Ein Praktikum beginnt

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L-Corp. Das hohe Bauwerk mit dem neumodernen Schriftzug ragt hoch gewachsen aus dem Boden empor. Kara muss den Kopf in den Nacken legen und ihre Hand über die Augen legen, damit sie nicht von der starken Frühjahrssonne geblendet wird.

Ich bin erfolgsverwöhnt, betriebsam und wichtig scheint es ihr zu sagen, was möchtest du hier?

Die Frage ist nicht ungerechtfertigt.

L-Corp liegt inmitten eines betriebsamen Businessviertels, wo Anzugträger mit eiligen Schritten an ihr vorbei hasten. Das Smartphone am Ohr und den Kaffeebecher in der Hand scheint Standardausrüstung zu sein und wird zur Schau gestellt, als regierten sie routinemäßig die Welt. Macht und Erfolg wiegen schwer in der Luft.

Kara blickt auf die gläserne Drehtür, die Eintritt in das Gebäude gewährt und schluckt schwer. Dort muss sie hinein und sie ist sich in diesem Moment ihres gewöhnlichen Outfits nur allzu bewusst. Hastig streift sie die Falten aus ihrem Rock und knotet ihr Halstuch neu. Das seidene Tuch mit rosafarbenen Kreisen bedruckt, ist unheimlich schick. Kara hat es sich extra für diesen Tag geleistet, um ein wenig erwachsener zu wirken. Frisch geknotet findet sie sich bereit und mit neuem Mut macht sie einen Schritt nach vorne, als ein dunkelverspiegelter Wagen vorbeifährt und ihr den Weg abschneidet. Irritiert bleibt sie stehen und wartet, bis dieser vorüber fährt, doch der Wagen hält direkt vor dem Eingang von L-Corp und bleibt dort stehen.

Kara beobachtet, wie der Potier seinen Posten verlässt und bereitsteht, um den Ankömmling zu begrüßen. Mit einer galanten Bewegung in passend roter Uniform hält er die hintere Türe des Wagens auf. Eine Frau steigt daraus aus.

Eine vornehme Dame, die einen bodentiefen Mantel in makellosem Weiß trägt. Ihr dunkles Haar ist lang und zu einem perfekten Pferdeschwanz gebunden, welcher lebendig hin und wippt. Ohrringe blitzen kurz im Sonnenlicht auf, als sie ein paar Worte mit dem Portier wechselt. Etwas, wie sie sich bewegt, lässt Kara den Atem anhalten.

Obwohl Kara ihr Gesicht nicht sieht, ist sie sich sicher, dass diese Frau schön ist. Ihr gesamtes Auftreten, die Eleganz, sowie der Pferdeschwanz, der bei jeder Bewegung perfekt auf und ab hüpft, lässt ahnen, wie reizend sie sein muss.

Ihre Beobachtung fällt nicht lange aus, wenige Augenblicke später ist der Pferdeschwanz durch die Drehtür verschwunden. Kara seufzt. Sie sollte nun auch dort durchmarschieren. Nach dem Motto; Augen zu und durch, wenn sie nicht gleich an ihrem ersten Tag zu spät kommen möchte.

In ihrem Bauch rumort es und Kara würde am liebsten auf dem Absatz kehrtmachen und davon laufen. Sie wehrt sich gegen diese Gedanken, es ist lächerlich. Dass sie aufgeregt ist, darf sie ruhig zugeben. Noch nie hat sie ein solches Bauwerk betreten, es fühlt sich einschüchternd und aufregend zu gleich an.

Der Wind weht eine leichte Brise in ihre Richtung, was sie als Anlass nimmt, nochmal tief durchzuatmen. Ein schwacher Duft hat sich darin gesammelt und steigt ihr in die Nase. Kara schnuppert, ein Hauch von Parfüm. Der Duft ist aufregend und neu, doch bei der Nächsten Brise ist er bereits fort, ohne das Kara ihn besser definieren konnte.

Egal, sie darf sich jetzt nicht mehr ablenken lassen. Kara strafft ihre Schultern und macht sich auf den Weg durch die eindrucksvolle Drehtüre.

„Guten Tag, ich beginne heute ein Praktikum," gibt Kara der Dame am Empfang Auskunft.

„In welcher Abteilung?", kommt es zurück.

Kara überlegt nach der richtigen Antwort. Die Dame im Kostüm trägt einen trendigen Kurzhaarschnitt und erst als sie auf ihre Frage keine Antwort erhält, schaut sie von ihrem Tresen auf.

„In der Hauptabteilung?", erwidert Kara und bemerkt, dass ihre Antwort wie eine Frage geklungen hat.

Kara weiß nicht viel über das Praktikum. Sie ist froh, dass sie überhaupt die Möglichkeit erhalten hat. Ohne Stipendium kommt ein College nicht in Frage und so muss Kara in den sauren Apfel beißen und bereits so kurz nach ihrem Highschool-Abschluss die Arbeitswelt betreten.

Den Sternen so fernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt