.
Die restliche Nacht ist quälend lang und ohne Schlaf, doch irgendwann findet sie ihr Ende.
Am nächstem Tag reisen sie ab. Kara redet kein Wort mit Lena, als wäre sie stumm. Sie geht ihr weitmöglichst aus dem Weg, beantwortet unumgängliche Fragen nur mit einem nicken und setzt ihre Kopfhörer auf und hört Musik. Sobald sie den Security Check-in am Flughafen erledigt haben und Kara weiß, an welchem Gate ihr Flugzeug losfliegt, entfernt sie sich von Lena und wartet dort, bis sie in die Maschine einsteigen können. Lena unternimmt keinen weiteren Versuch mehr, sich mit Kara zu unterhalten. Im Flugzeug machen es die großzügigen First Class Sitze leicht sich zu ignorieren. Kara richtet ihr Gesicht dem Fenster entgegen, doch hat sie die Augen fest geschlossen und beißt die Zähne aufeinander, um nicht zu heulen.
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Den Sternen so fern
RomanceKara ist 17 und Waise. Alex ist ihre Betreuerin und verschafft ihr ein Praktikum bei L-Corp. Dort trifft Kara auf Lena Luthor und erstmals erwachen Gefühle in ihr. Es trifft sie völlig unerwartet und ihr fällt auf, sie hat diese Frau schon mal gese...